Ein junger Kasache gibt seine Existenz als Fischer am Aralsee auf und kehrt in sein Dorf in den Bergen zurück. Dort verliebt er sich unsterblich in die Frau eines verbitterten Mudschaheddin-Kriegers. Ein wunderschön fotografierter, ebenso unterhaltsamer wie kluger Film über verbotene Liebe, Armut, patriarchale Gewalt und die Sehnsucht nach Glück, der sich aber dennoch an der berühmten Vorlage von Tschingis Aitmatow verhebt: Die Liebesgeschichte wird zugunsten des Dramas sowie im zweiten Teil eines abenteuerlichen Road Movies an den Rand geschoben, was weder den Figuren noch den großen menschlichen Gefühlen bekommt.
- Ab 14.
Tengri - Das Blau des HImmels
Drama | Kirgisistan/Frankreich/Deutschland 2008 | 105 Minuten
Regie: Marie Jaoul de Poncheville
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Filmdaten
- Originaltitel
- TENGRI
- Produktionsland
- Kirgisistan/Frankreich/Deutschland
- Produktionsjahr
- 2008
- Produktionsfirma
- Asia Karavan/L Films/Cine Dok
- Regie
- Marie Jaoul de Poncheville
- Buch
- Jean-François Goyet · Azamat Kadyraliev · Marie Jaoul de Poncheville
- Kamera
- Sylvie Carcedo-Dreujou · Assan Imanaliev
- Musik
- Birgit Løkke · Nikolai Marousitch
- Schnitt
- Catherine Quesemand
- Darsteller
- Albina Imasheva (Amira) · Ilimbek Kalmouratov (Temür) · Taalaikan Abazova (Uljan) · Nikolai Marousitch (Erofei) · Bousourman Odourakaev (Shamshi)
- Länge
- 105 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Drama | Liebesfilm | Road Movie | Literaturverfilmung
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Eigentlich ist das Spielfilmdebüt der Dokumentarfilmerin Marie Jaoul de Poncheville rundum gelungen. Die Kamera zeigt wunderschöne tiefenscharfe Bilder der weiten, grünen Hügellandschaft Kirgisistans; die Geschichte wird abwechslungsreich, manchmal ein wenig holprig, aber doch spannend, humorvoll und eindrücklich erzählt; die Darsteller überzeugen mit unprätentiösem, intensivem Spiel. Der Film handelt von einer verbotenen Liebe, von Armut, patriarchaler Gewalt, Fernweh und der Sehnsucht nach Glück. Die idyllische Weite der Natur täuscht nicht lange darüber hinweg, dass sie für die meisten, die dort leben, vor allem aber für die Frauen, nichts anderes als ein riesiges Gefängnis ist. Untermalt von einer kraftvollen Musikmelange aus ländlicher Tradition und Moderne ergibt dies kluges, unterhaltsames, kritisches Kino. Wenn „Tengri“ trotzdem enttäuscht, liegt dies an dem hohen Anspruch, den der Film dadurch weckt, dass er sich eine der schönsten Liebesgeschichten der Weltliteratur zur Vorlage auserkoren hat. Frei nach Tschingis Aitmatows Erzählung „Dshamilja“ (für deren Adaption er 1969 selbst das Drehbuch verfasste) erzählt de Poncheville die Liebesgeschichte zwischen der jungen Amira, die unglücklich mit einem verbitterten, lieblosen Mudschaheddin verheiratet ist, und dem schweigsamen Temür, der in der Eingangsszene von der französischen Polizei in Calais aufgegriffen und ausgewiesen wird. Der Traum von Freiheit und vom goldenen Westen scheint damit ausgeträumt. Ernüchtert kehrt Temür in das kleine kirgisische Zeltdorf zurück, in dem sein Vater zuletzt lebte. Der aber längst ist tot und Temür in seiner alten Heimat ein Fremder. Die meisten Männer haben das Dorf verlassen, entweder um in der Stadt zu arbeiten oder um in Afghanistan zu kämpfen. Wenn sie zurückkommen, bringen sie nur zerstörte Hoffnungen mit. Das geht auch Temür so. Aber anders als viele andere wird er nicht gewalttätig. Für die jungen Frauen im Dorf umgibt den stillen Neuankömmling der Reiz des Exotischen. Kichernd und tuschelnd schleichen sie ihm nach.
Was als burleske Komödie beginnt, schlägt bald in ein karges Drama um, das die willkürliche Männergewalt, der Frauen und Kinder schutzlos ausgeliefert sind, exemplarisch vor Augen führt. Eine Mutter wird von einem aufgebrachten Mann zu Tode geprügelt, weil sie es wagt, ihrem kleinen Sohn einen Wunsch abzuschlagen. Doch auch dies bleibt nur eine Episode, die vor allem dazu dient, die gemeinsame Flucht des Liebespaars Amira und Temür anzubahnen. Ein wenig zu unentschlossen oszilliert der Film zwischen den verschiedenen Genres, ein wenig zu lange verliert er sich in imposanten Landschaftsgemälden, ehe die Flucht beginnt. Nachdem die Liebenden heimlich davon geritten sind und sich Amiras Ehemann mit drei anderen Männern – ebenfalls zu Pferde – auf die Verfolgung gemacht hat, erhöht sich das Erzähltempo merklich. Eine aufregende Abenteuergeschichte löst das bittere Drama ab. Der folkloristische Humor kehrt zurück, und „Tengri“ verwandelt sich in eine Art Road Movie ohne Straße. Von den grünen Hügeln führt die Verfolgungsjagd in die dürre Steppe und schließlich hinauf in schneebedeckte Berge. Es ist fraglos eine besondere Liebe, von der de Poncheville erzählt; eine Hassliebe zum sanften, erbarmungslosen Kirgisistan, seiner Landschaft, seiner Kultur, seinen Menschen. Die Liebenden, die im Zentrum von Aitmatows Erzählung und eigentlich auch der Filmhandlung stehen, geraten dabei jedoch allzu sehr in den Hintergrund. Als Menschen wie als Liebespaar bleiben sie fremd. Von der unbändigen Liebe, die Aitmatows Buch unvergesslich macht, ist im Film kaum noch etwas zu spüren. Für große menschliche Gefühle lässt die übermächtig prächtige Kulisse keinen Raum.
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