Die Filmemacherin recherchiert den Tod ihres Bruders, der nach ständigen Querelen mit dem Vater, einem Pfarrer, im Mai 1968 als überzeugter Sozialist in die DDR übersiedelte, acht Monate später desillusioniert nach West-Berlin zurückkehrte und sich dort das Leben nahm. Die Anziehungskraft, die der Sozialismus auch für Westdeutsche ausübte, wird mit der DDR-Realität konfrontiert, die Westflüchtlinge erwartete. Der Dokumentarfilm wurde großteils aus Found-Footage-Material montiert und gibt eine Reihe von relevanten Einblicken, ohne dabei völlig Neues zu erschließen.
- Ab 14.
Transit (2010)
Dokumentarfilm | Deutschland 2010 | 80 Minuten
Regie: Angela Zumpe
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2010
- Produktionsfirma
- cine impuls/MDR
- Regie
- Angela Zumpe
- Buch
- Angela Zumpe
- Kamera
- Thomas Kutschker · Peter Petridis
- Musik
- Ilja Coric
- Schnitt
- Regina Bärtschi · Matt Sweetwood
- Länge
- 80 Minuten
- Kinostart
- 30.09.2010
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- TMDB
Diskussion
Gut 40 Jahre nach dem Selbstmord ihres Bruders Reinhard macht sich die Filmemacherin und Konzeptkünstlerin Angela Zumpe auf eine Reise in die Vergangenheit, auf der sie die Beweggründe ihres Bruders in Erfahrung bringen will. Wirklich fündig im familiären Sinn wird sie dabei nicht. Reinhard rebellierte seit seiner Jugendzeit gegen das konservative Elternhaus, eine Pastorenfamilie, in der das patriarchalische Familienoberhaupt das absolute Sagen hatte. Nach etlichen Konflikten mit dem Vater, kleinen Ausbruchsversuchen und permanenten Verweigerungen zieht der sozialistisch gesinnte Youngster 1968 die Konsequenz. Er reist in die DDR und stellt einen Aufnahmeantrag. Der Verbleib im Aufnahmelager Saasa ist dokumentiert, danach reißt der Kontakt ab. Acht Monate später bringt sich Reinhard um, enttäuscht vom real existierenden Sozialismus im Osten, dem real funktionierenden Kapitalismus im Westen sowie dem Leben überhaupt: „Ich will bleiben, wo ich nie gewesen bin“, schreibt er im Abschiedsbrief an seine Schwester, dann springt er in West-Berlin von einem Hochhaus in den Tod. Sein letzter Wille, ohne christliches Begräbnis beerdigt zu werden, wurde vom Vater ignoriert. Alles bleibt gut, sollte zumindest der Augenschein suggerieren.
„Transit“ ist ein ungewöhnlicher Dokumentarfilm. Er erzählt von DDR-Aufnahmelagern für West-Flüchtlinge; rund 2.500 Aussiedler wurden in Saasa, Blankenfelde und ähnlichen Einrichtungen registriert, die für ihren Enthusiasmus allerdings oft bitter bezahlen mussten. Darüber geben die Jüdin Salomea und Henriette S. Auskunft, die in den 1960-Jahren in den „deutschen Friedensstaat“ einreisten, dort aber wenig Frieden fanden und sich einem System permanenter Bespitzelung ausgesetzt sahen, selbst wenn sie von der Stasi angeworben wurden. Durch diese interessanten Geschichten hindurch ist in diesem Dokumentarfilm ein seltsamer Bruch zu erkennen, der sich zu großen Teilen aus „Found Footage“-Material speist, privaten Schmalfilmen, Funden in DDR-Archiven oder Ausschnitten aus dem DDR-Fernsehen. Denn er weitet sich vom tragischen Einzelfall, der durch den Film nicht aufgeklärt wird, zur Kritik an einer Gesellschaft und einer Gesellschaftsform, wie man sie in den letzten 20 Jahren so oder ähnlich durchaus schon öfters gesehen hat. Letztlich liefert „Transit“ nur wenig Neues zum Thema „unbekannte DDR“; auch der Recherche nach dem Bruder und seinen Beweggründen wird er nicht gerecht.
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