Zu Beginn dieses unauffällig daherkommenden Films, eines Hybriden zwischen Independents und Hollywood Studios, steht der ebenso unauffällige Umzug eines jungen Ehepaars von Chicago in die von altem Geld und gutbetuchten Emporkömmlingen besiedelten Hollywood Hills. Simon ist ein Executive bei einer Computerfirma, seine Frau Robyn eine Innenarchitektin. Alles sieht nach einer normalen Wohnungssuche und nach ganz normalen Menschen aus, die sich in einer ihnen noch fremden Umgebung einrichten wollen. Doch jede Szene, so wenig aufdringlich und außergewöhnlich sie auch erscheint, beherbergt jene leichten, kaum spürbaren Irritationen, die nur wirklich guten Regisseuren gelingen: zunächst undefinierbare Warnzeichen, dass hier etwas nicht stimmt und dass man sich als Zuschauer auf etwas Unerwartetes, vermutlich nichts Gutes, einstellen soll.
Englische Filme der frühen Nachkriegsjahre waren vortrefflich in der unmerklichen Beschwörung solcher unterschwelligen Stimmungen, und der australische Regisseur Joel Edgerton scheint von ihnen gelernt zu haben. Denn bald stellt sich heraus, dass nicht nur der Anfang, sondern der Film als solcher von einer beständigen Ambivalenz der Szenen, vor allem aber auch der Charaktere lebt. Zu Simon und Robyn gesellt sich eine dritte Person, deren Anwesenheit alle bis dahin angestellten Vermutungen über den Fortgang der Handlung in Frage stellt. Dieser Gordo gibt sich als einstiger Klassenkamerad von Simon aus. Simon will sich an ihn nicht erinnern, bis die Gedächtnislücke als Lüge entlarvt wird.
Noch ahnt der Zuschauer nicht, dass Lügen und deren bösartige Konsequenzen das Leben der Hauptfiguren wie auch die ganze Story des Films bestimmen. Noch erscheint Gordo, der etwas seltsame, derangiert erscheinende Klassenkamerad, als einsame Seele, als einer, der im Leben nicht so viel Glück gehabt hat wie Simon, und der nun auf eine etwas zu verzweifelte und zu aufdringliche Weise Anschluss sucht. Simon und Robyn wollen ihn und seine vielen kleinen Geschenke wieder loswerden. Sie sind davon überzeugt, dass Gordo etwas mit dem Verschwinden ihres Hundes und dem unerklärlichen Tod ihrer Koi-Fische zu tun hat.
Spätestens hier ist der Punkt erreicht, wo man als an Horrorfilmen geschulter Zuschauer eine erste Gänsehaut verspürt und den Fortgang der Handlung mit Sicherheit vorauszuahnen glaubt. Es ereignet sich auch der eine oder andere (milde) Schockeffekt, doch „The Gift“ bewegt sich nicht in die Niederungen des Slasherfilms. Auch an einem gruseligen Stalker-Thriller ist Edgerton nur so lange interessiert, bis er das Publikum auf seiner Seite weiß. Dann beginnt er, alle Vermutungen umzukehren und die Dynamik des Films in eine andere Richtung zu lenken.
Wer in diesem Dreigestirn der Soziopath ist, wer der Manipulator und wer der Betroffene, das wird zum zentralen Rätselspiel. Was als Variante des Stalker-Films begann, mutiert im Verlauf der Handlung kaum merklich zu einer intrikaten moralischen und psychologischen Studie, die sich auch Verweise auf gewissenlose Praktiken im aktuellen Geschäftsleben nicht entgehen lässt.
Edgerton, der von Hause Schauspieler ist und selbst die Rolle des Gordo spielt, hat sich mit seinem ersten Film als Autor und Regisseur viel vorgenommen. Dass er dabei bis zum Schluss nicht von seinem anfangs eingeschlagenen Stil eines unaufgeregt-hintergründigen Drei-Personen-Stücks abweicht, ist ein kommerzielles Wagnis, das selbst arrivierte Regisseure nur noch selten auf sich nehmen. Die Konsequenz der Inszenierung und die Leistungen der Darsteller sichern „The Gift“ jedoch eine Verführungskraft, der sich auch jene Zuschauer nicht entziehen können, die durch den Namen des als Horrorfilm-Produzent bekannten Jason Blum ins Kino gelockt wurden.