Der Pariser Restaurantbesitzer Max plant, den August wie gewohnt mit Familie und Freunden in seinem Strandhaus an der Atlantikküste zu verbringen. Doch nach einer fröhlichen Party-Nacht und einer Anfangssequenz, die in ihrer fiebrigen Intensität ihresgleichen sucht, finden sich die Protagonisten geschockt im Krankenhaus wieder: Ein Gast ist auf dem Nachhauseweg verunglückt und liegt nun schwer verletzt auf der Intensivstation. Wirklich helfen scheint man Ludo, so sein Name, allerdings nicht zu können. Deshalb beschließt man, trotzdem in den Urlaub zu fahren. Im Konvoi geht es quer durch Frankreich. Nach einigen Stunden kommt der Tross in Cap Ferret an, wo man sich ums beste Bett und schönste Zimmer streitet – danach ist alles wie gehabt, oder eben doch nicht. Denn obwohl man sich heiter gibt und fröhlich herumalbert, Strandausflüge macht, Segeln geht, mit den Wasserskiern durch die Gischt pflügt, tagsüber beim Austernzüchter sitzt und abends gemütlich zusammen diniert, liegt ein Schatten über der Gruppe. Man ist nachdenklicher als sonst, auch empfindsamer. Geht in sich. Weicht einander aus, sucht sich. Versucht zu vergessen, erinnert sich. Möchte schweigen, redet trotzdem. Über den Abwesenden. Über Ängste, Versäumnisse, kleine Lügen. Über Dinge, die man in Zukunft anders machen will. Während sich der notorische Frauenheld Éric vornimmt, fortan treu zu sein, beteuert Antoine seiner langjährigen Lebenspartnerin nochmals seine Liebe. Ludos Ex-Freundin, die schöne, bisexuelle Marie – hinreißend wie immer: Marion Cotillard –, beschließt, sich in Liebesdingen künftig seriöser zu verhalten. Chiropraktiker Vincent aber fasst sich ein Herz und erklärt Max seine (platonische!) Liebe. Dieses Geständnis verunsichert Max zutiefst, schließlich kennt man sich seit Jahren, ist glücklich verheiratet und hat Kinder. Es raubt ihm den Schlaf, zusammen mit den Mardern, die Nacht für Nacht im Dachstock ihr Unwesen treiben, und bringt ihn derart aus dem Konzept, dass er, der ewig charmante Unterhalter und zuverlässige Kerl, lauter komische Dinge unternimmt. Als man eines Abends zusammensitzt und alte Urlaubsfilme anschaut, in denen auch Ludo auftaucht, eskaliert die Situation.
Guillaume Canet, Jahrgang 1973 und bisher vor allem als Schauspieler bekannt, etabliert sich mit seinem dritten Spielfilm definitiv als Regisseur. Er stellt mit „Kleine wahre Lügen“ einen fesselnden französischen Ensemble-Film in der Tradition von „Das Leben ist ein Chanson“
(fd 33 072) und „Wer mich liebt, nimmt den Zug“
(fd 33 281) vor. Präzise beobachtend schildert er, wie ein unverhofftes Ereignis eine Gruppe von Freunden durcheinander bringt. Wie die plötzliche Möglichkeit des Todes Menschen lähmt und verunsichert, wie sie sie ihr Verhalten und ihr Verhältnis zueinander hinterfragen lässt, sie erst auseinander treibt und im besten Fall wieder zusammenfinden lässt. „Kleine wahre Lügen“ ist brillant gespielt und ausnehmend schön fotografiert: Neben Marion Cotillard hat Canet mit François Cluzet, Jean Dujardin und Benoît Magimel einige der stärksten Schauspieler Frankreichs zusammen gebracht; die Kamera vertraute er, wie schon in „Kein Sterbenswort“ (2006) und „Bad, Bad Things“ (2002), Christophe Offenstein an. Bald zum Lachen lustig, bald zum Weinen berührend, ist „Kleine wahre Lügen“ eine feinfühlige und kluge Etüde über Freundschaft, das Leben, die Liebe und den Tod.