Fünf jüdische Überlebende des Holocausts aus einer polnischen Kleinstadt berichten von ihrem Leben, das unter recht normalen Vorzeichen begann, sich jedoch unter der Bürde eines latenten Antisemitismus entwickeln musste. Ohne die erschütternden Bilder der Vernichtungslager einzubeziehen, legt der Film Zeugnis vom jüdischen Leben im 20. Jahrhundert ab und überzeugt durch seine klare, lineare Struktur. Den Protagonisten ist es zu verdanken, dass der Film nicht von Bitterkeit geprägt ist, sondern dass in die Erinnerungen an vergangenes Leid auch der Wunsch nach Versöhnung einfließt.
- Ab 16.
"... Verzeihung, ich lebe"
- | Deutschland/Polen 2000 | 81 Minuten
Regie: Andrzej Klamt
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Filmdaten
- Originaltitel
- PRZESRASZAM, ZE ZYJE
- Produktionsland
- Deutschland/Polen
- Produktionsjahr
- 2000
- Produktionsfirma
- halbtotal filmproduktion/HR/Appel Film/Ulrich Rydzewskis Filmproduktion/Canal+ Polska
- Regie
- Andrzej Klamt
- Buch
- Andrzej Klamt · Marek Pelc
- Kamera
- Vladimir Majdandzic
- Musik
- Ulrich Rydzewski
- Schnitt
- Zygmunt Dus · Ewa Dus
Diskussion
Adam Naparstek-Naor, Abraham Dafner, Ada Nojfeld, Fela und Eli Broder - Namen, die keine Geschichte geschrieben haben, Menschen indes, die Geschichte erleiden mussten. Es sind polnische Juden aus der oberschlesischen Bergwerkstadt Bedzin, die den „Planet Auschwitz“ mit knapper Not überlebten und die rückblicken können auf eine Zeit des unbeschreibbaren Schreckens.Am Anfang steht ein Gruppenfoto aus den 20er-, 30er-Jahren: Schüler des jüdischen Fürstenberg-Gymnasiums in Bedzin. Adam, den man erst später sieht, erinnert sich. Er erinnert an die Toten, Erschlagenen, Verschleppten, Erschossenen, die einst seine Kameraden und Mitschülerinnen waren; führt quasi durch die Dokumentation der Autoren Klamt und Pelc, die mit keinen (Horror-)Bildern aus den Lagern aufwartet, sondern Erinnerungsarbeit im besten Sinne leistet. Erinnerungen an eine unbeschwerte Kindheit, an jüdisches Leben, Erinnerungen auch an erste Irritationen, als die früh aufgeklärte Ada dem polnischen katholischen Freund Jurek erklärt, „wie Kinder gemacht werden“, und der diesen Akt zwar Juden zutraut, aber für unter der Würde von Katholiken hält. Erinnerungen an den Aberglauben, dass die Juden zur Osterzeit katholischen Mädchen Blut abzapfen würden, um es ins Brot einzubacken. Erinnerungen an einen latenten Antisemitismus, der zwar ein Zusammenleben erlaubte, diesem jedoch enge Grenzen setzte. Dann das Münchner Abkommen, der deutsche Überfall auf Polen, die Ghettos, die Verschleppungen, die Vernichtungslager. Und in den Köpfen der Opfer noch immer die Vorstellung, dass alles gut wird, weil auch die Deutschen doch normale Menschen seien. Schließlich die Befreiung durch die Amerikaner und nach der Rückkehr die Erkenntnis, dass in Bedzin weiterhin ein antijüdischer Geist herrscht. Dann die Übersiedlung nach Israel, wo man zunächst von den Gräueltaten lange nichts wissen will. Erst mit dem Eichmann-Prozess setzt Gesprächs- und Zuhör-Bereitschaft ein. Die Opfer sind zunächst aber allein, gefangen in ihrem eigenen „Planeten“.Eine überzeugender Film zweier polnischer Dokumentaristen, der sich durch seine Zurückhaltung auszeichnet und nicht dem Schrecken ein Gesicht verleiht, sondern der Erinnerung, der man nicht entkommen kann, in die sich jedoch nicht nur das Entsetzen eingeschrieben hat, sondern die auch der schönen Zeiten gedenken. Die Zeitzeugen können und wollen natürlich nicht vergessen, sind jedoch durchaus zur Versöhnung bereit und nehmen eine äußerst differenzierte Haltung gegenüber ihrer (Leidens-)Geschichte ein - auch das streitbare Ehepaar Broder, das einander ins Wort fällt, von denen es der Eine immer besser wissen will als der Andere. Auch sie haben überlebt, allerdings nicht in Deutschland: Ihnen gelang die Flucht in die Sowjetunion, sie überlebten in einem stalinistischen Internierungslager.Als Grundlage des Films, der immer wieder die Hoffnung auf ein normales Leben thematisiert, dienten 2400 private Fotografien aus der Sammlung des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, die in dreijähriger Erschließungsarbeit gesichtet und ausgewertet wurden und die in ihrer Normalität keinen anderen Schluss zulassen, als dass sich die Porträtierten nichts sehnlicher wünschten, als an einem normalen Leben teil zu nehmen. Eine ungeheuerliche geschichtliche Entwicklung hat diesen prinzipiell so bescheidenen Traum zunichte gemacht. Mit „’...Verzeihung, ich lebe!’“ wird eine weitere Erinnerungsarbeit hinterlassen, deren Bedeutung jetzt noch häufig übersehen wird. Schließlich sind auch die Menschen, die den Holocaust als Kinder er- und überlebten in die Jahre gekommen, und irgendwann wird niemand mehr sein, der Zeugnis ablegen kann - alle, die schon jetzt nichts mehr davon hören wollen, werden dann ihre Ruhe haben
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