„There’s no such thing as a free lunch“, hat der amerikanische Ökonom Milton Friedmann eines seiner Bücher genannt. Darin beschreibt er das klassische „moral hazard“-Problem, dass Menschen nämlich dazu neigen, sich persönliche Vorteile auf Kosten der Allgemeinheit zu verschaffen, so lange diese Kosten nicht in Preisen abgebildet werden. In Wahrheit hat eben alles seinen Preis, auch das vermeintliche „easy money“, das im Drogenhandel zu verdienen ist. Die Protagonisten in dem gleichnamigen schwedischen Thriller riskieren im Zweifelsfalle, ihn mit dem eigenen Leben zu bezahlen.
Einer von ihnen, Johan, stammt aus einfachen Verhältnissen, will aber hoch hinaus. Seinem Selbstverständnis nach ist er Teil der Oberschicht, der seine Freunde qua Geburt angehören. Sein Kontostand hingegen besagt etwas anderes, denn der Student der Wirtschaftswissenschaften bestreitet seinen Lebensunterhalt durch nächtliche Taxifahrten. Als er sich in eine Tochter reicher Eltern verliebt, wird ihm klar, dass er die Lücke zwischen Schein und Sein schließen muss. Das lukrative Angebot seines Chefs Mahmoud kommt ihm deshalb sehr gelegen, um jeden Preis einen gewissen Jorge aufzulesen und in die Taxi-Zentrale zu bringen. Der ist nämlich gerade aus dem Gefängnis ausgebrochen, um mit Hilfe von Mahmoud und seines Vetters den schwedischen Kokain-Markt aufzurollen. Genau das aber soll Mrado im Auftrag eines serbischen Kartells verhindern. Doch zugleich überträgt ihm das Jugendamt das Sorgerecht für seine Tochter, da deren drogenabhängige Mutter dazu nicht mehr in der Lage ist, sich um die Achtjährige zu kümmern. Und da sich auch im organisierten Verbrechen Kind und Karriere nur schwer vereinbaren lassen, plant Mrado, aus dem großen Deal, an dem Jorge und Johan arbeiten, das Startkapital für eine neue Zukunft zu schlagen.
„Easy Money“ ist einmal mehr eine Geschichte über den einen großen Coup, der alles in Ordnung bringen, den Ausstieg aus einer Welt voller Misstrauen und Gewalt ermöglichen soll. In dieser Hinsicht ist der Film pures Genre-Kino, das trotz des vertrauten Handlungsschemas funktioniert, weil er sich formal auf der Höhe der Zeit bewegt. Wackelige Handkamera-Bilder, die elliptische Montage und der zudringliche Soundtrack vermitteln nervöse Energie, ohne den Fluss der Geschichte zu stören. Regisseur Daniel Espinosa mag zwar nicht die gleiche Meisterschaft an den Tag legen, die Tony Scott im Einsatz ähnlicher Mittel in „Mann unter Feuer“
(fd 36 704) bewies, findet aber eine feine Balance zwischen atmosphärischer und dramatischer Dichte.
So wird man in eine Geschichte hineingezogen, in deren Zentrum Männer stehen, denen Geld an sich wenig bedeutet, die aber kein anderes Mittel sehen, den Frauen in ihrem Leben gerecht zu werden: Johan will den Klassenunterschied zu seinem Golden Girl überwinden, Jorge für seine Schwester und ihr neugeborenes Kind sorgen und Mrado seiner Tochter ein Leben jenseits von Drogen und Kriminalität ermöglichen. Dabei übersehen sie, dass nicht Geld, sondern allein ihre Gegenwart gefragt wäre, um die Tiefe ihrer Gefühle unter Beweis zu stellen. Doch sie können und wollen in ihrer atemlosen Hast nach dem großen Deal nicht innehalten, schon allein aus Furcht vor der Konfrontation mit sich selbst. Speziell die beiden habituellen Verbrecher Jorge und Mrado jagen einer Idee vom besseren Ich hinterher, wären so gerne anders als ihre Väter, die ihnen schon in jungen Jahren Gewalt antaten. Dennoch fallen sie immer wieder in deren Verhaltensmuster zurück. Umso reizvoller die Aussicht, mit einem Koffer voller Banknoten die eigene Erlösung zu erkaufen.
Im Grunde verfolgt Johan genau das gleiche Ziel. Er handelt wie der Titelheld aus F. Scott Fitzgeralds Roman „The Great Gatsby“, ebenfalls ein Junge aus armen Verhältnissen, der zum Verbrecher wird und ein Vermögen anhäuft, allein um sich als des Mädchens aus reichem Hause würdig zu erweisen. Wie dieser lebt auch Johan ausschließlich für den Glanz der Oberfläche: sein Zimmer im Studentenwohnheim zieren keine Fotos von Freunden und Familie, sondern allein Motive aus Modekatalogen. Er ist ein Mann, der sein Leben nach Bildern fremden Glücks modelliert und wie Jorge und Mrado bedingungslos daran glaubt, sich die ersehnte Identität erkaufen zu können.
Um der Motivation seiner Figuren auf den Grund zu gehen, stellt Regisseur Daniel Espinosa bisweilen sogar den Plot in den Hintergrund – zurecht, denn insbesondere die komplexe Psychologie der Akteure macht den Film aus, zumal sie dem Thriller nie im Wege steht. Im Gegenteil: Gerade weil die Charaktere weit mehr sind als von Gier getriebene Gangster, funktioniert „Easy Money“ als moderner Film noir ebenso gut wie als Reflexion über den Preis des Geldes.