Zuletzt schien es, als wären die klassischen Gangster ausgestorben. Hinter den Schurken, die gleich die ganze Welt beherrschen wollten, den im Dutzend auftretenden Serienkillern, hinter korrupten Polizisten, aber auch den Mafiosi mit Psycho-Problemen und liebenswerten Killern verschwanden die Verbrecher alten Schlages fast völlig aus dem Kino. Kaum noch einer, der einfach nur Kohle machen wollte oder der vom großen Coup träumte, ohne ein Komödientrottel oder ein Psychopath zu sein. Einst gab es sie zuhauf, die charmanten Räuber und sympathischen Gangster, die professionell und lässig zugleich waren. Gewalt hatten sie kaum nötig und auf Frauen wirkten sie verführerisch – beides aus dem gleichen Grund: weil sie eine rebellische Überlegenheit gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft verkörperten, die sie beraubten. Zu ihren Taten gehörte fast immer der Wettkampf mit dem System, etwas Spielerisches, ein aristokratischer Sportsgeist, der auch von einem Ehrenkodex begleitet war, einem Bewusstsein der eigenen Grenzen.
Vielleicht ist es ja tatsächlich so, das diese Vorstellung nur Kino- und Romanmythen sind, die in den letzten zwei Jahrzehnten so gründlich dekonstruiert wurden und darum mit jener Gesellschaft verschwinden mussten, der sie entstammen. Wenn dies zutrifft, wäre „The Score“ von Frank Oz vor allem ein nostalgischer Film. Denn unverhohlen feiert er die alten Mythen, bedient die Erinnerungen an eine Zeit, als es noch „gute Gangster“ gab, als Professionalität noch geschätzt wurde. Gleich zu Beginn wird Nick Wells als ein Safeknacker vorgestellt, der sein Handwerk versteht. Zunächst sieht man, wie er sich voller Präzision an einem Geldschrank zu schaffen macht. Als er gestört wird, lernt man in diesem Fachmann zugleich den Improvisationskünstler kennen. Konsequent und kühl erledigt er den Job, klar und cool setzt Howard Shores Musik ein – elegante jazzige Töne, die den Helden auf seinem Heimweg begleiten; man befindet sich im kanadischen Montreal. Indem diese Exposition so deutlich auf die Starpower Robert De Niros setzt, seine Ausstrahlung durch die Inszenierung noch steigert, ist klar, dass man zumindest in einem Punkt vor Überraschungen gefeit ist: man kennt den „good guy“. Trotz aller Nostalgie bleibt er, der sich als Nachtklubbesitzer tarnt, und davon träumt, seine kriminelle Laufbahn zu beenden, ein Gangster alten Schlages. Wer ihm Probleme macht, dem schickt er einen Kerl mit dem Baseballschläger ins Haus – auch hier überwiegen traditionelle Methoden. Oz inszeniert solche und andere Momente erstaunlich schonend; „The Score“ ist ein recht gewaltfreier Film. Auch der Humor bleibt gedämpft, dient kaum dazu, vom Ernst des Geschehens abzulenken.
Der gesamte Film dreht sich eigentlich nur um eines: ein altes französisches Königsszepter soll aus einem Hochsicherheitstrakt gestohlen werden. Dazu muss Wells sich mit dem jungen, etwas zwielichtigen Jackie Teller zusammentun, womit er zwei seiner ehernen Regeln verletzt: immer allein zu arbeiten, und nie in der Stadt, in der er lebt. Vor allem das Machtspiel zwischen dem Älteren und dem Jungen, der Kampf Tellers um Anerkennung und Gleichberechtigung, und Wells Versuche, sich als der Erfahrenere zu behaupten, prägen den Film. Der alte Vater-Sohn-Konflikt, hier einmal im Gangstermilieu. Robert De Niro und Edward Norton, die hier auch ein bisschen ihre eigenen Film-Images pflegen dürfen, bietet dieser Plot viele Möglichkeiten. Während De Niro vor allem Bekanntes auf hohem Niveau abliefert, überrascht Norton ein weiteres Mal mit brillanten Momenten, mit sekundenschnellen Stimmungswechseln, nicht nur dort, wo er sich in der Rolle des Gangsters als Spastiker verstellt, sondern auch als latent hysterischer New-Economy-Krimineller, der seine Taten am liebsten vom Laptop aus erledigt. Die eher kurzen Auftritte von Marlon Brando (als alter Auftraggeber von Wells) und Angela Bassett (als seine Geliebte) bleiben angesichts der Leistung von De Niro/Norton auffallend blass. Vor allem Brandos Part wirkt kaum mehr als ein Cameo, eine augenzwinkende Erinnerung. Auch die Story selbst verspricht mehr, als sie hält: Indem „The Score“ die Mühen der Gangsterarbeit betont, und damit gegenüber vielen anderen Filmen realistisch bleibt, dauert alles auch etwas lang. Wie sein Held hat der Film die Ruhe weg, bleibt immer cool und groovy. So fehlt die Spannung, denn allzu vorhersehbar sind die Überraschungen und Täuschungsmanöver am Ende, die Erinnerung, dass Verbrechen keine Freundschaft verträgt. Hier bricht „The Score“ ein wenig mit den Männermythen anderer Filme. Ansonsten konzentriert sich das Vergnügen auf das Lob der kleinen Dinge, das dieser Film enthält, seine genauen Beobachtungen, die auch die Mechanik des Gangsterhandwerks mit einschließen. Man freut sich an einer Atmosphäre aus einem Guss, deren Bruchlosigkeit durch Shores Musik und Rob Hahns flüssig-sanfte Kamera noch verstärkt wird. Und man genießt das Easy Going de Niros, in dem der Film den Sieg des Mechanikers und seines Werkzeugkastens über den Computerfreak und die Überwachungskameras feiert, der Old Economy über die New Economy. Darin mag man sogar etwas Zeitgemäßes entdecken. Ansonsten ist „The Score“ tatsächlich schöne Nostalgie.