Der Dokumentarfilm spürt der "Etireno" nach, einem Schiff des aus Nigeria stammenden Fußballspielers Jonathan Akpoborie, das 2001 als "Sklavenschiff" Schlagzeilen machte, weil mit ihm Kinder, die von ihren Eltern als Arbeitskräfte verkauft worden waren, aus Nigeria ins Ausland transportiert wurden. Obwohl Akpoborie bis auf seine Eigentümerschaft eine Verstrickung nicht nachgewiesen werden konnte, wurde er von seinem Bundesliga-Verein in Wolfsburg entlassen. Ohne den Anspruch, nachträglich für Aufklärung sorgen zu wollen, lässt der Film Beteiligte der Affäre zu Wort kommen. Vor allem die Aussagen ehemaliger Kinder, die auf der "Etireno" transportiert wurden, eröffnen interessante Einsichten und Denkanstöße. (O.m.d.U.)
- Ab 12.
Das Schiff des Torjägers
Dokumentarfilm | Deutschland 2009 | 94 Minuten
Regie: Heidi Specogna
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2009
- Produktionsfirma
- teamWorx
- Regie
- Heidi Specogna
- Buch
- Heidi Specogna
- Kamera
- Rainer Hoffmann
- Musik
- Hans Koch
- Schnitt
- Ursula Höf
- Länge
- 94 Minuten
- Kinostart
- 02.12.2010
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 12.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb
Diskussion
Mit wehmütigem Blick schaut Jonathan Akpoborie auf das Tor im leeren Stadion des VfL Wolfsburg, in das er einst den Ball köpfte. Hier, in der VW-Stadt, habe er den Code zum Tore schießen besessen, erinnert sich der ehemalige Fußballprofi an eine glückliche Zeit, die er dennoch lange aus seinem Gedächtnis gestrichen hatte, weil sie so jäh und schmerzlich für ihn endete. Im Frühjahr 2001 wurde der damals 32-Jährige auf Druck des VW-Konzerns vom VfL suspendiert. Damals sorgten Meldungen für Schlagzeilen, Akpoborie sei Besitzer eines „Sklavenschiffs“. Im April war die „Etireno“ vor Gabun aufgebracht worden, weil sich darauf illegale Einwanderer befanden, darunter etliche Kinder, die von ihren Eltern als Arbeitskräfte verkauft worden waren. Das Schiff trug den Namen der Mutter Akpobories, der die ehemalige dänische Fähre für seine Familie erstanden hatte. Terre des Hommes machte öffentlichkeitswirksam gegen den Kinderhandel Front, und der VfL Wolfsburg trennte sich von seinem nigerianischen Stürmerstar, weil Hauptsponsor VW nicht in Verruf geraten wollte. Den Torjäger-Code knackte Akpoborie daraufhin nie wieder. Seine Spielerkarriere war praktisch beendet. Viermal noch lief er in der 2. Liga für den 1. FC Saarbrücken auf; ein Tor erzielte er nicht mehr. Akpoborie konnte nie nachgewiesen werden, dass er in irgendeiner Form an den Vorfällen um die „Etireno“ beteiligt war. Seine einzige Verbindung war, dass ihm das Schiff gehörte und sein Bruder es verwaltete.
Die Schweizer Regisseurin Heidi Specogna („Das kurze Leben des José Antonio Gutierrez“, fd 37 942) rekonstruiert die Vorfälle von damals nicht nur aus Akpobories Perspektive: Auch zwei Kinder, die an Bord der „Etireno“ waren, berichten von ihren Erlebnissen. Mehrere hundert „Kindersklaven“ seien auf dem Schiff gewesen, hatte es 2001 in den ersten Meldungen geheißen. Diese Zahl reduzierte sich anschließend immer mehr. Von 43 Kindern und Jugendlichen war am Ende die Rede. Auch die Sache mit dem „Sklavenhandel“ erwies sich auf den zweiten Blick als komplexer. Viele der Passagiere der „Etireno“ wollten im vergleichsweise wohlhabenden Gabun ihr Glück machen. Auch Akpoborie hatte einst als Jugendlicher Familie und Heimat verlassen, um im Ausland eine Laufbahn als Fußballer zu beginnen. Alles also halb so wild? Heidi Specogna versucht mit ihrem bewegenden Film nicht, herauszufinden, was damals unterm Strich wirklich passierte. Strengen journalistischen Ansprüchen hielte ihre Dokumentation nicht stand. Zu wenig beleuchtet sie die Hintergründe, zu kurz nur streift sie die Fakten. Stattdessen verwebt sie Eindrücke und Erlebnisse zu einer nachdenklichen Geschichte, die subjektive Wahrheiten über dem Strich miteinander verknüpft. In diesem virtuellen Filmraum begegnen sich auch zwei der Kinder wieder, die damals von ihren Eltern nach Gabun geschickt worden waren. Adakou und Nouman tauschen über die Tonaufnahmen der Filmcrew ihre Erinnerungen an die traumatischen Erfahrungen, die sie miteinander teilten, aus, ohne sich persönlich wiederzutreffen. Dennoch scheinen das Mädchen aus Togo und der Junge aus Benin einander in diesen Momenten näher zu stehen als Mutter und Tochter oder Vater und Sohn, die sich jeweils im selben Bild befinden. Dass die Eltern ihre Kinder gegen deren Willen weggeschickt hatten, hinterließ Wunden, die nie verheilten. Die narrative Brücke zwischen Adakou, Nouman und Jonathan Akpoborie bildet in gewisser Weise das Schiff „Etireno“ selbst. Papa Dora, der „Schiffswächter“, der das Wrack der mittlerweile leckgeschlagenen Fähre bewacht, besetzt als Erzählerfigur die Nahtstelle zwischen den Welten. Doch auch wenn Heidi Specogna und ihr Team formal im Hintergrund bleiben, beschränkt sich der handwerklich solide, aber auch ein wenig bieder inszenierte Film keineswegs darauf, zu beobachten. Nicht nur führt er Adakou und Nouman im übertragenen Sinne wieder zusammen, sondern er arrangiert auch eine Begegnung zwischen Akpoborie und Peter Pander, dem damaligen Manager des VfL Wolfsburg. Ein unabhängigerer Verein als der VW-Klub, resümiert Pander, hätte Akpoborie vielleicht nicht so schnell wegen unbewiesener Anschuldigungen fallen lassen. Akpoborie hört schweigend zu und schaut dabei so traurig aus, als dächte er gerade über all die Tore nach, die er nicht mehr erzielen konnte.
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