Gegen Ende, wenn fast alles vorüber ist, steht der langmähnige, grimmige, mit den Jahren immer wirrer und skurriler gewordene Hausmeister Argus Filch ratlos inmitten der Trümmer von Hogwarts. Gedankenverloren hebt er einen Stein hoch, bevor er mit anrührend hilfloser Geste aufzuräumen beginnt – er fegt den Schutt der Zaubereischule zusammen, als könne man nach all dem Verderben, das der schwarze Magier Voldemort über den Ort und seine Bewohner gebracht hat, schnellstmöglich zur Tagesordnung übergehen. Es sind solche kleinen visuellen Einfälle am Rande, mit denen der abschließende Film der „Harry Potter“-Saga gegenüber der (über-)mächtigen literarischen Vorlage eigene Akzente zu setzen weiß und beim (eingeweihten) Zuschauer behutsam Assoziationsketten auszulösen vermag: Erinnerungen an glücklichere Zeiten, etwa an die erste nächtliche Begegnung mit Hogwarts vor vielen Jahren, an jene mächtige Festung, in deren Innerem sich ein wahrer Kosmos an skurrilen Orten, Gängen, Labyrinthen und geheimen Kammern entfaltet, oder an den magischen Glanz des großen Schulsaals, der von schwebenden Kerzen beleuchtet wurde, während die Zauberschüler während der üppigsten Mahlzeiten von Wärme, Geborgenheit und unbekümmerter Lebensfreude regelrecht „umsorgt“ wurden; jener opulente Saal, in dem auch das Trimagische Turnier seinen Anfang nahm und Albus Dumbledore mit Güte und Verständnis „regierte“, bevor er von den hasserfüllten, zu Totalitarismus, Ausgrenzung und physischer Gewalt greifenden Handlangern des „dunklen Lords“ quasi in den Untergrund verdrängt wurde. All dies und noch viel mehr mag unausgesprochen mitschwingen, wenn es nun zum großen Finale kommt und lieb gewonnene Personen sterben, wenn Liebe und Toleranz, die schönen Künste, die Fantasie, Sinnes- und Fabulierfreude endgültig auf der Strecke zu bleiben drohen, während Voldemort mit dem (scheinbar) toten Harry Potter in Hogwarts einmarschiert und mit einer einzige Bewegung seines Arms alles beiseite schiebt – selbst den toten Körper eines mächtigen Riesen, der schnöde in den Abgrund vor dem Schloss geschoben wird.
Es ist das erwartet düstere Ende der Saga, und der Film folgt der Buchvorlage in weiten Teilen sehr genau, wohl wissend, dass man sich keinen Fauxpas leisten darf, um mit unbefriedigend entwickelten Erklärungen und Auflösungen ein nunmehr elf Jahre umfassendes filmisches Gesamtkonstrukt nicht doch noch zu beschädigen. Der letzte Satz im letzten Roman von Joanne K. Rowling lautet: „Alles war gut“, und dahin muss auch das Filmprojekt kommen und bis zum Epilog visuell glaubwürdig vermitteln, dass es zugleich auch um Leben und Tod geht und der gereifte Harry am Ende nur deshalb triumphiert, weil er seinen eigenen Tod akzeptiert. Auf der Suche nach den verbliebenen Horkruxen, die es zu vernichten gilt, um Voldermort entscheidend zu schwächen, setzt die Handlung genau dort ein, wo „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1“
(fd 40 193) endete: am Grab des Hauselfen Dobby nahe bei Shell Cottage. Von dort geht es nun in die Katakomben der Zaubererbank Gringotts, um mit Hilfe des zwielichtigen Kobolds Griphook in Bellatrix Lestranges Verlies an den Trinkpokal von Hufflepuff zu gelangen, bevor es nach Hogsmeade geht, wo sich in der Gestalt des „Eberkopf“-Wirtes Albus Dumbledores Bruder Aberforth dem Trio Harry, Ron und Hermine offenbart. Dieser ebnet ihnen den Weg zurück nach Hogwarts, das zunehmend in Belagerungszustand gerät, während Harry immer weniger Zeit bleibt, ein seit Jahrhunderten verschollenes Diadem als weiteren Horkrux zu finden. Derweil will sich Voldemort mit allen magischen Mitteln sowie seiner gigantischen Sturmtruppen so übermächtig machen, dass Harry ihm nichts mehr anhaben kann, wobei sich die Jagd nach den Horkruxen mit jener nach den drei Heiligtümern des Todes verbindet. Während der dunkle Lord nur seine eigene Macht vor Augen hat, erkennt Harry genau dies als den Schwachpunkt seines Widersachers – und damit die Chance, ihn gegen alle Wahrscheinlichkeit doch noch zu besiegen.
Alle diese vom Roman her vertrauten Handlungsstationen bieten genügend visuell spektakuläre Anknüpfungspunkte, sodass man kaum klagen muss, dass der Film zu keiner größeren narrativen Eigenständigkeit findet. Die Flucht aus Gringotts auf dem befreiten Drachen, die Belagerung Hogwarts (die sich freilich recht aufdringlich der „Bildgrammatik“ der „Herr der Ringe“-Schlachten bedient), die Verteidigung der Schule durch magische Zauber, die gallertartige Schirme wie von riesigen Quallen über die Zinnen stülpen, die prächtige Detailfreude im Raum der Wünsche – das sind visuelle Höhepunkte, die staunen lassen. Dabei gelingt es dem Film auch, dem überbordenden Finale eine nachvollziehbare Struktur sowie einen filmischen Rhythmus mit notwendigen Ruhemomenten zu geben, wobei auch die „inneren“ Handlungsteile mit den vielen Erklärungen und tragischen Erkenntnissen (Snapes Tod, Harry Begegnung mit Dumbledore im imaginierten Bahnhof King’s Cross) ihren angemessenen Stellenwert bekommen. Zwar geht immer noch manches der literarischen Feinheiten verloren, etwa wenn viele der schön konturierten Nebenfiguren allenfalls noch ein einziges Schlussbild bekommen, kaum die Zeit zur Trauer um die vielen Toten bleibt oder Dumbledores tiefer Zweifel angesichts der eigenen Selbstsucht als essenzielle Dimension ausgespart wird. Auch Harrys Entscheidung über den Umgang mit den drei Heiligtümer wird eher trivialisiert als vertieft, während der Film aus Voldemorts Tod – der sich im Roman ja eher „mit banaler Endgültigkeit“ ereignet – ein spektakuläres 3D-Feuerwerk generiert. Dies ist zudem der einzige überzeugende plastische Effekt im Film, der 3D nie nötig gehabt hätte, führt doch der Zwang zur neuen Technik eher zu den trivialeren Anfängen des Filmzyklus’ zurück, als Regisseur Chris Columbus die jungen Helden ebenso spektakulär wie geheimnislos auf eine Achterbahnfahrt schickte. Davon abgesehen, ist „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ aber ein rundum (glaub-)würdiger Abschluss, der seine Qualitäten vielleicht erst in der Gesamtschau beider Teile als 270-minütigem „Monumentalfilm“ offenbart. Tatsächlich: Am Ende ist alles gut, und man kann recht zufrieden zum Deluminator greifen, um nach elf Jahren und sieben Teilen die Lichter zu löschen.