Ein alter Mann aus der argentinischen Grenzregion Patagoniens beschließt, sein Leben ins Reine zu bringen. Er bricht zu einer Reise nach Buenos Aires auf, um seine Tochter zu besuchen und längst überfällige Probleme zu lösen. Der dialogreiche Film sucht kaum nach suggestiven Bildern, kann sich aber ganz auf die Ausdrucksstärke seiner beiden überzeugenden Hauptdarsteller verlassen. (O.m.d.U.)
- Ab 14.
Der Wind (2005)
Drama | Argentinien/Spanien 2005 | 92 Minuten
Regie: Eduardo Mignogna
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Filmdaten
- Originaltitel
- EL VIENTO
- Produktionsland
- Argentinien/Spanien
- Produktionsjahr
- 2005
- Produktionsfirma
- Tesela Prod./Retratos Prod./Film Suez
- Regie
- Eduardo Mignogna
- Buch
- Eduardo Mignogna · Graciela Maglie
- Kamera
- Marcelo Camorino
- Musik
- Juan Ponce de Leon
- Schnitt
- Marcela Sáenz
- Darsteller
- Federico Luppi (Frank Osorio) · Antonella Costa (Alina Osorio) · Pablo Cedrón (Miguel Dufour) · Mariana Brisky (Gaby) · Esteban Meloni (Diego)
- Länge
- 92 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Drama | Road Movie
Heimkino
Diskussion
Der Wind pfeift durch die staubigen Straßen eines kleinen Dorfs am südlichen Ende der Welt, bringt Bewegung in die Landschaft, formt Bäume, aber auch die scheinbar fest gefügten menschlichen Charaktere. Ein alter, weißhaariger Mann mit scharf geschnittenen Gesichtszügen schließt sorgfältig Fenster und Türen, dann gibt er seinen Hund bei den Nachbarn ab, um eine lange Reise anzutreten. Eduardo Mignogna macht den Wind zum Sinnbild für die Veränderung, das Ende von Lebenslügen und für einen möglichen Neubeginn. Frank Osorio hat sein Leben immer nach festen Prinzipien und Grundwerten ausgerichtet. Nach dem Tod seiner einzigen Tochter verlässt er zum ersten Mal sein Dorf in Patagonien und fährt in die Tausende von Kilometern entfernte Hauptstadt Buenos Aires. Der alte Mann hat seine Geheimnisse, die er nie jemandem enthüllt hat; jetzt will er seine Enkelin vom Tod ihrer Mutter informieren und offene Erbschaftsangelegenheiten mit ihr klären. Osorio fühlt sich fremd in der Großstadt und bewegt sich doch mit dem Selbstbewusstsein des auf sich bezogenen Dörflers durch die breiten Avenidas.
„Der Wind“ greift auf die doppelte Identität Argentiniens zurück, den fundamentalen Gegensatz zwischen den ruralen Wurzeln des Landes, etwa der Weite Patogoniens und anderer ländlicher Regionen, und der urbanen Vielfalt Buenos Aires'; eine Dichotomie, die die argentinische Literatur und den argentinischen Film stets beeinflusst und befruchtet hat. Osorio, dargestellt durch Federico Luppi, dem neben Hector Alterio beeindruckendsten argentinischen Charakterdarsteller, verkörpert eindringlich die bäuerliche Tradition des Landes. „Der Wind“ erzählt von Schmerz, Schuld und der Suche nach dem Glück, von der Begegnung zweier Generationen und dem Zusammenstoß zweier grundverschiedener Charaktere, der beiden, Großvater und Enkelin, auch eine neue Orientierung im Leben ermöglicht. Als Osorio vor der Tür seiner Enkelin Alina steht, prallen nicht nur zwei Welten aufeinander, sondern auch unbewältigte Erinnerungen. Die Ärztin hat ihre Familie vor Jahren verlassen, mit den rigiden Moralvorstellungen ihres Heimatdorfs gebrochen und ein neues Leben begonnen. Sie will von ihrer Herkunft nichts mehr wissen und spürt, dass ihr Lebensstil dem des Großvaters völlig entgegengesetzt ist. Der Film lebt von dieser dynamischen Konstellation, von den Diskussionen, den Wutausbrüchen, dem Schweigen, von Osorios trockenem, rauem und verletzendem Charakter und Alinas spröder und ablehnender Art. Das konservative Weltbild des Großvaters prallt mit der Lebenswirklichkeit der Enkelin zusammen, wenn er etwa wahrnimmt, dass sie mit einem verheirateten Kollegen liiert ist. Alina wiederum merkt, wie ähnlich sie ihrem Großvater ist. Aber Osorio ist auch nach Buenos Aires gekommen, um eine alte Schuld zu begleichen.
Die dynamische Darstellung der beiden Schauspieler rettet den Film vor allzu einfachen Stereotypen, die in der Geschichte angelegt sind. Eduardo Mignogna ist mehr Dialogregisseur als Schöpfer filmischer Atmosphäre, und so bleibt die Umsetzung mitunter oberflächlich, mit Ausnahme des Anfangs in Patagonien und der beeindruckenden Szene in einer Polizeistation, wo Osorio seine Schuld sühnen will. Mignogna gehört zur älteren, sentimentaleren Generation argentinischer Filmemacher, seine Filme haben nicht die kühle Distanz der jüngeren und auch deren ästhetische Überzeugungskraft. Die Stärke von „El viento“ liegt in der Zeichnung der Charaktere, in der Verbindung mit einer verdrängten Vergangenheit, dem Aufbrechen erstarrter Gefühle und letztlich der Wiederbegegnung mit dem Leben.
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