Spuk um Mitternacht

Komödie | USA 1930 | 39 Minuten

Regie: James Parrott

Die Landstreicher-Freunde Stan und Ollie hoffen auf eine üppige Erbschaft, doch die Übernachtung im Haus des Verblichenen entpuppt sich als recht abenteuerlich. Sorgfältig restaurierte Komödie des Duos Stan Laurel und Oliver Hardy, die unterhaltsam, vor allem aber filmhistorisch spannend ist: Der Film ist ein nach Motiven zweier ihrer US-Kurzfilme in deutscher Sprache gedrehtes Werk der beiden Komiker. Wenn auch an sich keine ihrer stärksten Arbeiten, überzeugt die Komödie dennoch als rares, vorzüglich ediertes Zeugnis aus der Wendezeit zwischen Stumm- und Tonfilm. - Ab 6.
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Filmdaten

Originaltitel
THE MURDER CASE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1930
Produktionsfirma
Metro-Goldwyn-Mayer
Regie
James Parrott
Kamera
George Stevens · Walter Lundin
Musik
William Axt · Marvin Hatley · Nathaniel Shilkret
Schnitt
Richard Currier
Darsteller
Stan Laurel (Stan) · Oliver Hardy (Ollie) · Clara Guirol (Frau im Zugabteil) · Otto Fries (Schaffner) · Lucien Prival (Kommissar)
Länge
39 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6
Pädagogische Empfehlung
- Ab 6.
Genre
Komödie
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Heimkino

Die Extras der filmhistorisch bemerkenswerten Edition umfassen u.a. ein Interview mit dem Filmhistoriker Stefan Drössler (28 Min.), die beiden Kurzfilme "L&H Murder Case" (30 Min.) und "Berth Marks" (20 Min.) sowie die spanische Version des Hauptfilms ("Noche De Duendes", 47 Min.). Die Edition ist mit dem Silberling 2010 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Kinowelt (FF, Mono dt.)
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Die unzertrennlichen Freunde Stan und Ollie sind arbeitslos und zu Landstreichern geworden. Aus der Zeitung erfahren sie, dass nach dem Erben eines Millionärs namens Laurel gesucht wird. Mit der Eisenbahn, in der sie trotz eines Schlafwagenplatzes keine Nachtruhe finden, fahren sie zur Testamentseröffnung. Das Domizil des Verblichenen entpuppt sich jedoch als Spukhaus, in dem ein potenzieller Erbe nach dem anderen spurlos verschwindet. Am Ende des mörderischen Treibens, das auch die Polizei auf den Plan ruft, entpuppt sich alles als Albtraum: In Wahrheit sitzen Stan und Ollie noch immer auf einer Hafenmauer und angeln nach Fischen. Die Entdeckung dieses Films in einem Moskauer Archiv erregte 2004 ein fast so großes Medienecho wie die Entdeckung der fehlenden „Metropolis“-Szenen. „Spuk um Mitternacht“ ist eins von nachweislich drei Werken, die vor Etablierung der Synchrontechnik von Laurel & Hardy in deutscher Sprache gedreht wurden (vgl. fd 22/05). Möglicherweise wurden sogar von weiteren ihrer Filme Fassungen in Deutsch, Französisch, Italienisch und Spanisch produziert – eine Praxis, mit der die Hollywood-Studios angesichts rapide gestiegener Herstellungskosten durch den Tonfilm die internationale Vermarktung ihrer führenden Stars zu sichern trachteten. Da Laurel & Hardy keine dieser Sprachen erlernt hatten, mussten sie unmittelbar vor den Aufnahmen die Texte mit so genannten Dialogue Coaches durchgehen und danach von Tafeln außerhalb des Bilds ablesen. Dass ihnen oftmals nicht klar war, was sie da eigentlich sagten, trübte offenbar nicht das Vergnügen des Publikums, dem es in der Frühzeit des Tonfilms wichtiger wahr, die Stimmen der Komiker zu hören. So haben die beiden auch in „Spuk um Mitternacht“ nur wenige Dialoge, deren Pointen aufgrund des starken Akzents der Hauptdarsteller – die Nebenrollen wurden für die verschiedenen Sprachfassungen mit wechselnden Schauspielern besetzt – fast verpuffen. Indes waren Laurel & Hardy in erster Linie Pantomimen, die ihre Manierismen auch hier ausspielen: Ollies verzweifelt-entnervter Blick in die Kamera, Stans Jammern und Grinsen, der ewige Schlagabtausch sind unverzichtbare Bestandteile ihrer Komik. Die Handlung von „Spuk um Mitternacht“ entspricht dem 20-Minuten-Kurzfilm „The Laurel & Hardy Murder Case“. Die deutschsprachige Version kommt auf die doppelte Laufzeit, weil sie um jene haarsträubenden Erlebnisse des Freundespaars im Schlafwagen bereichert wurde, die es bereits zwei Jahre zuvor in „Berth Marks“ zelebriert hatte. Die DVD-Veröffentlichung bietet neben „Spuk um Mitternacht“ auch die beiden Filme, die der deutschen Fassung zugrunde liegen. Zu den Extras gehört außerdem ein halbstündiges Interview mit Stefan Drössler vom Münchner Filmmuseum, dem die Wiederentdeckung dieser filmhistorischen Perle zu verdanken ist. Er erläutert nicht nur signifikante Unterschiede bei der Übertragung der Dialoge, sondern gibt auch einen Einblick in die Restaurierung des Films: Die in Moskau gefundene Kopie war zwar erstaunlich gut erhalten, jedoch fehlten Teile der Handlung, die für die Rekonstruktion der US-Fassung entnommen und eingefügt wurden. Dies war umso leichter, als einerseits die deutschen Zensurkarten und andererseits die ebenfalls um die Schlafwagen-Szenen ergänzte Fassung in spanischer Sprache vorlagen. Bei der Digitalisierung wurde der Ton optimiert, ein permanenter Laufstreifen im Bild dokumentiert, welcher Schatz da sieben Jahrzehnte lang verschwunden war. „Spuk um Mitternacht“ bietet zwar Laurel & Hardy nur in gebremster Form; dennoch stellt der Film eine hoch interessante, adäquat restaurierte und deshalb höchst reizvolle „Trouvaille“ der Filmgeschichte dar. Die DVD bietet zudem den 1999 in Prag entdeckten Trailer zum deutschsprachigen Laurel-&-Hardy-Film „Hinter Schloss und Riegel“ (vgl. fd 14/1999, 18/1999). Von ihrem dritten Film auf Deutsch, „Glückliche Kindheit“, fehlt bislang jede Spur. Dass er gedreht wurde, belegen zeitgenössische Presseberichte.
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