Norwegen 1978, es ist Weihnachten. Nikolaj ist ein stiller Junge mit sanftem Gesicht von etwa zwölf Jahren, der in einer liebenden Familie aufgezogen wird. Während der Vater, ein Hippie, Freigeist und Architekt, immer wieder mit seinen verrückten Ideen überrascht und beispielsweise den Weihnachtsbaum mit Bananen dekoriert, hält die Mutter die Familie zusammen. Der Junge beginnt, sich für die „Sex Pistols“ zu interessieren, jene britische Punkband, der nachgesagt wird, sie hätte das Genre begründet. Ein älterer Freund macht ihn mit deren Songs vertraut, deren Energie unmittelbar auf den Jungen überspringt. Abends rennt er mit einem weiteren Freund auf dem Nachhauseweg über einen Friedhof, während sie „No future for you“ nachsingen. Dann wird die Familie jäh auseinander gerissen, als die Mutter nach einem Autounfall ihren Verletzungen erliegt. Nikolajs Vater verliert jeden Lebenswillen, steht kaum noch aus dem Bett auf und überlässt den Jungen sich selbst, für den die Phrase „No Future“ plötzlich eine deutliche Gestalt annimmt.
Nach seinem eigenen Roman „Teori og praksis“ erzählt der Autor Nikolaj Frobenius eine ungewöhnliche Vater-Sohn-Beziehung, die aus dem Unglücksfall heraus wächst. Nikolaj „lebt“ die Punk-Bewegung, färbt sich die Haare grün, presst sich Sicherheitsnadeln durch sein junges Gesicht und genießt die Freiheit, die die Anarchie seiner Auffassung nach mit sich bringt: Er randaliert ein wenig, benimmt sich unflätig und bespuckt gleichermaßen Lebensmittel wie Passanten, um in der darauffolgenden Jagd auf ihn den Nervenkitzel zu finden, den er gesucht hat. Wäre da nicht der Vater: Sven Nordin mit rotem Rauschebart, dicker Hornbrille und Pfeife spielt die ambivalente Vaterfigur mit großer Hingabe, einen Vater, gegen den sich nicht rebellieren lässt, weil er die Rebellion gegen die Alten selbst gelebt hat und Nikolaj nach bestem Wissen darin unterstützt. Wenn die Töchter der Verwandten am Weihnachtsabend mit Protestschildern im Wohnzimmer den Niedergang des Patriarchats fordern, stimmt er fröhlich klatschend mit ein, bis die Mädchen irritiert aufhören. Damit nicht genug: Als sich Nikolaj einer Punk-Band anschließt, wandelt sich der Vater selbst zum Punk, beschäftigt sich mit der Musik und entdeckt den Reiz der Rebellion für sich neu. Ebenso wie sein Sohn sucht er nach Möglichkeiten, die Tragödie zu kompensieren.
Es ist eine reizvolle Geschichte, die Regisseur Jens Lien („Anderland“, fd 38 339) hier inszeniert; mit liebevollem Blick auf die Details lässt er eine Epoche auferstehen, in der die Hippies von einst die Eltern der nächsten Generation waren. Die Verlorenheit von Vater und Sohn, die im Grunde nur noch sich haben, wird von einer sensiblen Inszenierung gefördert, die die Psyche der Figuren widerspiegelt. Als Nikolaj mit der Droge Speed in Berührung kommt („Es macht uns Punks schlank und wach“), droht er den Sinn für Realität zu verlieren. Einmal isst er gemeinsam mit seinem Vater und imaginiert den zerschlagenen Kopf der Mutter auf den Tellern. Es braucht einen zweiten Unfall, um die Figuren des Coming-of-Age-Films aus dem Stupor dieser seltsam betäubenden Zwischenphase der Trauer herausfinden zu lassen. Bis es zum Schluss für beide wieder eine Zukunft gibt.