Ein talentierter Nachwuchsfußballspieler hadert mit seiner Homosexualität und hängt seine potenzielle Karriere an den Nagel, um in seiner ungarischen Heimat ein neues Leben zu beginnen. Dort verliebt er sich in einen jungen Mann aus dem Nachbardorf und zieht sich deshalb den Hass der Dorfgemeinschaft zu. Ein engagierter, mutiger Debütfilm, der die gesellschaftliche Enge mit sorgsam komponierten Tableaus kontrastiert. Bisweilen gerät die kunstvoll-symbolträchtige Darstellung dabei allzu deutlich, und auch dramaturgisch lässt der Film gelegentlich zu wünschen übrig. (O.m.d.U.)
- Ab 16.
Sturmland
Drama | Ungarn/Deutschland 2014 | 107 Minuten
Regie: Ádám Császi
Kommentieren
Filmdaten
- Originaltitel
- VIHARSAROK
- Produktionsland
- Ungarn/Deutschland
- Produktionsjahr
- 2014
- Produktionsfirma
- Proton Cinema/I'm Film/Café Film/Unafilm
- Regie
- Ádám Császi
- Buch
- Ádám Császi · Iván Szabó
- Kamera
- Marcell Rév
- Musik
- Csaba Kalotás
- Schnitt
- Tamás Kollányi · Júlia Hack
- Darsteller
- András Sütö (Szabolcs) · Ádám Varga (Áron) · Sebastian Urzendowsky (Bernard) · Lajos Ottó Horváth (Szabolcs' Vater) · Enikö Börcsök (Árons Mutter)
- Länge
- 107 Minuten
- Kinostart
- 27.11.2014
- Fsk
- ab 16; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Diskussion
Szabi ist ein hoffnungsvoller Nachwuchsfußballer. Die Scouts der Proficlubs haben ihn auf ihrer Liste. Doch Szabi ist schwul. Sein Mitspieler und Freund Bernard ahnt das, obwohl Szabi es sich nicht einmal selbst eingesteht. Trotzdem ist „Sturmland“, das Kinodebüt des ungarischen Regisseurs Àdám Csász, kein Film über schwule Fußballer. Zu Beginn inszeniert Csász die obligatorischen Szenen kumpelhafter Kabinenerotik. Unter der Dusche geraten Bernard und Szabi aneinander, weil Bernard in Szabi verliebt ist und ihn zum Coming-Out drängt. Auch auf dem Fußballplatz sieht Szabi rot, fliegt vom Platz, attackiert den Schiedsrichter.
Das war es dann mit der Profikarriere. Szabi will weg, fährt nach Ungarn, wo er von seinen Großeltern ein Haus geerbt hat. Halb verfallen, abgeschieden auf dem Lande. Als er die Bruchbude in Augenschein nimmt, versucht ihm Áron, ein junger Mann aus dem Dorf, sein Moped zu klauen. Szabi hält ihn auf, überwältigt ihn, doch anstatt die Polizei einzuschalten, bietet er Áron einen Job an. Gemeinsam bessern sie das Dach aus. Dass sie sich dabei ineinander verlieben, ist schnell absehbar. Aber auch, dass daraus keine idyllische Romanze werden wird. Zu groß sind die Vorbehalte der Dorfbevölkerung, Szabis Vater eingeschlossen. Nacheinander bekommen Szabi und Áron den Hass der homophoben (männlichen) Dorfjugend zu spüren. Sie werden beschimpft, niedergeschlagen, missbraucht.
Der gesellschaftlichen Enge setzt Csász die Intimität des Liebespaares entgegen sowie die Weite und Schönheit der Landschaft. Je länger der Film dauert, desto mehr findet er zu einer sanften, beinah poetisch dahingleitenden Erzählweise, die einen reizvollen Kontrast zu den rohen Gewaltausbrüchen bildet und der unbehaglichen latenten Diskriminierung. Allerdings sieht man den Bildern das Bemühen um eine kunstvolle, symbolträchtige Darstellung bisweilen deutlich an. Etwa wenn Szabi, Áron und Bernard, der überraschend zu Besuch auftaucht, wie Schaufensterpuppen auf einem Schwanenboot arrangiert werden, das bedeutungsschwer der Kamera entgegen treibt. Immer wieder verdichten sich die Bilder zu sorgsam komponierten Tableaus, durch die der Erzählfluss ins Stocken gerät.
Csász greift mit seinem Debütfilm ein brisantes Thema auf. Schließlich sind in Ungarn derzeit selbst von hochrangigen Mitglieder der Orbán-Regierung schwulenfeindliche Äußerungen zu hören. Mutige Filme wie „Sturmland“ sind deshalb wichtig. Eine Garantie dafür, dass sie cineastisch gelingen, ist das leider nicht. Vor allem dramaturgisch lässt „Sturmland“ zu wünschen übrig. Jenseits ihrer Funktionsrollen als schwule Außenseiter bleiben Szabi, Áron und Bernard trotz überzeugender schauspielerischen Leistungen schemenhaft. Die Anziehungskraft zwischen ihnen beschränkt sich weitgehend auf nackte Haut und stechende Blicke. Dabei hätten ein paar individuelle Ecken und Kanten, innige oder auch humorvolle Momente der beispielhaften Botschaft keineswegs geschadet. Im Gegenteil.
Kommentar verfassen