Bittersüße Schokolade

Liebesfilm | Mexiko 1992 | Kino: 114 DVD (Warner): 108 BD: 106 (=DVD: 102; mexikanische Schnittfassung) Minuten

Regie: Alfonso Arau

In den 1910er-Jahren verliebt sich eine junge Mexikanerin, doch ihre standesstolze, strenge Mutter verbietet die Heirat, um eine Familientradition zu erfüllen. Um in ihrer Nähe sein zu können, heiratet der geliebte Mann ihre Schwester, und sie teilt ihm ihre Empfindungen mittels ihrer leidenschaftlich ausgeübten Kochkunst mit. Eine sich mit Höhen und Tiefen über 25 Jahre hinziehende Passionsgeschichte über Liebe und Rebellion, Lebens- und Liebesgenüsse; teils melodramatisch, teils skurril und voller Witz, verdichtet der Film die teils "unwirklichen" Ereignisse zu einer äußerst unterhaltsamen Legende im Stil des "poetischen Realismus". - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
COMO AGUA PARA CHOCOLATE
Produktionsland
Mexiko
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Miramax/Alfonso Arau International
Regie
Alfonso Arau
Buch
Laura Esquivel
Kamera
Emmanuel Lubezki · Steven Bernstein
Musik
Leo Brouwer
Schnitt
Carlos Bolado · Francisco Chiu
Darsteller
Lumi Cavazos (Tita) · Marco Leonardi (Pedro) · Regina Torne (Mama Elena) · Mario Ivan Martinez (John Brown) · Ada Carrasco (Nacha)
Länge
Kino: 114 DVD (Warner): 108 BD: 106 (=DVD: 102; mexikanische Schnittfassung) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Liebesfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
Warner (FF, DD2.0 span./dt.) Ascot (16:9, 1.78:1, DD5.1 span./dt.)
Verleih Blu-ray
Ascot (16:9, 1.78:1, dts-HDMA span./dt.)
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Diskussion
Der Originaltitel ist (wieder einmal) erkenntnisreicher als der blasse deutsche Filmtitel: In Mexiko, wo man heiße Schokolade nicht mit Milch, sondern mit Wasser zubereitet, ist der Ausspruch "Como Agua para Chocolate" (etwa: "Wie Wasser für Schokolade") ein geflügeltes Wort, das jemanden charakterisiert, der aufs Höchste erregt ist, nicht zuletzt auch in sexueller Hinsicht. Und genau diese beiden Bereiche einer lukullischen Passion - hier das gute Essen als alle Sinne fordernde Verfeinerung der bloßen Nahrungsaufnahme, dort die libidinöse Hingabe als ekstatischer Ausdruck höchster Liebe - sind die Themenkreise des Films, quasi als die verschiedenen Seiten ein und derselben Medaille. In einer langen Rückblende wird die sich über 25 Jahre hinziehende Passionsgeschichte einer verbotenen Liebe erzählt, die sich ihren verborgenen Weg sucht, um sich zu verwirklichen. Im Norden Mexikos, unmittelbar an der Grenze nach Texas, wird 1895 als drittes Kind eines reichen Farmers das Mädchen Tita geboren - auf dem Küchentisch, umgeben von der Wärme, dem Rauch und vor allem den Gerüchen der Küche, einem geradezu mythischen Ort, den die alte Köchin Nacha verwaltet. Der Duft frisch geschnittener Zwiebeln, das Aroma von Thymian, Lorbeer und Oleander, der Geruch von Nudelsuppe und frischer Milch, die noch auf dem Herd steht, all das umhüllt Tita schon als Säugling wie eine wärmende Decke. Die Köchin ist der gute Geist des Hauses, sie lehrt Tita nicht nur die Kunst des Kochens, sondern unterweist sie auch in deren mythischen Ursprüngen, darin, wie Körper und Seele durch die Essenszutaten, aber auch durch die Liebe zum Kochen zusammenfließen können. Dabei wird Nacha zur eigentlichen Mutter für Tita, denn ihre leibliche verschanzt sich hinter Strenge und Standesstolz und hat Tita eine geradezu tragische Rolle zugewiesen: da sie nach dem plötzlichen Tod des Vaters die Letztgeborene ist, muss sie unverheiratet bleiben und der Mutter bis zu deren Tod dienen. Doch als 15jährige verliebt sich Tita unsterblich in Pedro, der nicht minder leidenschaftlich um sie wirbt. Titas Mutter weist seinen Antrag zurück und bietet ihm stattdessen ihre älteste Tochter Rosaura an; Pedro willigt in den makabren Handel ein, aber nur, um auf diesem Wege in Titas Nähe bleiben zu können. Als Tita diesen Schachzug schließlich versteht, tut sie alles, um hinter dem Rücken der Mutter Pedro ihre Gefühle mitteilen zu können - vor allem eben über ihre Kochkünste. "Bittersüße Schokolade" ist die Geschichte einer allmählichen Emanzipation und Selbstverwirklichung, der ebenso späten wie schmerzhaften Rebellion einer liebenden jungen Frau gegen die starren Strukturen und Gesetze ihrer Familie. Anders als die Revolutionäre, die das Land in Unruhe stürzen, rebelliert Tita "nur" gegen private Repressionen - dabei stets voll von innerem Schmerz, da sie gegen die eigene Mutter und damit einen prägenden Teil ihres Lebens und ihrer Liebe angehen muss. Entsprechend "subversiv" sind ihre Methoden: die Kochkunst wird nicht nur zum Ausdruck leidenschaftlicher Liebe, sondern auch zur Form des heimlichen Widerstands. Um all dies in den viele Jahre Zeit einnehmenden Verwicklungen um Tita und Pedro zu illustrieren, schafft sich der Film einen eigenen erzählerischen Kosmos, dessen Logik nicht die der Vernunft ist, vielmehr (im wahren Sinne des Wortes) gespeist wird von jener eigenwilligen lateinamerikanischen Poesie, die die Grenzen zwischen "Realität" und Fiktion verwischt und Träumen, Mythen, Erinnerungen, tiefen und leidenschaftlichen Empfindungen einen nicht minder realen Stellenwert einräumt. Skurril, voller Witz und Slapstick, dann wieder düster und melodramatisch erzählt der Film mehr als nur von Liebe und Revolution, sondern von Dingen mythischen Ausmaßes, wobei selbst Wunder als "real" bebilderte Selbstverständlichkeiten einfließen. Auch die Gefühle sind entsprechend groß und erfahren eine lustvolle Veräußerlichung: Wenn Titas Tränen der Trauer in den Teig für den Hochzeitskuchen ihrer Schwester Rasaura tropfen, dann werden die Hochzeitsgäste regelrecht von einer immensen Depression infiziert. Und wenn Titas Rezept "Wachteln in Rosenblättern", das sie dem Geliebten zubereitet ("Sie drang ein in Pedros Körper, warm, sinnlich, vollkommen...") alle, die davon essen, in Verwirrung, Erregung und Ekstase versetzt, dann dampfen ihre Körper tatsächlich, und Titas mittlere Schwester Gertrudis entledigt sich gar ihrer Kleider, setzt mit ihrer begehrenden Hitze die hölzerne Duschkabine in Brand und lockt einen verliebten Revolutionär an, der wegen des Rosenduftes das Schlachtfeld verließ. Melodram und Posse, Tragödie und Komödie - solche und ähnliche Kategorien sind letztlich hinfällig angesichts der mühelosen Leichtigkeit, mit der der Film alle kategorischen Grenzen niederreißt - zugunsten eines überbordenden filmischen Schau-Spiels, das stimmungsvolle Bilder und Töne voller Wärme und Leidenschaft findet und damit jederzeit außergewöhnlich gut unterhält. Wer die Bilder freilich als "realistisch" missversteht, der bringt sich um den eigentlichen Genuss des Films, der in seiner fabulierfreudigen Stilisierung eine fast abstrakte Ebene erreicht, auf der alles zum Mythos und zur Legende wird. Die individuellen Charaktere stehen nicht nur für sich selbst, sondern versinnbildlichen stets auch die übergroßen Topoi eines typisch südamerikanischen Passionsspiels um Liebe und Befreiung, dessen Kompositionskunst man in der Literatur nahezu aller berühmten Autoren von Alejo Carpentier bis García Márquez, von Borges und Cortazar bis zu Vargas Llosa findet. Wer für diese Literatur des spezifischen "poetischen Realismus" keine "Antenne" hat, der wird manche Szene in "Bittersüße Schokolade", als albern, kitschig, vielleicht auch als unbelehrbar naiv im Umgang mit Geschichte und Geschichten abtun - zwangsläufig aber auch die Magie dieses Filmes übersehen, seinen Einfallsreichtum und seine extrovertierte Sinnlichkeit. Aber wie heißt es an einer Stelle? "Nur die Kochtöpfe wissen, wie heiß ihr Inhalt ist... "
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