„Herr, bitte wähle nicht mich!“, murmeln in Nanni Morettis Konklave die versammelten Kardinäle inbrünstig vor sich hin, während die Entscheidung über den neuen Papst fällt. Alles andere als Machtmenschen sind die Kirchenvertreter, vielmehr reizende ältere Herren, die ihren Feierabend am liebsten beim Puzzeln oder auf dem Hometrainer verbringen und daran eben auch gar nichts ändern möchten. Auch der französische Kardinal Melville stimmt ein ins vielstimmige Gebet ums Verschont-werden vom Papstamt – und doch fällt das Los auf ihn. Weißer Rauch steigt auf, die Menge auf dem Petersplatz ist begeistert. Der neue Papst aber erleidet kurz vor der obligatorischen Antrittsrede einen Nervenzusammenbruch, vor der Last des Amtes und der Verantwortung flieht er in die Gemächer des Vatikans, ohne sich dem jubelnden Kirchenvolk gezeigt zu haben. Vom gewieften Pressesprecher des Vatikans (grandios als zunehmend verzweifelnder Medienprofi: Jerzy Stuhr) wird der Nicht-Auftritt flugs in einen „Akt der Demut“ umgedeutet.
Der Papst jedoch lässt sich auch nach Stunden und Tagen nicht dazu bewegen, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren, zu sehr zweifelt Melville an seiner Fähigkeit, die große Aufgabe übernehmen zu können (nicht aber an seinem Glauben!). Schließlich wird sogar ein Psychoanalytiker zu Rate gezogen, und Regisseur Nanni Moretti übernimmt selbst diesen Part und nutzt ihn, um der freudschen Theorie einige Seitenhiebe zu verpassen. Schon die erste Sitzung ist eine Farce, Therapeut und Patient werden von einer Phalanx aus Kardinälen und Vatikan-Vertretern flankiert; auch um zu kontrollieren, ob der Psychoanalytiker dem Papst womöglich ungebührliche Fragen stellt, worunter eigentlich alles fällt – Träume, Kindheit, Verhältnis zur Mutter. Weil man so nicht weiterkommt, wird die Ex-Frau des Psychoanalytikers zu Rate gezogen. Nach der Sitzung in ihrer Praxis jedoch büxt das Oberhaupt der katholischen Kirche aus, lässt sich auf der Suche nach seinen inneren Dämonen durch die Stadt treiben und schließt sich einer Theatertruppe an. Hier gelingen Moretti im Verbund mit dem sehr anrührend spielenden Michel Piccoli die schönsten Szenen: Wenn der Papst in einem voll besetzten Bus durchs abendliche Rom fährt, ins Selbstgespräch vertieft, seine Antrittsrede übend – die anderen Passagiere halten ihn wohl für einen wunderlichen Greis, und doch ist es eine Szene, die unendlich viel Frieden ausstrahlt. Auch wenn der Papst zu nächtlicher Stunde mitten unter den Bäckergehilfen in einer Backstube verweilt, unerkannt, als einfacher Mann, dann scheint er ganz bei sich zu sein.
Es gibt diese wunderbaren Momente von ebenso beiläufiger wie tiefer Menschlichkeit. Nanni Moretti zeigt einmal mehr, dass er diese genauso beherrscht wie die große Komik – auch wenn er etwas die Balance verliert und den Film zugunsten des letzteren kippen lässt: Während der Papst in der Stadt unterwegs ist, organisieren die Kardinäle (die ihr grübelndes Oberhaupt in seinen Gemächern wähnen) unter Anleitung des Psychoanalytikers ein Volleyball-Turnier im Vatikan. Das ist äußerst komisch, und Moretti weiß die Absurdität Ball spielender Kirchenhierarchen in Szene zu setzen, ohne seine Protagonisten vorzuführen. Freilich nimmt er sich dafür viel Zeit, Zeit, die ihm beim Erzählen des inneren Verhängnisses des verhinderten Papstes fehlt. Und er bereitet sich hier selbst allzu bereitwillig die Bühne, setzt seine Figur des Psychoanalytikers etwas penetrant in Szene. Das erledigt sich auch nicht damit, dass Moretti die eigene Eitelkeit ironisch – und sehr witzig – zum Thema macht: Sein Psychoanalytiker ist völlig erschöpft davon, dass ihm „alle immer sagen, dass ich der Beste bin“. Somit ist „Habemus Papam“ ein schöner, wenn auch kein herausragender Moretti-Film, warmherzig in seinem Humor und seiner persönlichen Tragödie, was letztere betrifft aber doch ein wenig unkonzentriert. Und es ist ein Film, der Michel Piccoli noch einmal in all seinem Können erstrahlen lässt, ihn in einer Altersrolle zeigt, wie man sie jedem betagten Meister des Schauspiels wünschen würde. Was der Film dagegen überhaupt nicht ist, ist das kirchenkritische oder gar verleumderische Werk, das manches (Kirchen-)Medium darin noch vor der Premiere witterte und was sich bis zu hysterischen Boykott-Aufrufen steigerte. Es schien ja auch so gut zu passen, dass sich der als kritischer Linker bekannte Moretti nach „Der Italiener“
(fd 38 221), in dem er sich an Berlusconi abgearbeitet hatte, mit dem Vatikan nun die nächste italienische Machtinstanz vorknöpfen würde. Doch kritisch oder unkritisch, derlei Kategorien laufen bei „Habemus Papam“ ins Leere, denn um Politik geht es Moretti diesmal nicht. Der Vatikan und seine Bewohner fungieren bei ihm lediglich als etwas skurrile, aber recht sympathische Folie, vor der sich die entsprechende Fallhöhe für eine zuvorderst menschliche Tragödie entfaltet.