Draußen bleiben

Dokumentarfilm | Deutschland 2007 | 87 Minuten

Regie: Alexander Riedel

Der Alltag einer 16-Jährigen aus dem Kosovo, die mit ihrer Mutter seit elf Jahren in einem Flüchtlingsheim am Stadtrand von München lebt, wo beide auf ihre dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung warten. Der in ruhigen Bildern komponierte Dokumentarfilm konzentriert sich auf das Leben der Protagonisten außerhalb des Heims, mit dem sie dessen erdrückender Enge entfliehen wollen, zeigt aber auch die Grenzen dieser gefühlten Freiheit auf. Eindrucksvoll spiegelt er über das Einzelschicksal hinaus ungezählte Exilanten-Schicksale in Deutschland. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Pelle Film/ZDF/HFF
Regie
Alexander Riedel
Buch
Alexander Riedel
Kamera
Martin Farkas
Musik
Klaus Burger · Matthias Schneider-Hollek
Schnitt
Ulrike Tortora · Gaby Kull-Neujahr
Länge
87 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Wenn die 16-jährige Valentina auf dem Dach des Flüchtlingsheims am Münchener Stadtrand sitzt und in die Kamera erklärt, welche Menschen aus welchen Heimatländern sich hinter diesen Fenstern verbergen, könnte man sich an einschlägige Fernsehnachrichten erinnert fühlen. Afghanische, irakische und chinesische Familien sind hier anzutreffen; Valentina selbst kommt aus dem Kosovo und wohnt mit ihrer Mutter seit elf Jahren in dem Heim. Böse formuliert, entspricht ihr Aufenthaltsstatus der Aufmerksamkeit, den die deutsche Öffentlichkeit Valentinas Heimatregion zollt, denn sie und ihre Mutter bekommen immer nur eine Duldung für zwei oder drei Monate. Mit unerwarteten stilistischen Mitteln begleitete Alexander Riedel ein Jahr lang den Alltag seiner Hauptprotagonistin und hat diese Zeit in ruhigen Bildern festgehalten; keine verwackelte Handkamera, keine Versuche, die Nähe zu seinen Charakteren durch ruppige und raue Authentizität einzufangen. Riedel verweigert sich der gängigen Dokumentarfilmoptik, um mit glatten Schnitten und statischen, aber gut gesetzten Bildern seine Darsteller und ihre Probleme zu porträtieren. Meist nähert er sich ihnen draußen, denn dort, außerhalb des Heims, halten sie sich am liebsten auf. Draußen ist die Zwischenwelt vor allem der Kinder und Jugendlichen, denen die Kälte und die erdrückende Enge des Heims oft zu viel wird. Drinnen isst Valentina, dort schläft sie, bügelt, macht sich für die Welt draußen zurecht. Dort bleibt die Mutter zurück, die der Regisseur wortlos bei monotonen Haushaltstätigkeiten einfängt – selten werden die verlorenen elf Jahre so spürbar wie in diesen inszenierten Momenten der Trostlosigkeit. Vordergründig sucht der Film nicht die politische Erklärung, seine Wertung ist eingewoben in die Bilder des unfreien Lebens seiner 16-jährigen Protagonistin, die, seit sie fünf Jahre alt ist, zwischen Duldung, Abschiebung und dem Sehnen nach einer Aufenthaltsgenehmigung steht. In der gefühlten Freiheit außerhalb des Heims gerät sie mit der Polizei aneinander. Eine Situation, die der Film nicht zeigt. Darum geht es auch nicht. Wer könnte es Menschen verübeln, dass sich in einer solch unsicheren, eigentlich unmöglichen Situation auch Aggressionen entfalten, Unzufriedenheit und Hilflosigkeit, die sich nicht immer mit Straßenfußball wegspielen oder mit Musik wegrappen lassen? Für Valentina bedeutet die Schlägerei, in die sie geraten ist, jedoch vier Wochen Jugendarrest. Der Film rückt die Zeit vor dem Antritt des Arrests sehr stark in den Fokus. Wie ein Warnschuss wirkt diese Strafe: ein Anlass, darüber nachzudenken, was im Leben noch veränderbar ist. Denn eines sind die Flüchtlinge, und vor allem Valentina, in diesem exzellenten Dokumentarfilm auf jeden Fall: stark. Und das müssen sie in ihrer Situation des Alleingelassenseins auch bleiben.
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