Das Motto „Liebe geht durch alle Zeiten“ umspannt Kerstin Giers Jugendbuch-Trilogie der Edelsteine, von der nach „Rubinrot“
(fd 41 590) nun der mittlere Teil ins Kino kommt. „Saphirblau“ nacherzählen zu wollen, wäre ebenso kompliziert wie „frevelhaft“, weil das Gestrüpp aus Schauplätzen und Epochen selbst von den (überwiegend weiblichen) jungen Fans der Bücher wohl nicht immer ganz zu durchschauen ist. Wichtig ist indes, dass auch im zweiten Film die Chemie zwischen Gwendolyn Shepherd, der 16-jährigen Londoner Schülerin mit dem rätselhaften „Zeitreise-Gen“, und ihrem mitreisenden „Love Interest“ Gideon stimmt. Nach anfänglichen Reibereien sind die beiden nun ein verliebtes Paar, das aber immer wieder an seiner gegenseitigen Zuneigung und Verlässlichkeit zweifelt, sogar zweifeln muss, weil mysteriöse Kräfte forciert versuchen, sie zu entzweien.
Um die Themen Vertrauen und Vertrauensbruch herum rankt sich die turbulente Fantasy-Ebene des Films, auf der dem Paar, aber auch dem Zuschauer durch die vielen Zeit- und Ortswechsel der Boden unter den Füßen entzogen wird. Zu Beginn ist man in einer Taverne im London des Jahres 1609, wo Shakespeare persönlich auftritt, während der sinistere Bösewicht Graf von St. Germain, Gründer und Herrscher der Geheimloge der Wächter, einen seiner Vorfahren ermordet. „Meine neue Weltordnung ist weit bedeutender als euer Leben“, raunt er, und genau diese „Weltordnung“ ist es, der auch Gideon folgt. Ob er nun den Logenwächtern treu ergeben ist oder doch seinem eigenen Kopf folgt, weiß auch Gwendolyn nicht. Im gegenwärtigen London, im Hyde Park des Jahres 1912, wo sie mit einer folgenschweren Erkenntnis dem Rebellen-Paar Paul und Lucy wiederbegegnet, das der Loge eine Zeitreisevorrichtung gestohlen hat, oder im Jahr 1953, als sie ihren noch jungen Großvater trifft – überall ringt Gwendolyn um Erkenntnis, aber auch um die Selbstbestimmung als junge Frau, die in keiner Epoche wirklich ernst genommen wird. Mag sein, dass die Schauspielerin Maria Ehrich inzwischen fast schon ein wenig zu erwachsen für diese Rolle ist; doch wie sie in einer Mischung aus renitentem Mädchen, verliebtem „Backfisch“ und kämpferischer Heldin die Handlung beherzt vorantreibt und mitunter (selbst-)ironisch kommentiert, das beeindruckt und schafft das emotionale Zentrum des Films. Vor allem bringt sie überzeugend eine neue Ebene ein, geht es doch längst nicht mehr nur um schwärmerische Liebe, sondern tatsächlich um Sex und körperliche Begehrlichkeit, wofür der Film eine unverkrampfte Sprache findet.
Ansonsten verblüfft, wie geschickt die Inszenierung zu verbergen versteht, dass sie mit weit höher budgetierten Hollywood-Fantasy-Filmen eigentlich nicht mithalten kann. Einige griffige Trick-Effekte sowie die neu eingeführte, hübsch computeranimierte Figur des kleinen Wasserspeiers Xemerius reichen aus, um die zahlreichen Dialog-Passagen in Innenräumen kurzweilig miteinander zu verbinden; auch die routinierte Musik schafft viel Atmosphäre, indem sie die Spannung steigert, romantische Szenen stilvoll verdichtet und sogar für Witz sorgt, etwa wenn ein barockes, reich mit Kostümen ausgestattetes Fest zur modernen Rock-Fantasie (mit „Time Warp“ aus der „Rocky Horror Picture Show“, fd 20 807) ausufert. Dass die Story dabei stets geerdet bleibt, weil es bei aller Fabulierfreude auch um Gerechtigkeit, Aufklärung und Zivilcourage geht, macht „Saphirblau“ zu einem sympathischen Genre-Abenteuer für Jugendliche.