Im Schwitzkasten

Tragikomödie | Deutschland 2005 | 95 Minuten

Regie: Eoin Moore

Eine Gruppe Berliner Sauna-Besucher leidet an sich, an ihren jeweiligen Liebesbeziehungen, an der Welt und am fehlenden Geld. Jeder von ihnen trägt sich mit ambitionierten Plänen, die jedoch allesamt nicht aufgehen. Eine tragikomische Zustandsbeschreibung städtischer Mittelstandsexistenzen sowie eine reizvolle Mischung aus gelöst inszenierter Komödie und nachdenklichem Kammerspiel. Ein vor allem auch darstellerisch sympathischer Film. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Moneypenny Filmprod./ZDF (Das Kleine Fernsehspiel)
Regie
Eoin Moore
Buch
Eoin Moore · Jens Köster · Sven Poser
Kamera
Bernd Löhr
Musik
Kai-Uwe Kohlschmidt · Warner Poland
Schnitt
Antje Zynga · Eoin Moore
Darsteller
Laura Tonke (Monika Stauffenberg) · Steffi Kühnert (Karin Lose) · Charly Hübner (Jost Molinski) · Christiane Paul (Nadinchen Molinski) · Esther Zimmering (Dani Möller)
Länge
95 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Tragikomödie
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Alamode (16:9, 1.85:1, DD2.0 dt.)
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Diskussion
Eine kleine Berliner Sauna steht als Mikrokosmos fürs ganze Land und seine Hartz-IV-Empfänger. Auf der Basis dieser schönen Idee hat Eoin Moore eine leichte Sozialkomödie gedreht, wie sie in Deutschland Seltenheitswert hat – vielleicht, weil nicht viel Geld (640.000 Euro) zur Verfügung stand, der Filmemacher also in einer ähnlichen Lage steckt wie seine Figuren; vielleicht aber auch, weil sich der Ire, der seit 18 Jahre in Deutschland lebt, den liebevoll-kritischen Blick des Außenseiters bewahrt hat. Der „Schwitzkasten“ ist die Sauna, die Nadine und ihr Bruder Jost von den Eltern geerbt haben. Nichts Besonderes, eher ein kleiner Laden in einem alten Haus, wo dauernd etwas kaputt geht. Bei jeder neuen Panne verspricht Jost seiner jüngeren Schwester, dass der Schaden bald repariert wird, aber in Wahrheit kann er das gar nicht bezahlen, sondern lebt längst auf Pump. Nach außen strahlt er indes einen Optimismus aus, der ihn als jemand erscheinen lässt, der über alle Probleme erhaben ist. Nadine dagegen stellt sich ihr künftiges Leben nicht unbedingt in der Sauna vor und ist entsetzt, als ihr durch Zufall Mahnung über Mahnung in die Hände geraten. Doch Jost lässt sie nicht an sich heran – und auch keinen seiner Stammbesucher aus der Donnerstagsgruppe. Immer, wenn die Sprache auf das heikle Thema Geld kommt, verpasst er ihnen einen neuen Aufguss, sodass sie ermattet schwitzen und nichts mehr sagen. Dafür ist an der Sauna-Theke und bei der Erholung noch genug Zeit. Vor allem Toni kommt auf keinen grünen Zweig. Obwohl höchstens Mitte 30, ist er seit längerem arbeitslos; seine Frau hat ihn verlassen. Weil er glaubt, alle Tricks zu kennen, stiehlt er seinem Sohn das ersehnte Fahrrad. Das geht nicht gut, aber andere haben auch kein Glück. Moni zum Beispiel, hübsch, blond und ehrgeizig, die es nicht fassen kann, dass man sie, die Stewardess, auf die Straße setzt und nicht einmal mehr bei einer Billig-Airline haben will. Zur Sauna-Gruppe gehört noch die nervtötende Ich-AG-Frau Karin, die selbst noch in der Sauna jedem eine Versicherung oder einen Vertrag aufschwatzen will, den niemand braucht und den sich auch kaum jemand leisten kann. Bis auf Norbert, Germanistik-Professor, der liberal denkt und seiner Frau, einer konservativen Angeordneten, die Reden schreibt. In seinem Überschwang und Tatendrang ist er sogar bereit, ins Wellness-Center im Grünen zu investieren, von dem Jost träumt. Mit Norberts Einlage repariert Jost das Nötigste in der Sauna, ist ansonsten aber munter dabei, Saft von Aldi in Reformhaus-Flaschen zu füllen und teuer zu verkaufen. Jeder mogelt sich so gut durch, wie er kann. Das ist das Leitmotiv dieser Komödie, die sich auf engstem (Sauna-)Raum am Prenzlauer Berg abspielt. Da muss erst der Gerichtsvollzieher erscheinen und die Heizung ihren Geist aufgeben, damit alle Sünden ans Tageslicht kommen – und eine neue Solidarität ausbricht, als einer der Saunagäste durch die unfachmännischen, viel zu schnell aufeinander folgenden Aufgüsse stirbt. Vor der Polizei hält die sonst gar nicht so homogene Saunagruppe eisern zusammen – dafür gibt es ein bescheidenes Happy End als Belohnung für Nadine, die sich als guter Geist des Hauses um alle kümmert und über Geld- und Beziehungssorgen Bescheid weiß. Eoin Moore inszeniert diese Bande von Losern in seinem munteren Kammerspiel nie verletzend. Selbst wenn sie alle nackt da sitzen, strahlen sie noch Würde aus und wirken nie peinlich. Moore lässt sie das tun, was Politiker gerne beschwören: Arbeit suchen, sich nicht hängen lassen und trotz allen Jammerns optimistisch sein. Hinzu kommen pointierte Dialoge und starke Schauspieler, allen voran Christiane Paul als lebensfrohe Nadine und Edgar Selge als elitär-skurriler Professor. Auch wenn im Prinzip nur Einzelgeschichten aneinander gereiht werden, ist „Im Schwitzkasten“ kein beliebiger Episodenfilm, sondern eher eine lange Kabarettsendung auf ungewohnt unintellektuelle Weise. Den subtilen Humor und die Anspielungen auf Politikerreden und Wahlversprechen muss jeder für sich entdecken. In gewisser Weise trägt den Film eine ähnliche Atmosphäre wie Andreas Dresens „Sommer vorm Balkon“ (fd 37 419). Für wirklich „großes Kino“ ist der Blick freilich zu eng, sind die Bilder und Einstellungen zu gewöhnlich – aber sie sind angenehm gelöst, ironisch und auf eine ganz neue, sympathische Weise typisch deutsch.
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