Eine junge Frau, jüngste Tochter einer durch und durch weltlichen Familie, schließt sich einem Orden an. Am Tag ihrer Einkleidung treffen sich alle Verwandten beim Kloster. Als sich die Zeremonie verschiebt, brechen auf einer Obstwiese lang aufgestaute Konflikte los: Unausgesprochenes drängt ans sommerliche Tageslicht, Lebensentwürfe und Haltungen werden hinterfragt. Die familiären Zwistigkeiten verlieren ihre Wucht, als sich Profanes und Sakrales ineinanderschieben. Warmherzige „menschliche Komödie“ über das Loslassen, unterhaltsam, charmant und nachdenklich erzählt. Dabei werden die Ereignisse visuell wie akustisch von der subtilen Kunst poetisch-stiller Chiffren getragen. (Kinotipp der katholischen Filmkritik)
- Sehenswert ab 14.
Schwestern (2012)
Familienfilm | Deutschland 2012 | 85 Minuten
Regie: Anne Wild
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2012
- Produktionsfirma
- Dreamtool Ent./Beta Film/SWR/ARTE
- Regie
- Anne Wild
- Buch
- Anne Wild
- Kamera
- Ali Gözkaya
- Musik
- Balz Bachmann
- Schnitt
- Dagmar Lichius
- Darsteller
- Maria Schrader (Saskia Kerkhoff) · Ursula Werner (Usch Kerkhoff) · Jesper Christensen (Onkel Rolle) · Felix Knopp (Dirk Kerkhoff) · Anna Blomeier (Doreen Kerkhoff)
- Länge
- 85 Minuten
- Kinostart
- 12.12.2013
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Familienfilm | Komödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Diskussion
Immer wieder drängt sich die Erinnerung an Anne Wilds Märchenfilm „Hänsel und Gretel“ (fd 37 634) auf: an diese intensive mythische Fabel über (Lebens-)Mut, kindliches Durchsetzungsvermögen und vor allem – Geschwisterliebe. Denn um all das geht es auch in „Schwestern“, mag auch der finstere Herbstwald einer helllichten Obstbaumwiese gewichen sein, und mögen nun weit mehr Erwachsene mit ihrer Selbstbezogenheit, ihren Sorgen und ihrer Unzufriedenheit, ihrem Lebensfrust und ihren Enttäuschungen den heißen Sommernachmittag in der schwäbischen Natur aufladen. Niemand von ihnen vermag mehr ganz einfach das zu sagen, was das Mädchen Marie einmal so naiv wie selbstbewusst trällert, während es im Bienenkostüm um die Erwachsenen herumtollt: „Es ist gut, dass es mich gibt!“ Und niemand will so ganz wahrhaben, dass dann doch mit jedem von ihnen etwas geschieht; etwas, das in Worten banal oder gar lächerlich klingen mag, das aber dank der intensiven visuellen und akustischen Erzählweise des Films auf etwas Geheimnisvolles, Unerklärbares verweist; auf etwas Beruhigendes, vielleicht Reinigendes, das sich aus den „Launen“ der Natur, ihrer Stille wie ihren Geräuschen erklären mag, aus dem Klang eines Wassertropfens, dem Wispern eines lauen Windzugs, dem Summen der Insekten. Hinter dem aber vielleicht noch etwas mehr stecken könnte. Denn „Schwestern“ handelt nicht zuletzt auch vom Glauben – zumindest als ernsthafte Option für das, von dem wir uns leiten lassen (können).
Vordergründig gestaltet sich der Film als intelligente, höchst unterhaltsame Ensemble-Geschichte mit vorzüglichen Darstellern und pointierten, mitunter scharfzüngigen Dialogen. Eltern, Mutter und Oma, Onkel, Sohn, Tochter und Enkelkinder treffen zusammen, um einer ungewöhnlichen „Hochzeitsfeier“ beizuwohnen: Kati, die jüngere Tochter, hat sich entschlossen, Nonne zu werden. In einem Kloster im Oberschwaben soll sie ihre Ordenskleider empfangen, und ihre Familie soll im Rahmen eines feierlichen Akts Abschied nehmen von der Kati, die sie kennen. Was auch bedeutet, dass sie endgültig mit Katis Entscheidung klarkommen müssen. „Altes ist vergangen, Neues ist geworden“, heißt es in der Predigt, doch für die durch und durch weltliche Familie ist das längst nicht so einfach. Der Schock sitzt tief, Verdrängtes und Unausgesprochenes tritt hervor und zwingt dazu, die Lebensentwürfe und Werte zu hinterfragen. Mutter Usch, resolute Wirtschaftsjournalistin, lehnt jede Verantwortung ab, schimpft auf die katholische Kirche und beklagt die Angst, die sie verbreiten würde; Saskia, ihre ältere Tochter, klagt und hadert mit ihrem ziellosen Dasein, dem nur die jüngere Schwester Halt geben könne; Bruder Dirk und seine Frau Doreen werden von ihrer eigenen kleinen Familie und ihren existenziellen Nöten aufgesogen, während sich der reiche Onkel Rolle, der mit seiner jungen, intelligenten Geliebten anreist, abgeklärt gibt – auf Dauer ebenso wenig erfolgreich wie die anderen. Auf der Obstwiese landen sie, weil sich die Zeremonie im Kloster verzögert; nur Saskia dringt schließlich zu Kati vor. Anne Wild bereitet diese zentrale Begegnung der Schwestern mit stillen, kontemplativen Szenen aus dem Klosterinneren vor, die sich beharrlich in die familiären Zwistigkeiten schieben und sie (ein-)dringlich auf eine weitere gedankliche Ebene heben, quasi als subtiles Spannungsfeld zwischen dem Profanen und dem Sakralen. Wenn schließlich die „alte“ Schwester von einer „neuen“ abgelöst wird, dann ist dies ein stiller, höchst suggestiver Vorgang, der sich nahezu „natürlich“ aus der visuellen und klanglichen Gestaltung heraus ergibt. Wobei das eigentliche Wunder des Films darin besteht, dass er nie ins Weihevolle abdriftet, sondern vorrangig eine warmherzige, liebenswürdige „menschliche Komödie“ bleibt – getragen von seiner faszinierenden Sprache voller poetischer Chiffren: fürs Loslassen und Ablösen, für das reale wie symbolische Öffnen von Türen, das Mysterium des Glaubens wie auch die Patt-Situation, in der am Ende alle staunend verharren. Dann heißt es: „Ich weiß nicht.“ – „Ich weiß auch nicht.“ Was vielleicht gar nicht mehr stimmt.
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