Drama | Deutschland 2015 | 93 Minuten

Regie: Henri Steinmetz

Vier Jungen und ein Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden treiben durch den Sommer. Es geht um erste Liebe zwischen kindlichem Spiel und erotischer Anziehung, um das Ringen mit geschlechtlicher Identität, das Austesten neuer Möglichkeiten und Kräfte, aber auch um die Erfahrung von Grenzen. Der Debütfilm erzählt weniger eine stringente Geschichte, sondern arbeitet in durchkomponierten Bildern die Essenz der Adoleszenz und ihrer Verhaltensmuster und Gefühle heraus. Gleichwohl bleibt die Spannung zwischen den Figuren blass, und auch die Bilder kommen nicht immer über ihre schöne Oberfläche hinaus. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
cine plus Filmprod./X Filme Creative Pool/Antonius Buchwieser Film/BR
Regie
Henri Steinmetz
Buch
Alan Smithee (hier: Andreas Sinakowski)
Kamera
Bernhard Keller
Schnitt
Lorna Hoeffler-Steffen
Darsteller
Franz Rogowski (Tubbie) · Maresi Riegner (Marie) · Jonas Dassler (Tim) · Emanuel Schiller (Jojo) · Jordan Elliot Dwyer (Birdie)
Länge
93 Minuten
Kinostart
28.01.2016
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Jugendfilm
Externe Links
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Visuell durchkomponiertes Drama an der Schwelle zur Adoleszenz

Diskussion
Der Film überrascht mit einem rätselhaften Auftakt, der keineswegs Gewohnheiten bedienen will: Ein Laubwald, dessen frisches Grün zum Spaziergang einlädt. Die Kamera heftet sich an den Rücken eines Mädchens mit hochgestecktem Haar. Verlockung und Unschuld zugleich. Ein Träger ihres pailettenverzierten Cocktailkleides ist von der Schulter gerutscht. Offenbar im Spiel. Denn Marie ist immer auch noch ein Kind. Das Mädchen mit dem lippenstiftroten Mund spielt mit vier Jungen Suchen. Wenig später steht man in einem Herrenhaus. Auch von dem hat die Natur, und das schließt den Tod mit ein, bereits Besitz ergriffen. Der angestammte Ort für sozialen Status und Familienbindungen wird nicht mehr als geschützter gesellschaftlicher Raum inszeniert. Der Wind wirbelt einen Haufen Laub durch ein menschenleeres Zimmer. Die jungen Leute gelangen durch eine Schleuse hinein. Hier sprechen sie über die Gefahr, die von der Natur ausgeht. Mehltau und Hitze setzen ihnen zu. Fast könnte man sich in einer filmischen Dystopie wähnen. Zumal die fünf hungrigen Jugendlichen danach ein Restaurant aufsuchen, in dem kein Trinkwasser vorhanden ist. Doch der erste Anschein trügt. Regisseur Henri Steinmetz, der bei Michael Haneke studiert hat, wollte keinen herkömmlichen Adoleszenzfilm drehen. Ihm geht es vielmehr um Abstraktion. Er begibt sich auf eine anthropologische Forschungsreise und erkundet, was Erwachsenwerden für junge Menschen heute bedeutet. Sein symbolisch grundierter Film versteht sich als Zustandsbeschreibung dieses einschneidenden Lebensabschnitts. Dafür legt er in mehreren Szenen typische Verhaltensmuster, Sinneswahrnehmungen und Gefühle frei. Und damit dieser manchmal chaotische, triebdurchwirkte Zustand nicht über die Fugen wuchert, bändigt er ihn ästhetisch durch eine strenge Form, was bereits die Gliederung durch ihren Inhalt zusammenfassende Kapitelüberschriften signalisiert. Für Steinmetz ist das Erwachsenwerden ein Spiel, das durch die Realität des Körpers, durch den Durchbruch des Begehrens und explosiver Gefühle bedrohliche Formen annimmt. So inszenieren sich die jungen Leute mit Hilfe angesagter Klamotten und einstudierter Posen. Der Film steigert ihren Selbstausdruck durch ausgewählte Hintergründe, geometrische und farblich akzentuierte Bildkompositionen und das Sounddesign, das Dingen plötzlich ein Eigenleben verleiht. Anhand des Gruppenanführers Tubbie nimmt der Regisseur Einblick in machohafte Gemüter, deren Vorlieben und Vorbilder er spiegelt, indem er Versatzstücke des Gangstergenres aufgreift. Das Verhältnis der Geschlechter von vier Jungen zu einem Mädchen und die verschiedenen Dresscodes der männlichen Figuren verdeutlichen, dass dem Mädchen vor allem die Rolle als Fetisch zugewiesen wird. Es soll als makellose, langbeinige Lolita durchs Bild staken. Doch dergestalt balanciert das Mädchen auf der Kante; Maries Anerkennung in der Peergroup kann jederzeit kippen. Denn die „coole“ Selbststilisierung ist von der eigenen Natur bedroht. Als Maries erste Menstruation für alle sichtbar in einem Schwimmbad einsetzt, wird sie von Tubbie beschämt. Damit sieht sie sich mit dem zentralen Affekt für die weibliche Identitätsbildung konfrontiert. Und der Zuschauer mit dem Widersinn, dass sich der männliche Held zwar vor dem Blut einer Frau ekelt, aber nicht vor dem Blut eines von ihm niedergeschlagenen alten Mannes, das an seinen Fingern klebt. Obwohl Steinmetz mit solchen Szenen die Gefühlszustände dieser Lebensphase prägnant einfängt und zu denken aufgibt, vermag sein Langfilmdebüt aufs Ganze gesehen nicht zu fesseln. Das hat viel damit zu tun, dass der Film die Geschichte seiner Figuren vernachlässigt. Nicht immer kann die Inszenierung die adoleszenten Befindlichkeiten in ihrer existentiellen Wucht, aber auch Tragik erfassen und zu starken, unverbrauchten Bildern verdichten. Manche Einstellungen wirken mitsamt den Dialogen gespreizt und bemüht, gerinnen zu dekorativen Formen. Wie das für den Drehbuchautor genutzte Pseudonym Alan Smithee spekulieren lässt, könnte die ästhetizistische Erstarrung, die mangelnde Konzentration und Dichte auch noch andere Ursachen haben.
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