Politthriller | USA 2005 | 128 Minuten

Regie: Stephen Gaghan

Der intelligent entwickelte Politthriller beschreibt ebenso minutiös wie verschachtelt die Strategien und das Tauziehen um die Erschließung neuer Ölfelder in Kasachstan und die Sicherung der Bohrrechte für einen US-amerikanischen Konzern. Dabei verdeutlicht er, wie die Rechtsstaatlichkeit der Mittel in der Öffentlichkeit scheinbar gewahrt bleibt, während im Hintergrund Agenten Fäden ziehen und zur Wahrung ihrer Interessen auch vor Mord nicht zurückschrecken. Kein eingängiger, aber ein höchst packender Film, dessen komplizierte Sachverhalte sich erst allmählich erschließen; fesselnd auch dank großartiger Schauspieler und der herausragenden Regie. - Sehenswert.
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Filmdaten

Originaltitel
SYRIANA
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Warner Bros./Section Eight
Regie
Stephen Gaghan
Buch
Stephen Gaghan
Kamera
Robert Elswit
Musik
Alexandre Desplat
Schnitt
Tim Squyres
Darsteller
George Clooney (Bob Barnes) · Matt Damon (Bryan Woodman) · Jeffrey Wright (Bennett Holiday) · Amanda Peet (Julie Woodman) · Chris Cooper (Jimmy Pope)
Länge
128 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert.
Genre
Politthriller
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit drei im Film nicht verwendeten Szenen (6 Min.). Die Special Edition (im Steelbook) enthält zudem ein 72-seitiges Booklet, das ursprünglich für die Presse herausgegebene Infos zum Film enthält (Presseheft).

Verleih DVD
Warner (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Der Film beginnt auf einem Ölfeld irgendwo im Persischen Golf mit Bildern geschundener Gastarbeiter. Und er endet in einer Einstellung, in der zwei von ihnen wiederkehren; diesmal auf einem kleinen Motorboot, das mit einer zur Bombe umgebauten Stinger-Rakete auf einen Öltanker zurast. Ähnlich wie Hany Abu-Assad in „Paradise Now“ (fd 37 247) zeichnet Drehbuchautor und Regisseur Stephen Gaghan in „Syriana“ zwei potentielle Selbstmordattentäter nicht als Inkarnationen des Bösen, sondern als sensible junge Männer auf dem Weg zu einer Verzweiflungstat. Ein brisanter, umstrittener Standpunkt, den Gaghan im Gegensatz als Abu-Assad nicht dadurch nachvollziehbar machen möchte, dass er sich den beiden Terroristen annähert, sondern indem er sie vielmehr in komplexe, globale politische Zusammenhänge einbettet. Das Zentrum des Filmgeschehens bildet ein Geflecht aus Korruption, Politik und Macht, wie es Gaghan in seinem „Oscar“-prämierten Drehbuch zu Steven Soderberghs „Traffic“ (fd 34 766) ganz ähnlich beschrieben hat. „Die Macht des Kartells“ wäre als Untertitel ohne weiteres auf „Syriana“ übertragbar. Statt der Drogenmafia nimmt Gaghan diesmal die Ölmafia ins Visier: „Die größte Sucht, unter der wir in unserem Land leiden, ist die Abhängigkeit vom billigen Öl aus dem Ausland. Unsere Macht basiert auf dieser quasi selbstverständlichen Verfügbarkeit des Öls.“ Gaghan richtet sein Hauptaugenmerk auf die Hintermänner in maßgeschneiderten Anzügen, die „Global Player“, ohne freilich deren Opfer, die bisweilen selbst zu Tätern werden, zu vergessen. Gastarbeiter, die für geringen Lohn auf Öl- und Erdgasfeldern schuften, werden entlassen und mit Abschiebung bedroht, weil der Thronfolger des herrschenden Emirs, Prinz Nasir, die Bohrrechte nicht mehr wie bisher dem US-amerikanischen Energiekonzern Connex, sondern den höher bietenden Chinesen zugesprochen hat. Als Ausgleich für den Verlust der Förderfelder am Golf versucht Connex die kleine texanische Ölfirma Killen zu übernehmen, die gerade lukrative Bohrrechte in Kasachstan erworben hat. Im Auftrag des Justizministeriums soll die Washingtoner Anwaltskanzlei Sloan Whiting die Übernahme kontrollieren. Von objektiver Kontrolle kann jedoch keine Rede sein. Der Anwalt Bennett Holiday füttert das Justizministerium mit exakt soviel belastendem Material über die Aktivitäten von Killen in Kasachstan, damit das Ministerium der Öffentlichkeit Rechtsstaatlichkeit vorgaukeln kann, der „Connex-Killen“-Deal aber nicht gefährdet ist. Holiday erweist sich als „Wolf im Schafspelz“, keineswegs unsympathisch, mit nachdenklichem, weichem Blick, zugleich aber rücksichtslos ehrgeizig und korrupt. Mit den simplen Kategorien „gut“ oder „böse“ wird man den wenigsten Figuren in Gaghans anspruchsvollem, vielschichtigem Szenario gerecht. Es sind keine Stereotypen, sondern Menschen wie Du und ich; letztlich, so suggeriert der Film, sind es wir selbst, die wir die Weltgesellschaft formen. Gleichzeitig aber eröffnet „Syriana“ dem einzelnen nur einen äußerst geringen Handlungsspielraum. Gaghan beschreibt einen erschreckenden Status Quo, ohne einen Ausweg parat zu halten. Einen Helden oder das Häuflein Aufrechter, das „Allein gegen die Mafia“ ankämpft, sucht man vergebens. Ganz auf eine Hoffnung verzichtet „Syriana“ dennoch nicht. In Person von Prinz Nasir nimmt sie Gestalt an. Alexander Siddig verleiht dem jungen, emanzipatorischen Thronfolger eine charismatische Aura, die ihn als arabisches Pendant von John F. Kennedy erscheinen lässt; zumindest des JFK, der im Kino zum Mythos eines unbeirrbaren, integren Erneuerers verklärt wurde. Nasir will die Demokratie, das Frauenwahlrecht und sein Land aus den Fesseln US-amerikanischer Geschäftsinteressen befreien. Genau das aber versuchen die mächtigen Männer Washingtons zu verhindern, die deshalb Nasirs weniger reformwilligen, jedoch US-treuen jüngeren Bruder an die Macht bringen wollen. Der CIA-Veteran Bob Barnes soll Nasir aus dem Weg räumen. George Clooney verkörpert den CIA-Agenten mit beeindruckender physischer Präsenz, die weniger darauf beruht, dass der Leinwandstar für diese Rolle mehr als 15 Kilo Speck angesetzt hat, als vielmehr auf Clooneys persönlicher Ausstrahlung und seiner enormen darstellerischen Wandlungsfähigkeit. Auch in Barnes kreuzen sich Gut und Böse, der unsichere Vater, der sich einen Schreibtischjob wünscht, um sich mehr um den eigenen Sohn kümmern zu können, und der loyale, staatliche Auftragskiller, der an seiner mörderischen Tätigkeit erst zu zweifeln beginnt, als der Anschlag auf Nasir scheitert und er als Bauernopfer herhalten muss. Auf der Basis der Memoiren des Ex-CIA-Agenten Robert Baer wirft Gaghan den Zuschauer mitten in eine komplizierte, verwickelte, unüberschaubare Welt, ohne ihm einen narrativen Kompass mitzugeben. Die erste Hälfte des Ensemblefilms ist man vor allem damit beschäftigt, sich irgendwie zurecht zu finden. Von Robert Elswit perfekt fotografiert, oft mit dynamischer, pseudojournalistischer Handkamera, rasant geschnitten und von packender Hintergrundmusik vorangetrieben, schlägt der erstklassig inszenierte Politthriller von Anfang an in Bann. Es dauert jedoch lange, bis man das, was einen fesselt, auch begreifen kann. Die erste Stunde steht unter dem Motto: „Der Film wäre sicher großartig, wenn ich nur verstünde, um was es darin geht.“ Eine sibyllinisch verwickelte, unvorhersehbar mäandrierende Dramaturgie hat erheblichen Anteil an dem Reiz, den das Genre des Politthrillers ausmacht. Trotzdem überspannt Gaghan auf den ersten Blick den Bogen. Denn mit dem bislang angedeuteten Erzählfächer begnügt er sich noch lange nicht: ein zentraler Erzählstrang handelt von dem jungen, sympathischen Analysten Bryan Woodman, der durch einen tragischen Unfall auf einem von Prinz Nasirs Familie ausgerichteten Fest seinen Sohn verliert und von Nasir daraufhin eine Stelle als persönlicher Berater angeboten bekommt; sehr zum Leidwesen seiner Frau. „Syriana“ ist kein eingängiger Film und keiner, der einen gleich wieder loslässt. Er gehört zu denjenigen Politthrillern, die man zum besseren Verständnis mehr als nur einmal sehen sollte, und bei denen sich das, dank großartiger Schauspieler, einer herausragenden Regie und eines hintersinnig verschachtelten Drehbuches, auch lohnt. Ein mutiger, ambitionierter Film. Ein großer Wurf!
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