Von den ersten Sekunden an wirft einen dieser Film in unsicheres Gelände. Ein Mann in der Wüste, ein Einsiedler. Moses? Oder vielleicht ein Kreuzritter? Auf dieses erste Bild folgt ein Blick aus dem Weltraum auf die Erde. Kein Mensch kann so blicken, sondern nur ein Schöpfer – ein Gott möglicherweise. Oder ein Satellit, und mit dieser künstlichen Erweiterung des Menschenauges dann eben doch der Mensch.
Das Erhabene und das Technische, die Erscheinung und die übersinnliche Welt liegen bei Terrence Malick immer wieder nahe beieinander. Wer sich davor scheut, oder es nicht vermag, die Bilder jenseits ihrer Oberflächen zu entziffern, der wird vor der Verbindung aus Heiligem und Konkretem kapitulieren.
Ein göttlicher oder gottgleicher Erzähler setzt ein. Dieser berichtet von einem Vater, der seinen Sohn in ein unbekanntes Land schickte. Dieser Sohn sei ein Fürst, ein Ritter, ein Pilger, dazu bestimmt, „auf dem Grunde des Ozeans eine Perle zu finden“. Während man diese Fabel hört, die biblische Motive mit Elementen der Kreuzzugsgeschichte mischt, sieht man einen Mann im Hier und Jetzt. Am Strand, in Luxusappartements, mit schönen Frauen. Aus dem Off erklingt bald auch seine Stimme. Später kommen noch weitere Erzähler dazu.
Der Titel „Knight of Cups“ bezeichnet eine Figur des mittelalterlichen „Marseiller Tarot“, eines Kartenspiels, mit dessen Hilfe manche das Schicksal erraten zu können glauben. Darauf ist ein Ritter mit einem goldenen Kelch zu sehen. Dieser „Ritter der Kelche“ gilt als ein Künstler, ein Abenteurer, ein Romantiker. Die Karte steht für Offenheit, für Gelegenheiten, für Möglichkeitssinn.
In den zwei Filmstunden deckt der Regisseur wie ein Weissager immer neue Schicksalskarten der Figuren auf, in acht Kapiteln, die nach den anderen Tarot-Blätter: etwa „Der Gehenkte“, „Der Turm“, „Die Hohepriesterin“, „Der Tod“. Das alles geschieht in dem für Malick so typischen, fesselnd-einmaligen Stil: fast ohne Dialoge, dafür in inneren, aus dem Off erzählten Monologen. Analog dazu agiert die virtuose Kamera von Emmanuel Lubezki: Sie vermeidet arrangierte Einstellungen, schwebt, tänzelt, driftet, kreist, blickt nicht so wie Kameras, sondern so, wie Menschen blicken. In diesem Fall wie ein Mann. Rick, die von Christian Bale verkörperte Hauptfigur, die Eingangsfigur vom Anfang in der Salzwüste, dessen Position sich der Film zu eigen macht. Ein Drehbuchautor aus Hollywood. Er ist reich und erfolgreich, einer von den oberen Zehntausend zwischen Los Angeles und Las Vegas, den beiden territorialen Angelpunkten des Films. Rick ist ganz offensichtlich jener Ritter, der auch ein Pilger ist, im fremden Land, beseelt von einer Mission und zugleich erfüllt von Melancholie, von Sinnlosigkeitserfahrungen. Ein Schlafwandler, der immer wieder neue Träume träumt, aber zugleich einer, der auf der Suche nach dem Sinn im Leben ist.
Malicks Denk- und Sehstil ist assoziativ. Seinem Kino als Bewusstseinsstrom genügen kurze Andeutungen für Handlungselemente, für die andere einen ganzen Film brauchen: ein gravierender Vaterkonflikt, der Selbstmord des Bruders, die Unerfülltheit der Hauptfigur in seiner Arbeit und seiner Ehe. Denn es geht hier vor allem um die Suche eines Menschen nach Sinn, also nach einem Gott und nach Liebe.
Malick erzählt von der Vergänglichkeit unserer Welt, von der Dekadenz der Partys der Reichen und Berühmten, von der inneren Leere der modernen Hofgesellschaften. Und von der Verdammnis, die einen im Alter ereilt, wenn die Stücke des eigenen Lebens sich zusammenfügen.
Demgegenüber steht sinnliche Gewissheit: die der grandiosen Architektur von Los Angeles, die in diesem Film ein eigener Hauptdarsteller ist. Und die der Natur: der Körper, des Wassers, des Meeres und der Tiere. Der unmittelbaren Allpräsenz des Spirituellen in der Welt. Und die der Liebe.
Malick begann seine Karriere als Philosoph. In seinem siebten Film lehnt er sich an die Dramaturgie von Hegels „Phänomenologie des Geistes“ an. Stellvertretend für uns alle durchläuft die Hauptfigur diverse Erkenntnisstufen. Diese Evolution des Wissens und des Selbstbewusstseins materialisiert sich in den Frauen, denen Rick begegnet und die er liebt: Helen (Freida Pinto), mit der er eine längere Affäre hat, seine Ex-Frau Nancy (Cate Blanchett), vor allem aber seine große Liebe Elizabeth (Natalie Portman), die verheiratet ist, von ihm schwanger wird, sich aber entschließt, das Kind nicht auszutragen.
Schönheit gibt es hier überall. Aber die Schönheit wird nie ausgestellt, nicht konsumhaft inszeniert, sondern beiläufig vorbeigleitend wahrgenommen. Die Unfähigkeit, dieser Schönheit gerecht zu werden, ist das Thema des Films. Malicks schlafwandlerische gleitende, monologisierende Filmsprache hat in der Scheinwelt der Traumfabrik, zwischen Sonnenlicht und Noir-Stimmung, Euphorie und Depression ihren passenden Gegenstand gefunden.
Das letzte, achte Kapitel trägt den Namen „Freiheit“. Der Kunst nutzt es, wenn einer frei ist.