Der populäre kurdischstämmige Arabesk-Sänger Mahsun Kirmizigül macht seit 2007 wirkmächtiges Action-Polit-Kino. In Personalunion als Regisseur, Drehbuchautor, Produzent und Schauspieler klagte er 2007 in „Weißer Engel“
(fd 38 482) die moralischen Defizite der modernen Türkei in Sachen Altenpflege an, 2009 folgte mit „Ich sah die Sonne“ ein Film über den türkisch-kurdischen Konflikt. Mit seiner dritten Regiearbeit wendet sich Kirmizigül nun der gegenwärtigen Mutter aller Politthemen zu: dem christlich-muslimischen Konflikt, der Definition des „Heiligen Krieges“ und den Irrwegen des radikalen Islamismus. Dabei setzt „Fünf Minarette in New York“ von Anfang an auf Action. Nachdem ein linksliberaler Journalist durch eine Autobombe ums Leben gekommen ist, begleitet die Kamera eine Spezialeinheit der türkischen Polizei bei der Razzia in einem Islamisten-Hauptquartier. Die Polizeiaktion im Herzen Istanbuls ist Teil eines paramilitärischen Konflikts, der von beiden Seiten nicht nur mit modernen Waffen und brutalen Verhör- und Rachemethoden, sondern auch mit einem gut organisierten Spitzel- und Infiltrantennetz geführt wird. Ein Einstieg, bei dem es Kirmizigül ordentlich krachen lässt; mal mit Pyrotechnik, in den Gegenschnitten mit monumentalen Bildarrangements sich ekstatisch hin- und herwiegender Derwisch-Prediger oder der martialischen Massenvereidigung junger Polizeibeamter.
Solch durchaus beeindruckender stilistischer Maximalismus wird allerdings zum Vehikel einer ethischen Wucht, mit dem das Drehbuch seine Schauspieler und den Zuschauer in den Würgegriff nimmt. Als das FBI in New York den mutmaßlichen Drahtzieher des islamistischen Netzwerks ausmacht, werden zwei Elitepolizisten, der kurdischstämmige Firat (gespielt von Kirmizigül selbst) und der aus Istanbul stammende Acar, in die USA geschickt, um den Verdächtigen in die Türkei zu überführen. Doch bei dem Verhafteten scheint es sich um den falschen Mann zu handeln: Der tief gläubige Hadjii Gümüs legt den Koran als Anleitung zur religiösen Toleranz aus und lebt diese auch gemeinsam mit seiner christlichen Ehefrau Maria. Im folgenden entwickelt Kirmizigül eine Diskussion über Religion, Toleranz und US-amerikanische Paranoia nach dem 11. September – politisch korrekt, aber dramaturgisch in der Sackgasse. „Fünf Minarette in New York“ ist eher Manifest als ein Film, wuchtiges Überzeugungskino bar aller psychologischen Finesse. Der Titel lehnt sich an das türkische Volkslied „Fünf Minarette in Bitlis“ an, und dort, im kurdisch geprägten Südosten der Türkei, endet der Film denn auch. Nachdem sich herausstellt, dass Gümüs unschuldig ist, besucht er mit den beiden Elitepolizisten seine Heimatstadt, die er 1973 verlassen musste, nachdem der Verdacht eines Fehdemordes auf ihn gefallen war. Das Opfer war damals der Vater des Polizisten Firat – der den Terrorismusverdacht bewusst herbeimanipulierte, um Gümüs in die Türkei zu bringen und der Rache seiner Familie auszuliefern. So schlägt Kirmizigül einen weiteren moralischen Haken, erklärt in einem pathetischen Schlussakkord die kurdische Blutrachetradition zum finalen Eckpunkt seines genauso überkontinentalen wie überdeutlichen Kreuzzugs für Frieden und Gerechtigkeit. Damit wird die große Politik zur Kulisse einer Familienfehde. Ein Motiv, das wiederum auf die Interpretation der aktuellen Glaubenskriege als Bruderzwist zwischen den Anhängern der monotheistischen Religionen verweist.