Tragikomödie | USA 2004 | 88 Minuten

Regie: Tennyson Bardwell

Ein junger homosexueller Mann hat große Schwierigkeiten, seine geschlechtliche Identität im familiären Umfeld zu offenbaren, schafft es schließlich aber doch, sich gegen seinen dominanten Vater zu behaupten, und fasst ein selbstbestimmtes Leben ins Auge. Die durchaus ernst gemeinte Tragikomödie beschreibt mit liebenswertem Humor die Kapriolen eines Teenager-Lebens. Dabei setzt sie sich auch durch ihr beeindruckendes Darsteller-Ensemble vom Gros vergleichbarer heterosexueller Produktionen ab. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
DORIAN BLUES
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Day Dreamer Films
Regie
Tennyson Bardwell
Buch
Tennyson Bardwell
Kamera
Taylor Morrison
Musik
Will Severin
Schnitt
Ann Marie Lizzi
Darsteller
Michael McMillian (Dorian Lagatos) · Lea Coco (Nicky Lagatos) · Steven C. Fletcher (Tom Lagatos) · Mo Quigley (Maria Lagatos) · Cody Nickle (Ben)
Länge
88 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12 (DVD)
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Tragikomödie
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen.

Verleih DVD
Pro-Fun (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Dorian ist schwul. Das stellt der sensible High-School-Schüler gleich zu Beginn des Films kategorisch fest. Jetzt wissen es die Zuschauer und Dorian, aber sonst weiß es niemand. Einige seiner Mitschüler ahnen allerdings etwas, doch der pubertierende Kleinstadtneurotiker erträgt ihre Hänseleien mit stoischem Galgenhumor. Freunde, mit denen er sich aussprechen könnte, hat Dorian keine; Liebhaber schon gar nicht. Seine Mutter interessiert sich vor allem für ihre Einkaufsliste, sein durchtrainierter All-American-Bruder Nicky primär für Football, und sein stocksteifer Vater ausschließlich für den Bruder. Dorian ist nur der zweite Sohn. Wenn er bei der Führerscheinvorbereitung auch nur eine Meile über der erlaubten Geschwindigkeit fährt, holt sein Vater auf dem Beifahrersitz zu einer elaborierten Standpauke aus. Doch wenn Nicky mit qualmenden Reifen über einen Parkplatz schleudert, weil er offensichtlich die Kontrolle über das Fahrzeug verloren hat, gerät der Patriarch angesichts des potenziellen Nachwuchsrennfahrers ins Schwärmen. Die Voraussetzungen für ein Coming-out sind also alles andere als günstig in dem kleinen Vorort von New York, in dem Dorian aufwächst. Was allerdings wiederum günstige Voraussetzungen für eine heiter-nachdenkliche Tragikomödie sind, wie sie Drehbuchautor und Regisseur Tennyson Bardwell in seinem Spielfilmdebüt erzählt. Souverän und kundig folgt er den Pfaden erprobten Kinohumors. Treffsicher inszeniert er Running-Gags wie die Sitzungen beim Psychiater, in denen Dorian einer mit weißem Stoff überzogenen Büste gestehen soll: „Vater, ich bin schwul“, und den Satz einfach nicht herausbekommt. Erfreulicherweise aber wagt sich der Regiedebütant oftmals auch an den Rand ausgetretener dramaturgischer Pfade und bisweilen sogar darüber hinaus. Unbekümmert jongliert „Dorian Blues“ zwischen besinnlichen Momenten und schrillen Passagen, in denen Dorians Fantasie die Regie übernimmt und er sich mit wildem Geheul im Kampfanzug in das Abenteuer Zukunft wirft. Gerade, wenn man glaubt, die innere Struktur des Films endlich durchschaut zu haben, hält das bonbon-bittere Drama noch eine Überraschung bereit. Zielsicher steuert der Plot so manches Kinoklischee an, um ihm im letzten Moment auszuweichen. Die großen Leinwandgefühle werden charmant geerdet, indem das Schicksal den sympathischen Antihelden stets aufs Neue ins Straucheln bringt. Wenn etwa die „große Liebe“ schon nach zwei Wochen restlos verbraucht ist, ist das tragisch, komisch, aber auch erhebend, weil Dorian sich trotzig immer wieder aufrappelt. Sein Coming-out beginnt, als er das erste Mal dem Vater die Stirn bietet. Die Familie sitzt bei Tisch zusammen. Der Vater schwärmt davon, was für ein toller Präsident Nixon gewesen sei, als Dorian etwas tut, was er noch nie getan hat: er widerspricht! Rhetorisch ist er seinem geschliffen argumentierenden Vater, der jede Aussage unerbittlich seziert, hilflos unterlegen. Aber darauf kommt es gar nicht an. Für Dorian zählt einzig, dass er seine eigene Meinung vertreten hat. Nach und nach konfrontiert er nun die Familie mit seiner Homosexualität. Bruder Nicky ist erst geschockt, hält dann aber doch bedingungslos zu Dorian. Die Mutter ignoriert die Offenbarung ihres Sohnes so gut sie kann. Der Vater aber wirft ihn hinaus. Von da an geht Dorian seinen eigenen Weg. Der führt ihn zunächst nach New York. Doch auch in der liberalen Großstadt lauern allerhand persönliche Niederlagen und Nackenschläge. Selbstironisch-melancholisch kommentiert Dorians Erzählerstimme seinen holprigen Werdegang und liefert so eine ideale, weil eben nicht perfekte Identifikationsfigur für alle, die das Leben immer mal wieder aus der Bahn wirft. Der Blues – im übertragenen Sinne, nicht als Score – ist nur eine Tonart, die der Film anschlägt. Die andere wäre, bildlich gesprochen, der Swing. „Dorian Blues“ zelebriert die Unwägbarkeiten des Lebens mit feinem Gespür für das Auf und Ab der menschlichen Seele. Michael McMillian spielt die Hauptrolle, als wäre er der jüngere, frechere Bruder von Tobey Maguire; mit anderen Worten: zauberhaft. Neben McMillian ragt vor allem Steven Fletcher als sarkastisch scharfzüngiger Übervater aus einem darstellerisch ordentlichen Ensemble heraus. Mit launigen Farben und liebenswertem Humor feiert Bardwell die Kapriolen eines ganz normalen schwulen Teenager-Lebens in einem munteren Film, in dem sich, anders als in den üblichen Teenie-Komödien, fast nichts um Sex dreht, dafür aber alles um das Leben.
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