Seit 1998 bereist der US-amerikanische Cellist Yo-Yo Ma mit seinem „Silk Road Ensemble“ die Konzertsäle der Welt, um mit Musikern aus Ländern entlang der alten Seidenstraße für Völkerverständigung und kulturellen Austausch zu werben. Der inspirierende Dokumentarfilm mischt Bühnenauftritte, Interviews und Archivmaterial, porträtiert Ensemble-Musiker und beobachtet sie in ihrem Bemühen, die Traditionen ihrer Heimat zu bewahren und zugleich offen für Neues zu sein. Dabei neigt er allerdings häufig zum Superlativ und will auch dort noch beeindrucken, wo Takt oder Zurückhaltung angemessener gewesen wären.
- Ab 14.
The Music of Strangers - Yo-Yo Ma & The Silk Road Ensemble
Musikdokumentation | USA 2015 | 95 Minuten
Regie: Morgan Neville
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Filmdaten
- Originaltitel
- THE MUSIC OF STRANGERS
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2015
- Produktionsfirma
- Tremolo Prod.
- Regie
- Morgan Neville
- Buch
- Morgan Neville
- Kamera
- Graham Willoughby
- Schnitt
- Jason Zeldes · Helen Kearns
- Länge
- 95 Minuten
- Kinostart
- 15.09.2016
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Musikdokumentation
- Externe Links
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Heimkino
Hymne auf das "Silk Road Ensemble" des Cellisten Yo-Yo Ma
Diskussion
1998 bricht der weltweit wohl beste Cellist der Gegenwart, Yo-Yo Ma, aus dem traditionell eher engen Cello-Repertoire aus, das einem neugierigen Virtuosen wie ihm Grenzen setzt. Aus einem Workshop in Tanglewood, Massachusetts, zu dem Musiker aus Ländern entlang der Seidenstraße mit ihren traditionellen Instrumenten eingeladen waren, entwickelt sich ein Projekt, das als „Silk Road Ensemble“ unter Yo-Yo Mas Leitung seither weltweit Zuhörer wie Veranstalter euphorisiert. Denn man kann sich der Energie und der Virtuosität der Musiker und ihrer Stücke nur schwer entziehen. Überdies lässt sich ja kaum etwas gegen ein Unterfangen einwenden, das sich den Austausch, aber auch die Bewahrung von Traditionen sowie Völkerverständigung in Zeiten der Globalisierung (quasi verbildlicht in der uralten Seidenstraße) auf die Fahnen geschrieben hat.
Morgan Neville setzt ganz auf die Botschaft, die Yo-Yo Ma und seine Musiker in die Welt senden. Neben Yo-Yo Ma stellt der Film ein halbes Dutzend der Männer und Frauen vor. Dabei begegnet man Menschen, denen Revolutionen sehr viel Leid eingebracht haben, ob bei der Kulturrevolution in China oder bei den Umbrüchen im Iran oder in Syrien. Ihre Musik verstehen die Ensemble-Mitglieder mal als eine Art Weltsprache, mal als etwas Sinnstiftendes und Schönes, das der Welt und ihren Grausamkeiten abgetrotzt wird. Neville beschäftigt die Frage, wieso die Musiker gerade in diesem Ensemble und nicht anderswo gelandet sind. Bei jedem von ihnen, ob dem syrischen Klarinettisten Kinan Azmeh, der chinesischen Pipa-Spielerin Wu Man, der temperamentvollen Gaita-Spielerin Cristina Pato aus Galizien oder dem iranische Kamantsche-Virtuosen Kayhan Kalhor, dreht sich alles um Heimat, um Tradition und ihre Erneuerung durch äußere Einflüsse, aber auch um die Erfahrung von Fremdsein und die destruktive Kraft von Revolutionen, die das Leben des Einzelnen aus der Bahn werfen. Neville geht es um Sinn, Halt und ein Ankommen im Unterwegssein durch die unendliche Bewegung in der Musik. Das macht „The Music of Strangers“ zu einem beeindruckenden und inspirierenden Film.
Doch gerade bei bekannten Musikstücke wie Charles Ives’ „Unanswered Question“ oder Olivier Messiaens „Quatuor pour la fin du temps“, die kontemplative Stimmungen erzeugen und den Mut haben, bei den Fragen, die sie musikalisch stellen, auch zu verweilen, ohne gleich Antworten nachzuschieben, fragt man sich, ob es für den aufwändigen Film nicht besser gewesen wäre, mit etwas weniger auszukommen, ob die Inszenierung nicht öfters das Tempo herausnehmen und den ein oder anderen einordnenden Kommentar im Marketing-Sprech (Trailer-geeignet!) nicht besser weggelassen hätte, um stattdessen die Atmosphäre wirken zu lassen.
Es ist nicht so, dass der Film nicht auch kluge (wenngleich keine neuen) Fragen stellen würde, etwa über den Sinn von Kunst in Zeiten von Massakern wie in Syrien. Doch meistens klingen die schnellen Antworten etwas zu pathetisch, bemühen den entrückten Blick einer abgehobenen Perspektive und streben danach, den Zuschauer zu beeindrucken. Diese Absicht steckt wohl auch hinter den zahllosen, fast atemlosen Ortswechseln weltweit, auffällig-ambitionierten Kamerabewegungen und sichtlich inszenierten Situationen. Im Gegensatz dazu findet die Inszenierung aber kaum eine Szene, in der sich ein Musiker einem Stück nähern oder es entwickeln würde. Auch hätte man zu gerne erfahren, wie sie mit den Unterschiedlichkeiten, aber auch mit den Ähnlichkeiten ihrer Instrumente umgehen, um daraus ihre gemeinsame Musik zu gestalten.
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