Eine 17-jährige Schülerin gewinnt die Fähigkeit, kontrolliert durch die Zeit zu reisen. Was als Spiel beginnt, um Noten und Ansehen in der Schule zu verbessern, wird schnell zum Problem, als es um das "Richten" von Beziehungen im engsten Freundeskreis geht. Ebenso fantasievolle und spannende wie ernsthafte „Coming (out) of Age“-Geschichte. Ungeachtet der handwerklich versierten, traditionellen Form eines 2-D-Trickfilms ist die Charakterzeichnung der Protagonisten von erstaunlicher Tiefe und die Geschichte über erste Liebe und andere Probleme von kitschfreier Ehrlichkeit. Die Verquickung von Science-Fiction-Film und Melodram verleiht dem Anime eine nachhaltige Spannung.
- Sehenswert ab 12.
Das Mädchen, das durch die Zeit sprang
Animation | Japan 2006 | 98 Minuten
Regie: Mamoru Hosoda
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Filmdaten
- Originaltitel
- TOKI WO KAKERU SHÔJO
- Produktionsland
- Japan
- Produktionsjahr
- 2006
- Produktionsfirma
- Mad House/Kadokawa Shoten Publishing
- Regie
- Mamoru Hosoda
- Buch
- Satoko Okudera
- Musik
- Kiyoshi Yoshida
- Schnitt
- Shigeru Nishiyama
- Länge
- 98 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12 (DVD)
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 12.
- Genre
- Animation | Literaturverfilmung
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Die Standardausgabe hat keine erwähnenswerten Extras. Die Deluxe Edition (2 DVDs) enthält ein sehr informatives Booklet (20 Seiten). Unverständlicherweise ist der dt. untertitelbare, vom Regisseur und den Synchronsprechern der Hauptpartien gesprochene Audiokommentar zusammen mit dem Film auf einer separaten DVD "ausgelagert".
Diskussion
Nach einer seltsamen Begegnung mit einem Unbekannten im eigentlich menschenleeren Chemie-Klassenzimmer verliert die 17-jährige Makoto den soliden Boden der Tatsachen unter den Füßen. Nur einen Schatten nahm sie wahr, bevor sie das Gleichgewicht verlor und mit einer walnussähnlichen Kugel in Berührung kam. Seitdem ist das Leben der chronisch tollpatschigen Schülerin aus den Fugen geraten. Ein Unfall, der tödlich hätte enden müssen, bewirkt nur, dass Dinge, die sie schon erlebt zu haben glaubt, noch einmal passieren. Was zunächst unkontrolliert als unerklärliche Zeitsprünge beginnt und das Mädchen an seinem Verstand zweifeln lässt, verliert schon bald seinen Schrecken. Die sonst eher mäßige Schülerin schreibt plötzlich gute Noten und hantiert mit Dingen des Alltags erstaunlich souverän – wenn etwas nicht perfekt läuft, dann springt Makoto einfach durch die Zeit zurück und richtet die Dinge. Das ist nicht weiter tragisch, wenn es nur um Klassenarbeiten geht, doch je tiefer sie in zwischenmenschliche Beziehungen eingreift, desto komplizierter und unkalkulierbarer werden die Folgen. Besonders im Zusammensein mit ihren beiden Baseball-Freunden und Klassenkameraden Kôsuke und Chiaki gibt es immer häufiger Probleme, wenn es um Fragen der Zuneigung geht. Denn aufkeimende Liebesgefühle bringen das kumpelhafte Trio in große Beziehungsprobleme, die auch durch Zeitsprünge nicht einfach zu lösen sind, zumal Makoto bald merkt, dass sie ihre übernatürliche Fähigkeit zu verlieren droht.
Seitdem Hollywood in den 1980er-Jahren mit einer Reihe großartiger „Coming of Age“-Geschichten auftrumpfte, ist es um das schwierige Genre der Jugend-Beziehungskisten ein wenig ruhig geworden. Liebe und andere Probleme beim Erwachsenwerden fanden, wenn überhaupt, ihre Heimstatt eher in Klamaukfilmen à la „American Pie“ (fd 34 042). Eine derart originelle Verpackung wie in „Das Mädchen, das durch die Zeit sprang“ hat das recht schwierig zu bewältigende Thema schon lange nicht mehr gesehen. Was oberflächlich als
Science-Fiction beginnt und die bekannten Logik-Probleme aller Zeitreise-Plots aufwirft, wird schon bald eine bittersüße, erstaunlich sinnliche und sinnige Geschichte über das Erwachsenwerden. Im Zentrum steht hier ein – eher burschikoses – Mädchen, das, wenn es könnte wie es wollte, seine Beziehungen zum anderen Geschlecht am liebsten ewig über Baseball, Quatschen und einfach nur Zusammensein definieren würde. Über weite Strecken sind dabei Kôsuke und Chiaki Seelenverwandte, jedoch aus anderen Gründen, wie sich später herausstellen wird. Auch wenn Makoto durch ihre „Zauberkräfte“ die Liebe weitgehend aus dem Trio fern halten kann, muss und wird sie sich früher oder später zu ihren Gefühlen bekennen.
Spätestens hier kommt die Stärke von Mamoru Hosodas Anime voll zum Tragen. Durch die Verknüpfung von fantastischen und zutiefst realen Elementen nimmt er dem Melodram seine tendenziell kitschigen Spitzen. Geschickt spielt er mit den anfangs recht verwirrend erscheinenden Zeitebenen und konstruiert dabei ein virtuoses Drama mit beachtlicher innerer Logik und von großer Spannung. Die ausgesprochen ernsthafte Charakterzeichnung der Protagonisten ist dabei von solcher Tiefe, dass die artifizielle, traditionell zweidimensional gehaltene Trickfilmform bald in den Hintergrund rückt, was das erzählerische Potenzial weit über den Durchschnitt üblicher Unterhaltungsfilme hebt. Kein Wunder, dass „Das Mädchen, das durch die Zeit sprang“ zu den besten Animes der letzten Jahre gezählt wird; ein Lob, das sich auch ohne die Eingrenzung auf die formale Machart des Films aufrechterhalten lässt.
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