Die unbarmherzigen Schwestern

Drama | Großbritannien 2002 | 119 Minuten

Regie: Peter Mullan

Vier junge irische Frauen werden in den 1960er-Jahren wegen geringfügiger Vergehen, die die Sexualmoral der Verwandten zu beschmutzen drohen, in ein von Magdalenen-Schwestern geführtes Erziehungsheim gesteckt. Jahrelang müssen sie dort unter großen seelischen und körperlichen Qualen in einer Wäscherei schuften. Nur die wenigsten überstehen dies ohne bleibende Schäden. Eine nach authentischen Zuständen erzählte Geschichte, die schlüssig und erschütternd aus der Perspektive der gefangenen Mädchen entwickelt wird. Das meisterhaft inszenierte, virtuos gespielte Drama beschreibt die seelischen Folgen einer pervertierten Moral und nennt die Protagonisten von Unterdrückung und Bigotterie beim Namen. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE MAGDALENE SISTERS
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2002
Produktionsfirma
PFP Films
Regie
Peter Mullan
Buch
Peter Mullan
Kamera
Nigel Willoughby
Musik
Craig Armstrong
Schnitt
Colin Monie
Darsteller
Geraldine McEwan (Schwester Bridget) · Eileen Walsh (Crispina) · Nora-Jane Noone (Bernadette) · Anne-Marie Duff (Margaret) · Dorothy Duffy (Patricia/Rose)
Länge
119 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Concorde (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt., DTS dt.)
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Diskussion

Rose (Dorothy Duff) hat ein uneheliches Kind zur Welt gebracht, ebenso wie Crispina (Eileen Walsh). Beiden werden die Kinder sogleich nach der Geburt abgenommen. Margaret (Anne Marie-Duff) ist von ihrem Cousin sexuell belästigt worden, und Bernadette (Nora-Jane Nonne) sieht einfach nur zu gut aus, als dass sie ein tugendhaftes Mädchen sein könnte. Die vier jungen Frauen leben im Irland der 1960er-Jahre, und da Irland als das Süditalien Westeuropas ist, gelten ihre Erlebnisse, ob sie selbst daran schuld sind oder nicht, als besonders schlimme Vergehen. So wie alles, was mit Sexualität zu tun hat.

Ein Gefängnis für Frauen

In einer der ersten Szenen bildet Regisseur Peter Mullan das gesellschaftliche Netz, das sich um die Mädchen zusammenzieht, auf meisterhafte Weise ab. Auf einem Hochzeitsfest wird getanzt, geschaut und getuschelt. Viele Minuten lang ist angesichts der folkloristischen Tanzmusik kein einziges Wort zu verstehen. Währenddessen fixieren immer mehr Gäste Margaret, mit spürbarer Abscheu im Blick. Auf diesem Fest beginnt ihr Weg in ein viele Jahre loderndes Fegefeuer, denn hier beschließen ihre Angehörigen, die gefallene Tochter abzuschieben.

Genauso verfahren auch die Verwandten der anderen Mädchen. Praktischerweise steht für derartige Fälle weit außerhalb des Ortes der Orden der Magdalenen-Schwestern zu Verfügung, der eine Art Erziehungsheim für angeblich sündhafte Frauen betreibt. Nach außen hin eine Wäscherei, die nach marktwirtschaftlichen Regeln funktioniert, ist das Heim tatsächlich ein veritables Frauengefängnis, in dem nach allen Regeln der Kunst erniedrigt, bestraft und ausgebeutet wird.

Täter und Umstände beim Namen nennen

Mullan lässt gleich zu Beginn des Films keinen Zweifel daran, dass die kirchliche Institution des Magdalenen-Ordens von einer rigide-prüden Gesellschaft für ihre Zwecke instrumentalisiert wird. Als wollten sich die Familien Irlands gegenseitig in ihrer Tugendhaftigkeit übertreffen, trennen sie sich eilig von allem, was auch nur den Verdacht von moralischer Verwerfung wecken könnte, auch von den eigenen Töchtern. Wie befleckt ihre weißen Westen in Wahrheit sein konnten, zeigte Sam Mendes schon in „Road to Perdition“ (2002) über eine vom organisierten Verbrechen beherrschte irische Gemeinschaft in der Neuen Welt.

Umgekehrt ist der Einfluss des Katholizismus auf diese Gesellschaft nicht zu unterschätzen. Die Diskussion, welche Seite die andere stärker beeinflusst, führt Mullan nicht aus. Schon allein deshalb, weil er diesen Zusammenhang immerhin andeutet und damit der Kirche als solcher nicht die Schuld allein aufbürdet, ist der Skandal um den Film, den der Vatikan nach dem Gewinn des „Goldenen Löwen“ 2002 in Venedig entfacht hat, nur schwer zu verstehen. Oft genug hatte man Filme über die beklemmenden Zustände in religiös-restriktiven Gesellschaften gesehen. Vielleicht wurde darin die Kirche allgemeiner angesprochen. Jetzt, da die Protagonisten von Unterdrückung und Bigotterie beim Namen genannt werden, ist der Teufel los. Dabei war es höchste Zeit, denn die Wäschereien der Magdalenen-Schwestern existierten bis in die 1990er-Jahre, und das nicht nur in Irland und Großbritannien, sondern auch in Australien.

Fundamentalistische Missdeutung von Moral

Die Zustände, die Mullan beschreibt, weisen auf eine Missdeutung des Begriffs der Moral hin, der alle restriktiven Gesellschaften kennzeichnet, vergangene wie gegenwärtige: eine Art Fundamentalismus, der sich im Grunde gegen alles Individuelle und alles Fortschrittliche richtet. Auf der Seite der Magdalenen-Schwestern fördert dieses System alle schlechten Charaktereigenschaften des Menschen zutage, von Machtmissbrauch über Sadismus bis zu reiner Geldgier. Die Strafen für geringste Vergehen der Frauen sind willkürlich und hart, die lustvolle Erniedrigung ist erschreckend, etwa, als sich die Mädchen nackt aufreihen und die Vor- und Nachteile ihrer Körper miteinander vergleichen müssen. Die Äbtissin liebt es ihrerseits, die Einnahmen aus der Wäscherei zu zählen und in Blechdosen zu verpacken.

So wie jedes filmische Pamphlet ist auch „Die unbarmherzigen Schwestern“ eine subjektiv gefärbte Schwarz-Weiß-Malerei. Aber es hätte wenig Sinn gemacht, positive Gegenbeispiele vorzuführen. Hierfür sind andere Filme zuständig, etwa „Die Glocken von St. Marien“, den die Heiminsassen vorgeführt bekommen, sehr zum Gefallen der Äbtissin, die sich von der rührigen Ingrid Bergman trefflich dargestellt fühlt. Unbeirrt beschreitet Mullan, der vor allem als Schauspieler in Ken Loachs „My Name is Joe“ bekannt wurde und auch hier eine kleine Rolle spielt, seinen Weg der radikalen Kritik an den Heimen.

Internalisierte Ohnmacht

Die filmische Brillanz und die Geschlossenheit von „Die unbarmherzigen Schwestern“ sind beeindruckend: die düstere, fast monochrome Farbgebung, die knappen Dialoge, die Leistung der Schauspieler. Der nach „Orphans“ (1998) zweite Film von Mullan beschränkt sich auf die Perspektive der vier Mädchen, die in der Gefangenschaft zusammenfinden. Allerdings fördert die Unterdrückung auch unter ihnen gegenseitiges Misstrauen, sodass die Einsamkeit im gemeinsamen Schlafsaal enorm ist. Zudem glauben die meisten der Mädchen an das Wertesystem, das sie misshandelt, was das Gefühl der Ohnmacht noch vergrößert. Dieses Gefühl spürbar zu machen, ist ein Hauptverdienst des Films. Es ist eine Ohnmacht nicht nur vor der kirchlichen Institution, sondern auch vor der Gesellschaft, die diese nach Gutdünken handeln lässt.

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