Während die Verfilmungen erfolgreicher Andrew-Lloyd-Webber-Musicals wie „Evita“
(fd 32 325) und „Das Phantom der Oper“
(fd 36 826) an den Kinokassen floppten, gelang Hollywood mit der Adaption des Broadway-Klassikers „Chicago“
(fd 35 842) eine „Wiederauferstehung“ des seit Ende der 1960er-Jahre tot geglaubten Genres. Allerdings beklagt auch der Broadway seit Jahrzehnten das Fehlen talentierter Musical-Komponisten: Bis auf wenige Ausnahmen sorgen nur aufwändige Remakes traditionsreicher Shows für Glanz und Glamour an der 44. Straße. Dieser Stillstand mag auch Mel Brooks bewogen haben, aus seinem Spielfilmdebüt „The Producers“ („Frühling für Hitler“, fd 19 708) – eine respektlose Satire auf den Broadway-Betrieb – ein Bühnen-Musical zu entwickeln. Er fügte den beiden Songs des Films ein Dutzend weiterer Kompositionen hinzu, die er im Stil der großen Musical-Erfolge der 1950er-Jahre hielt. Der Erfolg gab ihm Recht. Seine zwischen burlesken Vaudeville-Songs, gefühlvollen Balladen und groß angelegten Step- und Tanznummern changierende Show gewann 2001 zwölf „Tonys“, mehr als jedes andere Musical in der amerikanischen Theater-Geschichte. Dass die Verfilmung jetzt in die Kinos kommt, während das Stück noch immer erfolgreich am Broadway und im Londoner Westend läuft, ist ungewöhnlich, entspricht aber genau der sarkastischen Botschaft von „The Producers“: Hat man das Publikum erst einmal mit einer Ungeheuerlichkeit wie „Springtime for Hitler“ auf einen Trend eingestimmt, muss man es melken, solange es stillhält. So heißen die nächsten Erfolgsshows der Brookschen „Producers“ demnach „Katz“ und „Death of a Salesman on Ice“.
Am Anfang der Geschichte droht zunächst der Ruin des Broadway-Produzenten Max Bialystock. Als sein Buchhalter Bloom angesichts der katastrophalen Jahresbilanz laut darüber nachdenkt, ob man nicht durch einen gezielten Flop mehr Geld verdienen könnte als mit einem „Renner“, indem man nämlich mit der Differenz zwischen den überhöhten Einlagen der Investoren und den tatsächlichen Ausgaben einfach das Weite sucht, ist Max Feuer und Flamme. Er überredet Bloom, und gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach dem schlechtesten Musical aller Zeiten, das sie in dem Script „Springtime for Hitler – A Gay Romp with Adolf and Eva in Berchtesgaden“ des eingewanderten Nazis Franz Liebkind zu entdecken glauben, der sie auch davon überzeugt, der geeignete Hitler-Darsteller zu sein. Außerdem verpflichten sie den untalentierten Roger DeBris für die Inszenierung und eine unbekannte schwedische Blondine für die weibliche Hauptrolle, beschäftigen sie aber erst einmal als „Aushängeschild“ für ihr Büro. Während Max seinen liebestollen Investorinnen aus dem Altersheim mit dem Versprechen romantischer Schäferstündchen die letzten Ersparnisse abluchst, verliebt sich Bloom in die adrette Schwedin. Als sich Liebkind kurz vor der Premiere ein Bein bricht, übernimmt DeBris dessen Rolle. Alles läuft wie geplant, bis auf den Umstand, dass das Publikum die Führer-Travestie zu genießen beginnt.
Susan Stroman, die das Stück schon für die Bühne eingerichtet und choreografiert hat, besinnt sich in ihrem Kinodebüt auf die Qualitäten großer Musicals, die ihre Ausstrahlung aus der perfekten Einheit von Tanz, Gesang und Handlung bezogen. So gerät die Step-Nummer „I Wanna be a Producer“ in Blooms kafkaeskem Büro zur großartigen Reminiszenz an glorreiche Musical-Revuen, das Finale zur „rosa“ gefärbten Hommage an Busby Berkeley und Blooms getanztes Duett mit der Schwedin („That Face“) zur Hommage an Fred Astaire und Ginger Rogers. Stromans Konzept geht auf, weil sie bei der bildhaften Umsetzung auf hektische Schnitte und den Tanz störende Großaufnahmen verzichtet, was der Eleganz der Bewegungen zugute kommt; allerdings überrascht insbesondere Uma Thurman, die ungeahnte tänzerische Fähigkeiten entwickelt. Selbst der makabre Gehgestell-Tanz der alten Damen gerät durch Stromans distanzierte optische Auflösung nicht zur Peinlichkeit. Trotzdem steht und fällt der Film mit seinen beiden Hauptdarstellern, die ihre Rollen am Broadway schon oft interpretiert haben. Über den Verve Nathan Lanes kann man nur staunen, während Matthew Broderick doch etwas eindimensional wirkt. Hätte Stroman freie Hand gehabt, wäre sie mit dem ungleich präsenteren und komischeren Bloom-Darsteller der Londoner Inszenierung, Lee Evans, sicher besser gefahren. Dafür entlockt sie Will Ferrell einige witzige Momente, die in der deutschen Synchronisation allerdings kaum transportiert werden. Immerhin bleiben der Hitler-Gruß der Brieftauben und der radebrechende Song „Haben Sie gehört das deutsche Band?“ im Gedächtnis. Die Lieder wurden dankenswerterweise im Original belassen, sodass sich mehr als nur ein Hauch vom Broadway entfaltet. Vielleicht begeistert „The Producers“ ja auch hierzulande das Publikum für Amerikas ureigenstes Genre.