Irgendwo in der Uckermark. Junge Menschen kreisen um sich selbst – und um das Monster Liebe, das Kerstin mit Haut und Haaren verschluckt und dann plötzlich ausgespuckt hat. Zurück in eine Welt, in der es Thomas nicht mehr gibt, der sich auf und davon gemacht hat. Was geblieben ist, sind die Erinnerungen: Huckepack durch den Sommerwald, Rumlümmeln im Gras, Planschen am See und Küssen, Küssen, Küssen. Das Glück von gestern. Kerstin klammert sich daran, damit es ihr nicht auch noch abhandenkommt.
Was macht man bloß, wenn die Liebe plötzlich weg ist? Man kann wie Kerstin verharren, warten, dass die alte zurückkehrt oder eine neue vorbeikommt. Man kann jedem vorbeifahrenden Zug hinterherbrüllen, er möge doch bitte anhalten, auf den Gleisen liegend ein „Komm zurück!“ schluchzen oder voller Wut Zement an die Wand spachteln.
Oder man kann einen Film machen wie Luise Brinkmann, die mitten im größten Verlassen-worden-Sein ihre Abschlussarbeit an der Filmschule Köln realisierte. Herausgekommen ist dabei „Beat Beat Heart“, eine Romanze über das Glück und das Leid der Liebenden, eine leichtfüßige Abhandlung darüber, was die Menschen im Anderen suchen und finden, und wie man loslässt und (über)lebt, allein oder zu zweit.
Die Bilder sind sommerlich entrückt – so wie Kerstin, diese unverhohlene An-die-große-Liebe-Glaubende, die mit der rothaarigen Maya ein Haus auf dem Lande bezogen hat. Noch liegt der Schutt herum, sind die Wände unverputzt, aber eines Tages soll es beider Landlusttraum und ein kleines Kino beherbergen. Nebenan wohnen Franzi und Paul, der schon mal anpackt und mit Kerstin Balken wegkarrt, was von seiner Freundin misstrauisch beäugt wird.
Dieses Bullerbü für moderne Thirtysomethings wird aufgemischt, als Kerstins Mutter Charlotte unangemeldet mit einem Koffer vor der Tür steht. Ein Überraschungsbesuch, sagt sie. In Wahrheit sucht sie Zuflucht, hat sie sich doch – aus Versehen – von ihrem langjährigen Partner Roman getrennt.
Dass ihre Mutter Roman dasselbe angetan hat wie Thomas ihr, ist für Kerstin kaum zu ertragen. Noch weniger, dass Charlotte auf Anraten von Maya, die mal mit diesem, mal mit jenem ins Bett geht und überhaupt davon überzeugt ist, dass Sehnsucht unfrei macht, über eine Dating-App Männerbekanntschaften sucht und fündig wird. So werden die verschiedenen Positionen ausgelotet, einige finden sich, andere trennen sich. Was ist das eigentlich, die Liebe?
Manchmal packt einen die Ungeduld, wenn man diesen Großstädtern auf dem Lande beim Lieben, Leiden und Labern zuschaut. Genug mit dem Kreisen um sich selbst, fernab jeglicher gesellschaftlicher Realität und ökonomischer Zwänge! Genug mit Sätzen, die mitunter wie Statusmeldungen klingen! Doch zugleich wirkt „Beat Beat Heart“ völlig unverstellt. Statt Pathos erkennt man hier echte Gefühle und damit eine ungeheure Authentizität – typisch für die Filme des jungen deutschen (und bislang ziemlich männlich geprägten) Mumblecore-Kinos, das auf kleine Budgets, geringen technischen Aufwand, Improvisation und freie Erzählkonzepte setzt.
Mit Lana Cooper, die 2013 in „Love Steaks“
(fd 42 290) von Jakob Lass brillierte, findet der Film ein starkes Zentrum, denn sie kann alles, das verliebte Mädchen im Blümchenkleid genauso wie die rotzige Tochter in Arbeiterhosen. Sie stiehlt dabei niemandem die Schau, weder Saskia Vester als blond verstrubbelter Mutter Charlotte noch Christin Nichols als sexfreudiger Maya, die plötzlich nicht mehr auftaucht, nachdem sie Charlotte auf einen neuen Weg geschubst hat.
„Beat Beat Heart“ erzählt viele Geschichten, wie die von Charlotte, die mit Mitte 50 staunend neue Freiheiten erkundet, oder die der von der Liebe mitgenommenen Kerstin, die festhalten will, was sie loslassen sollte, und deshalb später auch keine Liebesfilme in ihrem Kino zeigen will. Stattdessen: „Action, Splatter, Psychothriller“ und „Blut, ganz viel Blut!“ Aber wahrscheinlich wird sie ihre Meinung zum Filmprogramm noch ebenso ändern wie zum Thema Liebe. „Beat Beat Heart“ zumindest würde gut in ihr kleines Dorfkino passen – und in jedes andere Kino sowieso.