Fritz Bauer - Tod auf Raten

Dokumentarfilm | Deutschland 2010 | 97 Minuten

Regie: Ilona Ziok

Dokumentarfilm über den hessischen Generalstaatsanwalt und Initiator des Frankfurter Auschwitzprozesses Fritz Bauer. Unterfüttert durch Ausschnitte einer Fernsehsendung, in der Bauer in den 1960er-Jahren Versäumnisse der jungen Bundesrepublik bei der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit anprangert, entfaltet sich in einer geschickten Montage aus Archivbildern und Zeugnissen von Weggefährten das Leben Bauers, insbesondere dessen Mitwirken bei der Aufklärung von Nazi-Verbrechen. Zugleich ein beklemmendes Zeitbild der Wirtschaftswunder-Ära, die auf das Thema Drittes Reich mit massiver Verdrängung reagierte. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
CV Films/Saarländischer Rundfunk
Regie
Ilona Ziok
Buch
Ilona Ziok
Kamera
Jacek Blawut
Schnitt
Pawel Kocambasi · Ilona Ziok
Länge
97 Minuten
Kinostart
04.11.2010
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
Es war eine der frühen Gesprächsrunden im deutschen Fernsehen, als der Begriff „Talkshow“ hierzulande noch gänzlich unbekannt war: Die Sendung des Hessischen Rundfunks trug den denkwürdigen Titel „Heute Abend Keller Club“ und wurde aus einem Studio mit Kneipenatmosphäre gesendet. An einem Abend im Jahre 1964 saß da ein Mann mit zerfurchtem Gesicht und dicker Hornbrille an einem Tisch mit anderen, wesentlich jüngeren Gästen und redete über die Versäumnisse der jungen Bundesrepublik. So warf er den Machthabern und vor allem der Justiz vor, die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und dem Holocaust nicht nur zu verweigern, sondern sie, schlimmer noch, vorsätzlich zu behindern. Der Mann, der da, Zigarren schmauchend, bei Bier und Äppelwoi erklärte, welch große Hoffnungen er diesbezüglich auf die junge Generation setzte, wusste, wovon er sprach: Fritz Bauer, hessischer Generalstaatsanwalt, Initiator des Frankfurter Auschwitz-Prozesses und nicht zuletzt der Mann, der dem israelischen Geheimdienst 1960 den entscheidenden Hinweis zum Versteck Adolf Eichmanns in Südamerika gab. Die deutschen Strafverfolger mit der Verhaftung des Chef-Logistikers der Judenvernichtung zu betrauen, hatte der Jude Fritz Bauer nicht gewagt, da er wohl nicht zu Unrecht befürchtete, dass diese Eichmann umgehend gewarnt hätten. Der sehenswerte Dokumentarfilm der Polin Ilona Ziok zeichnet das Leben Fritz Bauers und vor allem sein Wirken in der jungen BRD nach. Beides setzt sie ohne jeden Kommentar in kluger Montage aus (wenigen) Archivbildern und vor allem aus Aussagen zahlreicher Weggefährten Bauers zusammen. Wobei die Autorin nicht nur auf aktuelle Statements inzwischen Verstorbener aus Archiven zurückgreift. Immer wieder eingeschnittene Sequenzen aus der Fernsehsendung mit ihm bilden dabei so etwas wie das Gerüst des Films. So eröffnet sich hier über das Porträt einer einzelnen Figur nach und nach ein beklemmendes Szenario der Bundesrepublik in Zeiten des Wirtschaftswunders, die vor allem darum bemüht war, ihre jüngste Vergangenheit tunlichst zu ignorieren. Ob es um den in Braunschweig geführten Remer-Prozess geht, in dem es Fitz Bauer gelang, die Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 zu rehabilitieren, oder ob da die Vita des Juristen Hans Globke, wohlmeinender Kommentator der NS-Rassengesetze und bis zu seiner Pensionierung unbescholtener Staatssekretär unter Adenauer, aufgerollt wird – es ist ein stimmig düsteres Bild, das der Film von den ersten Nachkriegsjahren der BRD zeichnet. Und somit skizziert die Dokumentation ein Panoptikum, das nicht zuletzt den Nährboden für die studentische Protest-Bewegung der „68er“ lieferte. Lediglich von dem eingangs gestreuten Verdacht, das Fritz Bauer, der am 1. Juli 1968 unter mysteriösen Umständen verstarb, einem Mordanschlag zum Opfer gefallen sein könnte, ist im späteren Verlauf kaum noch die Rede. Rätselhaft bleibt zudem, was die Autorin bewogen hat, den Abspann ihres Films ausgerechnet mit Paul Ankas Gassenhauer „My Way“ in der Version von Frank Sinatra zu unterlegen. Doch dieser finale Fehlgriff mindert die Brisanz ihrer Dokumentation in keiner Weise.
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