Es ist das Wissen um die Ausweglosigkeit, schon bald keine Kraft mehr zu haben, das einen Menschen verzweifeln lässt: über Jahre hinweg hat Letitia ausgehalten und die drohende Exekution ihres Ehemanns Lawrence nicht wahr haben wollen. Trotz der Gewissheit ist der „Tag danach“ schneller vergangen als es die schlanke Frau verkraften kann. Sie klammert sich an die Flasche und prügelt auf ihren Sohn ein, der während der Jahre, in denen sein Vater in der Todeszelle saß, aus dem Strampelanzug heraus und zum unförmigen Fleischkloß herangewachsen ist. Unvorhersehbare Ereignisse aber sind es, die einen Menschen zusammen brechen lassen. Nicht nur die Hoffnung stirbt in Letitia, als sie ihren schwerverletzten Sohn in den Armen hält, der in einer regennassen Nacht von einem Auto angefahren wurde, weil sie weiß, dass hier im amerikanischen Bundesstaat Georgia nie ein Weißer anhalten wird, um einen Schwarzen ins Krankenhaus zu fahren. Der Weiße, der dann hielt und seine Hilfe anbot, konnte zwar nicht das Leben des Jungen retten, wohl aber das von Letitia. Hank ist kein redseliger Mann, aber verständnisvoll; und er weiß mit einer Frau umzugehen, die vom Leben nichts mehr erwartet. Hank hat sich gerade eine Tankstelle gekauft und seinen alten Vater, nicht zuletzt wegen einer rassistischen Beleidigung Letitias, ins Altersheim gesteckt. Letitia spürt seit langem wieder so etwas wie Liebe und spielt mit dem Gedanken, zu Hank in dessen nun leeres Elternhaus zu ziehen. Über Hank und seine Vergangenheit weiß sie nicht viel, will vielleicht auch nichts wissen, wird aber bald alles erfahren. Hank macht nicht viel Aufhebens um sich. Er ist ruhig, traditionsbewusst und akzeptiert die Dinge, wie sie sind. Er ist stolz auf seine Heimat. Den Rassismus seines Vaters hat er tief verinnerlicht. Bevor er die Tankstelle gekauft und mit seinem Vater gebrochen hatte, war er Leiter des Todestraktes im örtlichen Staatsgefängnis. Mit nahezu mechanischer Selbstverständlichkeit und ohne Skrupel schnallte er Letitias Mann auf dem Elektrischen Stuhl fest. Dass er seinen rebellischen, „verweichlichten“ Sohn, der bei der Exekution erstmals assisierte, damit in den Tod trieb, wird zur Triebfeder einer stillen Wandlung. „Monster’s Ball“ ist ein mutiger, außergewöhnlicher Film. Er bezieht Stellung gegen den latenten Rassismus in einem Land, dass sich gerne als Wiege der modernen Demokratie sieht. Es gibt Szenen, deren Hässlichkeit durch keine humoristischen Einlagen gebrochen oder konterkariert werden. Regisseur Mark Forster stellt zwei Menschen in den Mittelpunkt, die alles andere als sympathisch sind, wohl aber tiefes Mitleid erregen. „Monster’s Ball“ zeigt sie in Extremsituation und ist nicht bereit, mit einem kathartischen Happy End die mit lakonischer Strenge skizzierte Unerbittlichkeit aufzuheben. Niemand kann sagen, was aus Hank und Letitia wird und wessen Vergangenheit destruktivere Spuren in der neuen Beziehung hinterlassen wird. In Hollywood fiel dieser kleine, spröde Independent- Film auf fruchtbaren Boden. Halle Berry bekam nach dem „Silbernen Bären“ der „Berlinale“ für ihre Selbstaufgabe in der Rolle der Letitia den „Oscar“ – der erste „Oscar“ für eine schwarze Hauptdarstellerin. Doch so gut die Darsteller (allen voran der bei den „Oscars“ übergangene Billy Bob Thornton) auch agieren, so gut die Kamera das lastende Südstaatendrama auch einfängt: alle Zweifel an „Monster’s Ball werden dadurch nicht ausgeräumt. Berry ist sicher beeindruckend, aber keine begnadete Schauspielerin. In die nicht enden wollende Anspannung, die sie im Film über weite Strecken verinnerlicht, mischt sich immer auch ein Ausdruck von Unsicherheit. Der großen Gefahr, mimisch über das Ziel hinauszuschießen, erliegt sie mitunter, auch in der zentralen „Verzweiflungssequenz“, bevor sich Letitia das erste Mal Hank hingibt. Gäbe es nicht das Regulativ der stoischen und unergründlichen Tiefe Billy Bob Thorntons, hätte der Film viel von seinem Geheimnis und seiner Aura eingebüßt. Problematisch bleiben auch die Motivation der überraschenden Beziehung und die Gründe der inneren Wandlung beider vom Leben geschlagenen Protagonisten. Ist der Selbstmord seines Sohnes wirklich ein plausibler „turning point“, wenn Hank „den Versager“ noch während der Beerdigung abgrundtief zu hassen scheint? Kann sich ein Mensch, der sein Leben lang die Verachtung einer „minderwertigen Rasse“ verinnerlichte, davon jemals befreien? Und kann eine farbige Frau Liebe für einen Weißen empfinden, der bis vor kurzem auf Menschen ihrer Hautfarbe sogar die Waffe richtete? Gäbe es die letzte, abgründige Einstellung in „Monster’s Ball“ nicht, würde die tönerne Beziehungskonstruktion den Film scheitern lassen. Doch Forster wählt den einzig möglichen Schluss für dieses Drama: ein Fragezeichen, das den Film weit über seine Laufzeit im Kino hinaus verlängert.