Die Schweizerin Lotti Latrous wird in der Wirtschaftsmetropole Abidjan (Elfenbeinküste), wo ihr Mann die Geschicke seiner Firma leitet, mit dem Elend HIV-infizierter Kinder konfrontiert und gründet in einem Armenviertel ein Hospiz zur Betreuung der Kranken. Als ihr Mann nach Kairo beordert wird, entscheidet sie sich gegen ihre Familie und setzt ihre Aufgabe fort. Der beeindruckende Dokumentarfilm stellt das karitative Wirken seiner Protagonistin vor und setzt sich mit den Konsequenzen ihres "selbstsüchtigen" Handelns auseinander. Dabei zwingt er zur Auseinandersetzung mit dem Elend in der Welt und dokumentiert seine unbequemen Wahrheiten mit teilweise erschütternden Bildern.
- Ab 14.
Egoiste - Lotti Latrous
Dokumentarfilm | Deutschland/Frankreich 2007 | 92 Minuten
Regie: Stephan Anspichler
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Filmdaten
- Originaltitel
- EGOISTE - LOTTI LATROUS
- Produktionsland
- Deutschland/Frankreich
- Produktionsjahr
- 2007
- Produktionsfirma
- York Street
- Regie
- Stephan Anspichler
- Buch
- Stephan Anspichler
- Kamera
- Alban Kakulya
- Musik
- Arthur Besson · Kay Scheibner
- Schnitt
- Thomas Belitz
- Länge
- 92 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Auf den ersten Blick scheint ein Anflug von Koketterie mitzuschwingen, wenn Lotti Latrous bereits im Titel dieses Dokumentarfilms als Egoistin bezeichnet wird. Die Frau eines Nestlé-Managers, der Afrika mit so wichtigen Hilfsgütern wie Speiseeis versorgt, hat sich nicht nur in Abidjan an der westafrikanischen Elfenbeinküste als Aushilfskrankenschwester eingesetzt, sondern auch peu à peu zwei „Zentren der Hoffnung“ aufgebaut, in denen AIDS-Kranke betreut, versorgt und in den Tod begleitet werden. Als ihr Mann nach Kairo versetzt wird, schockiert Lotti Latrous, Mutter von drei mittlerweile erwachsenen Kindern, ihre Familie mit der Mitteilung, dass sie auf jeden Fall in Abidjan bleiben werde, weil sie dort vordringlichst gebraucht würde. Lotti Latrous wurde 2005 zur „Schweizerin des Jahres“ gewählt, eine Auszeichnung, die eine Art von Sparten übergreifender eidgenössischer „Nobelpreis“ ist, mit dem im Jahr zuvor der Tennisspieler Roger Federer ausgezeichnet wurde. Ist sie nun eine Egoistin? Schwer zu glauben, wenn man sieht, mit welchem Engagement sie sich für ihre Patienten einsetzt, wie sehr sie sich deren Betreuung zu Herzen nimmt. Sie ist das Herz und der Motor ihrer Sozialstationen, die an Albert Schweitzers Lambarene erinnern, ist pausenlos unterwegs, pausenlos im Einsatz. Da braucht es nicht viele Worte, um Lottis Engagement zu unterstreichen; die Bilder, die zeigen, wie ihre Hände die von hoffnungslos kranken Patienten streicheln, oder wenn sie den todgeweihten kleinen Junior im Arm hat, der von seinem Vater abgegeben wurde, sprechen Bände.
Und doch beharrt Frau Latrous darauf, eine „Egoistin“ zu sein. Nachdem sie sich 25 Jahre um das Wohl ihrer Familie gekümmert hatte, war ihr klar geworden, dass sie nur durch ihre Arbeit im „Zentrum der Hoffnung“ den Weg zu sich finden würde, dass praktizierte Nächstenliebe zum wirklichen Sinn des eigenen Lebens führt, dass ihre einstigen Freundinnen, die in mondänen Clubs über abgebrochene Fingernägel jammerten, einfach nur „blöde Frauen“ waren. Ihr Mann Aziz hat ihre Beweggründe sofort verstanden, die Kinder haben allerdings ihre Entscheidung lange nicht verkraftet. Der Film befragt die Familie und dokumentiert die Narben einer nur langsam verheilenden Wunde, zeigt, dass sich mittlerweile alle mit der Situation abgefunden haben, zeigt aber auch, wie schwer es war, Verständnis für Lottis Entscheidung aufzubringen. Stephan Anpichlers Dokumentarfilm versucht gar nicht erst, formal neue Wege zu beschreiten, sondern beschreibt den Alltag seiner Protagonistin mit den klassischen Mitteln, wobei er immer dann unter die Haut geht, wenn die Kamera nahe an die Patienten des „Zentrums der Hoffung“ heranrückt. Wenn ausgemergelte Körper gezeigt werden, die von Hunger und Krankheit gezeichnet sind, und nicht zuletzt der kleine Junior, der Lotti Latrous besonders ans Herz gewachsen ist. Sie weiß, dass er bald sterben wird, und bereitet ihm einen Abschied, der zu Herzen geht. „Egoiste“ konfrontiert mit einer kompromisslos aufopfernden Frau und lässt die Zuschauer die eigene Haltung zum Leben überdenken. Ein gerüttelt Maß an Nächstenliebe bedarf es nicht nur im recht fernen Afrika, sondern ist auch ganz in unserer jeweiligen Nähe von Nöten.
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