Indien gegen Ende der Kolonialzeit: Ein elfjähriger Junge schindet sich für einen Hungerlohn in einer Teppichfabrik, wobei er in einem kleinen Mädchen die Liebe seines Lebens kennenlernt. Das Zusammentreffen bestimmt beider Leben in den nächsten Jahrzehnten, doch trotz wiederholter Gelegenheit ist ihnen kein gemeinsames Glück beschieden. Die linear erzählte, episch gedehnte Liebesgeschichte fasziniert durch betörende Bilder. Die historischen und sozialen Hintergründe werden dabei nicht problematisiert, sondern sind Kulisse eines exotischen Märchens über die gescheiterte Suche nach dem Glück und die Vergänglichkeit.
- Ab 16.
Schatten der Zeit
Liebesfilm | Deutschland 2004 | 111 Minuten
Regie: Florian Gallenberger
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2004
- Produktionsfirma
- Fanes Film/Diana-Film/CP Medien/Moondragon
- Regie
- Florian Gallenberger
- Buch
- Florian Gallenberger
- Kamera
- Jürgen Jürges
- Musik
- Gert Wilden jr.
- Schnitt
- Hansjörg Weissbrich
- Darsteller
- Tannishtha Chatterjee (Masha) · Prashanth Narayanan (Ravi) · Tillotama Shome (Deepa) · Irrfan Khan (Yani) · Tumpa Das (Masha als Kind)
- Länge
- 111 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Liebesfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Ravi, ein elfjähriger indischer Junge, arbeitet tagein tagaus für einen Hungerlohn in einer Teppichfabrik in der Nähe von Kalkutta. Er ist einer der Abkömmlinge kinderreicher Familien auf dem Lande, die von ihren Eltern an die Fabrikbesitzer verkauft wurden. Indien ist immer noch Teil des britischen Empire, die Unabhängigkeit steht kurz bevor. Ravi spart jede noch so kleine Münze, um sich aus der Fabrik frei kaufen zu können. Eines Tages taucht ein Mann aus der Provinz mit einem kleinen Mädchen auf. Masha weiß nicht, dass ihr Vater sie verkaufen wird – und Ravi ahnt noch nicht, dass die Liebe zu Mascha sein Leben über die nächsten Jahrzehnte bestimmen soll. Er hilft der Kleinen, sich in dem harten Alltag zurecht zu finden, verteidigt sie, und langsam kommen sich die beiden Heranwachsenden näher, verlieben sich ineinander. Als Ravi merkt, dass der Geschäftsführer Masha an einen pädophilen Kinderhändler verkaufen will, opfert er seine Ersparnisse und kauft das Mädchen frei – er selbst wird weitere Jahre in der Fabrik arbeiten müssen, bevor er frei kommt und sich auf die Suche nach Masha begeben kann. Sie hat ihm versprochen, an jedem Vollmond im Shiva-Tempel in Kalkutta auf ihn zu warten.
„Schatten der Zeit“ erzählt von einer romantischen Liebe, die nie ihre glückliche Erfüllung finden wird, obwohl das Schicksal Masha und Ravi immer wieder zusammen kommen lässt. Doch die Lebensumstände der beiden führen stets zur Trennung oder verhindern schlicht ein Wiedersehen – etwa wenn beide im Shiva-Tempel nur wenige Meter voneinander entfernt stehen und sich doch nicht sehen. Die Zeit vergeht: Masha ist eine bekannte Tänzerin, eine Hetäre im flirrenden Nachtleben Kalkuttas, geworden; er hat nach seinem Freikauf die patente Tochter seines Arbeitgebers, eines alten Teppichhändlers, geheiratet und mit seiner Frau das Geschäft weit über die Landesgrenzen hin ausgeweitet. Masha heiratet nach langem Zögern einen hohen Beamten des neuen indischen Handelsministeriums. Doch ein Zufall führt Masha und Ravi wieder zusammen.
Indien war immer eine beliebte exotische Projektionsfläche für ein deutsches Publikum, nicht nur durch die Romane von Hermann Hesse oder Waldemar Bonsels; auch der Film bot monumental-melodramatische Epen vor den (Studio-)Kulissen indischer Grabmäler und tropischer Vegetation an, etwa in den Filmen von Joe May oder Fritz Lang. Zu diesem Indienbild gehören auch die Filme des deutschen Regisseurs Franz Osten, wie „Light of Asia“ (1925) oder „ A Throw of Dice“ (1929), Melodramen, die, mit indischen Schauspielern besetzt und an Originalschauplätzen gedreht, exotische Opulenz und einen packenden Realismus vermitteln. Auch Florian Gallenbergers Debütfilm steht in dieser Tradition brillant inszenierter Emotionen, die vor exotischem Hintergrund beeindruckend authentisch bleiben. Gallenberger inszeniert eine komplexe, sich über Jahrzehnte hin erstreckende Geschichte linear, in überzeugenden, mitunter betörenden Bildern, auch dank der faszinierenden Leistung indischer Schauspieler und Laiendarsteller. Dabei ist „Schatten der Zeit“ kein sozialkritischer Film über Kinderarbeit in kolonialer Zeit, sondern ein üppiges Zeitbild, wie es manche Romane Victor Hugos vermitteln. Aber mehr noch als ein Bilderbogen historischer und sozialer Hintergründe ist dies ein Film über die Liebe, ein exotisches Märchen, die Geschichte vom sozialen Aufstieg, von verpassten Gelegenheiten und von der gescheiterten Suche nach dem Glück. Ein Film über die Vergänglichkeit und den schmerzhaften Lauf der Zeit, über das langsame, unabwendbare Verrinnen des Lebens und der Illusionen. Am Ende stehen sich Ravi und Masha als alte Menschen gegenüber und täuschen sich gegenseitig vor, sich nicht zu erkennen. In der Melancholie dieses Augenblicks wird deutlich, dass ihre nicht erfüllte Liebe vielleicht ihr einziger und wesentlicher Lebenssinn war.
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