Das blaue Meer glitzert im Sonnenlicht. Im Hintergrund ist die Silhouette einer Großstadt zu sehen. Es ist friedlich, Frachtschiffe kreuzen das Meer. Aus dem Off dringt die sonore Stimme eines älteren Herren: In der Psychotherapie, erzählt er, lasse er die Menschen manchmal eine Linie auf ein Stück Papier zeichnen, deren Enden für die Geburt und den Tod stehen und frage sie dann, wo sie selbst stehen würden: „Das kann sehr schockierend sein. Aber es hilft zu erkennen, dass unsere Zeit begrenzt ist. Und wenn wir zurückblicken auf unser bisheriges Leben, was kommen dann für Gedanken auf?“
Es geht in „Yaloms Anleitung zum Glücklichsein“ um existenzielle Fragen, um die so genannten letzten Fragen. Irvin D. Yalom ist ein weltbekannter Psychotherapeut, Schriftsteller und emeritierter Professor für Psychiatrie, ein sympathischer älterer Herr, mit einem schmalen klugen Gesicht, Bart und Glatze. Er zieht die Bilanz aus mehr als 80 Jahren Lebenszeit: Der Sohn polnisch-jüdischer Emigranten, Betreiber eines kleinen Lebensmittelladen in Washington, D.C., bekam von seinem Elternhaus nur wenig Unterstützung und fand in einem unsicheren Wohnviertel die einzige Sicherheit in den Büchern der Stadtbibliothek. Yalom blickt zurück auf die Konflikte und Spannungen mit seiner herrschsüchtigen Mutter, auf die Enttäuschung über seinen passiven Vater. Auf seine, im Gegensatz zur Mutterbeziehung, glückliche Ehe, seit 1954 ist er mit der Literaturwissenschaftlerin Marilyn Yalom verheiratet. Paradoxerweise sind alle vier Kinder aus der Ehe wiederum selbst alle geschieden, Leben entwickelt sich dynamisch aus Widersprüchen.
Das zeigt sich auch in seiner Entwicklung als Psychotherapeut: „Verliebtheit und Psychotherapie sind im Grunde unvereinbar.“ Den Psychotherapeuten bezeichnet er ironisch als „Henker der Liebe“ weil die romantische Liebe einer kritischen Analyse selten standhalte. Von der passiven Figur des Psychoanalytikers enttäuscht, sucht er früh nach einem stärkeren Engagement des Therapeuten, von der Analyse hin zur Gruppentherapie, ist selbst Teil einer breiten Bewegung in den 1960er-Jahren, die in der Psychotherapie einen gesellschaftlichen Reformansatz sieht, ein Mittel auch zur Befreiung von menschlichen und gesellschaftlichen Verkrustungen. Die Geschichte seines Lebens entwickelt sich zwischen dem kalifornischen Palo Alto über einen Familienurlaub in Südfrankreich hin zu Tauch- und Schreibferien auf Hawaii.
„Yaloms Anleitung zum Glücklichsein“ ist mehr als ein konventionelles Biopic. Das liegt zum einen an der starken Persönlichkeit des Protagonisten selbst, zum anderen an der Vielschichtigkeit, in der sich Privates und Psychologisches verbindet, und auch an einer fast meditativen Ruhe, die der Film ausstrahlt. Die angenehmen, fast zeitlosen Landschafts- und Naturaufnahmen wirken wie Metaphern seelischer Ausgeglichenheit, geschickt arbeitet Regisseurin Sabine Gisiger aber auch mit Bildern aus dem Familienarchiv – Schmalfilmaufnahmen und alte Fotos –, Wochenschaubildern und Aufnahmen aus Gruppentherapiesitzungen. Die Musik ist fast immer präsent, wird aber nie aufdringlich.
„Yaloms Anleitung zum Glücklichsein“ zeigt einen optimistischen Lebensabend seines Protagonisten. Der fordert einen ebenso realistischen wie angstfreien Blick auf das Leben und formuliert dementsprechend auch seinen psychotherapeutischen Ansatz: „Wenn es einen Weg zum Besseren geben soll, erfordert das einen offenen Blick auf das Schlimmste.“ „Yaloms Anleitung zum Glücklichsein“ ist ein tröstlicher Film, der Neugierde weckt und fast mit Altern und Sterben versöhnt. Eine Gebrauchsanweisung für ein besseres Leben, wie es der Titel suggeriert, ist er glücklicherweise nicht.