Unser Planet (2006)

Dokumentarfilm | Schweden/Norwegen/Dänemark 2006 | 82 Minuten

Regie: Michael Stenberg

Dokumentarische Bestandsaufnahme des ökologischen Jetzt-Zustands der Erde und ihrer daraus ableitbaren Zukunft. Dabei montiert der Film seine ernst zu nehmenden Argumente mit rasanter Geschwindigkeit und unterlegt den Fluss der Bilder mit einem stakkatoartigen Elektro-Beat, der den Gedanken nahe legt, ökologisches Bewusstsein solle dem Zuschauer eingehämmert werden. Doch diese Rechnung geht nicht auf: Der Film erliegt vielmehr dem Rausch der eigenen Geschwindigkeit und argumentiert kontrapunktisch zu seinem wichtigen Anliegen. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE PLANET | PLANETEN
Produktionsland
Schweden/Norwegen/Dänemark
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Charon Film/SVT Dokumentär/Videomaker Nord
Regie
Michael Stenberg · Linus Torell · Johan Söderberg
Buch
Michael Stenberg · Linus Torell
Kamera
Jan Röed · Nic Hughes · Håvard Jensen
Musik
David Österberg · Johan Söderberg
Schnitt
Johan Söderberg
Länge
82 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
In letzter Zeit musste sich das Publikum mit „Eine(r) unbequeme(n) Wahrheit“ (fd 37 830) auseinandersetzen und sich eingestehen, dass es „5 vor 12“ ist bzw. die „11th Hour“ (fd 38 432) gekommen ist. Engagierte Medienfiguren wie Al Gore oder Leonardo DiCaprio trugen mit ihren Namen auf die eine oder andere Weise die Vermarktung dieser Filme. „Unser Planet“ verlässt sich nicht auf einen Star, sondern auf die populäre Form des Music-Clips, um ökologisches Problembewusstsein zu vermitteln. Der dokumentarische Film von Michael Stenberg, Linus Torell und Johan Söderberg mutet wie die zeitgenössische Variante des Spiritualisten-Epos „Koyaanisqatsi“ (fd 24 271) an. Leitmotivisch wird immer wieder mit Aufnahmen aus dem Weltall gespielt: Bereits zu Anfang kommt die Erde flackernd auf die Zuschauer zugeflogen. Politikerstimmen deklamieren aus dem Off die Gefahren des Klimawandels, der als ein globales Problem gesehen werden müsse. Die Kombination der Stimmen, Bilder und synthetischen Rhythmen erinnert an den Flash Gordon-Film von 1980 (fd 22 839), der auch mit einem Weltuntergangsszenario begann. Doch während der Superheld die Erde vor dem Untergang bewahren konnte, stellt sich unsere ökologische Realität komplizierter dar: Was der Erde bevorsteht, dafür gibt es keine einfache Lösung. Denn der Klimawandel ist nur ein kleiner Teil von dem, was die Veränderung unseres Globus ausmacht, so verkündet der erste von vielen Experten. Einem anderen Talking Head ist anschließend vorbehalten, die lange Liste von äußerlichen Zeichen der gestressten Umwelt aufzulisten. In Bildern von überall aus der Welt werden Blechlawinen von Autos gezeigt, werden in langen Kamerafahrten Tiefkühlabteilungen in Supermärkten erkundet oder aber ein genüsslicher Ikea-Einkauf pointiert dokumentiert – mit der kleinen globalen Nuance, dass es sich hier um eine Filiale in China handelt. Der Times Square und andere Orte von Leuchtreklamen und Werbungen werden in der schnellen Montage nicht nur Sinnbilder des Konsums, sondern auch des maßlosen Energieverbrauchs. „Now is the time for action“ wird in einer schier unendlichen Serie von Politikeräußerungen aneinander geschnitten. An diesen übermäßigen Input schließt sich das ruhige Statement einer Expertin an: Es sei so unendlich schwer, etwas zu verändern, wenn das benötigte Umdenken unseren Lifestyle betrifft. Das größte Problem ist, so George Monbiot, dass unsere Vorstellung von Fortschritt tatsächlich zum Niedergang führt. Wenn es die Absicht des Films ist, eben dies in unser Bewusstsein zu heben, ist das durchaus nobel. Der Film ist in dieser Hinsicht eine recht poppige Kapitalismuskritik, die sich sogar auf MTV verkaufen ließe. Und genau dies ist das Problem: Dass sich der Film in seiner Videoclip-Ästhetik zu sehr verliert und sich damit in populärkulturellen Wahrnehmungsmustern bewegt, die reflexives Bewusstsein aufgrund ihres Überwältigungsgestus schwer machen. Dabei ist eine der stärksten Dimensionen des Films seine Medienkritik. Gleich zu Beginn thematisiert er die Künstlichkeit der „wilden Natur“, die uns in Naturfilmen vermittelt wird. Denn das dort gezeigte Bild negiere die Präsenz des (filmenden) Menschen und schaffe eine romantische Vorstellung unberührter Natur, die es so auf dem Planeten nicht mehr gibt: Alles ist vom Handeln des Menschen affiziert. „Unser Planet“ gelingt es, diese Affizierung in wunderbare Einzelbilder zu fassen, etwa wenn Zebras vor einer afrikanischen Metropole grasen. Doch diese Momente werden von den Elektrobeats immer wieder fortgerissen. Vielleicht hat eine Gesellschaft, die sich dermaßen selbst zerstört, keinen anderen Film über ökologische Verantwortung verdient. Bei dem Versuch, ökologisches und moralisches Bewusstsein einzuhämmern, erliegt der Film dem eigenen Rausch der Geschwindigkeit.
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