Es ist eine Katastrophe für die junge Familie: Brian lässt seine Frau Audrey und seine beiden Kinder – einen sechsjährigen Sohn und eine zehnjährige Tochter – abends daheim, um noch Eiscreme für die Kleinen zu kaufen. Auf dem Weg zum Auto will er einen Streit zwischen einem Paar klären und wird dabei vom dem Mann erschossen. Auch Brians bester Freund Jerry reagiert verzweifelt, war der Familienvater doch eine der letzten Stützen für den immer wieder rückfälligen Heroinabhängigen. Audrey allerdings hat Jerry nie gemocht, auch weil er wohl als Süchtiger eine Gefahr für ihre Kinder darstellt; doch nach dem Tod Brians bietet sie ihm eine Unterkunft bei der Familie an – weil Brian es für richtig gehalten hätte, Jerry zu retten, und weil Audrey eine Art von Verbindung zu Brian braucht und diese über dessen besten Freund zu finden hofft.
Der Todesfall und der Umzug scheinen bei Jerry eine Wendung zum Guten zu initiieren: Er ist erstmals drogenfrei, läuft morgens, wenn auch anfangs widerwillig, mit einem Nachbarn Brians alte Jogging-Route, der ihm auch gleich einen Job anbietet – vor seiner Drogensucht war Jerry Anwalt. Doch nimmt er den Platz der Vaterfigur schließlich mehr ein als es Audrey aushält: Dass ihr Sohn erst durch Jerry den Mut aufbringt, seinen Kopf unter Wasser zu tauchen, verletzt sie sehr – es sei Brians Moment gewesen, den er ihm gestohlen hätte. Als eines Tages die Schule anruft und die Tochter als abwesend meldet, weiß nur Jerry, dass sie sich im Kino versteckt hat, weil Brian ihm dies einmal erzählte – verletzt wirft Audrey ihn hinaus, er verfällt in sein altes Rollenmuster und nimmt Heroin.
Der selbstverständliche Umgang mit Jerrys Abhängigkeit ist außergewöhnlich, weil er nichts Effekthascherisches hat – es ist eines der Leiden, das Jerry dort hinbrachte, wo er nun steht. Die zurückhaltende Demut, mit der Benicio Del Toro diesen Charakter spielt, ist kraftvoll und bemerkenswert. Doch auch Halle Berry war selten, vielleicht nur noch in „Monster’s Ball“
(fd 35563), so genau in ihrem Schauspiel. Verletzlich und wie unter Betäubung versucht sie, als Mutter ihren Kindern eine Form von Normalität zu bieten; eine zarte Frau, die sich ihrer eigenen Stärke erst bewusst werden muss. Die dänische Regisseurin Susanne Bier hat nach dem für den „Oscar“ nominierten Film „Nach der Hochzeit“
(fd 38020) mit ihrem ersten englischsprachigen Film ein starkes und feinfühliges Drama inszeniert, das dicht in seiner detaillierten Schilderung von Trauer und Angst vor der nächsten Zukunft ist und seinen Schauspielern die Freiheit für hochklassige Leistungen lässt.
Die Dramaturgie des Films scheint im ersten Drittel durch die Rückblenden etwas zerfasert; nur in ihnen erlebt man Brian (David Duchovny in einer sehr sympathischen Rolle). Doch macht vielleicht letztlich gerade dies den Verlust des Vaters nur noch spürbarer; das Loch, das er hinterlässt, nur noch größer.
Natürlich erwartet man, dass sich Jerry und Audrey schließlich näher kommen; und die Spannung, die zwischen den beiden besteht, wird von mehreren Beinahe-Liebesszenen unterfüttert – Momenten, in denen beide schwach und bedürftig nach Nähe sind: er, weil er dankbar ist, wieder ins Leben finden zu dürfen, und sie, weil sie den Tod ihres Mannes noch immer nicht akzeptieren kann und will. Doch einmal fragt die Tochter Jerry, warum er denn nicht ihre Mutter heirate und alle wieder glücklich werden können, und die Ehrlichkeit seiner Antwort scheint maßgeblich für dieses berührende, exzellent gespielte Drama: „Das wird nie geschehen, denn dann wäre es so, als hätte es deinen Vater nie gegeben.“