Der Prinz von Ägypten

Animation | USA 1997/98 | 99 Minuten

Regie: Brenda Chapman

Aus der Beziehung zu seinem ägyptischen Stiefbruder Ramses, dem Sohn des Pharaos, entwickelt Moses sein Aufbegehren gegenüber der Unterdrückung des Volkes Israel. Eine abgesehen von dieser Hinzufügung überwiegend bibeltreue Aufbereitung des Moses-Stoffes als ein auf visueller und thematischer Ebene gleichermaßen ambitionierter Animationsfilm. Zwar fehlt es ihm gelegentlich an Charme und formaler Innovationsfreude, dennoch fesselt er als spektakuläre Fabel, die in Ansätzen auch Themen wie Freundschaft und Brüderlichkeit, Selbstfindung und Selbstbehauptung im Dienst eines höheren Auftrages einbezieht und damit die implizite religiöse Dimension der Geschichte seriös und nachvollziehbar vermittelt. (Kinotipp der katholischen Filmkritik) - Sehenswert ab 10.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
PRINCE OF EGYPT
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1997/98
Produktionsfirma
DreamWorks
Regie
Brenda Chapman · Steve Hickner · Simon Wells
Musik
Hans Zimmer · Stephen Schwartz
Schnitt
Nick Fletcher
Länge
99 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 10.
Genre
Animation | Bibelfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die umfangreichen Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar der Regisseure sowie einen Soryboard/Film-Vergleich. Als US-Import ist zusätzlich eine DTS-Version erhältlich.

Verleih DVD
Universal (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
DVD kaufen

Diskussion
Wer die Bibel verfilmt, greift gern zu Superlativen. Cecil B. DeMille, der die Moses-Geschichte gleich zweimal zur Vorlage wählte, war nicht nur ein Pionier des Monumentalfilms. Lange bevor er 1923 „Die Zehn Gebote“ drehte, hatte er mit dem Produzenten Jesse Lasky die heutige Film-Publicity begründet. Auch später vergaß er nie zu erwähnen, was etwas gekostet habe oder wieviele Statisten für eine Szene aufgeboten worden seien. Damals wie heute steht und fällt ein „Moses“-Film mit der Teilung des Roten Meeres, und auch wenn man für diesen „Prinz von Ägypten“ kein Statistenheer mehr unter Wasser setzen, ja dank digitaler Technik nicht einmal mehr eine Wagenladung Bleistifte verbrauchen mußte, spart die Werbung nicht mit Superlativen. Nur die Maßeinheit ist eine andere: „318 Stunden Rechnerzeit“ habe die Teilung des Roten Meeres gekostet. Es entbehrt nicht der Ironie, daß es diesmal nicht deren naturalistische Simulation war, die so viel Bits und Bytes verschlang, sondern die Vortäuschung von etwas ganz anderem: Der Computer-Effekt-Künstler Henry LaBounta hatte gerade erst Jan de Bonts „Twister“ (fd 32 099) Leben eingehaucht, als er entdecken mußte, daß man sehr schnell die Größe der Wassermassen simulieren konnte, ungleich schwerer freilich „handgezeichnete Animationen“. Dabei ist es längst obsolet, eine Trennlinie zwischen einem reinen Computerfilm wie „Antz“ (fd 33 404) und dem klassischen Zeichentrick zu ziehen, der längst von der Zeit überholt wurde. Auch die Zehn Gebote würden heute schließlich nicht mehr in Stein gemeißelt.

Doch wenn Moses die Gesetzestafeln in Händen hält, ist „Der Prinz von Ägypten“ bereits zu Ende. Das gelobte Land muß auch nicht mehr erreicht werden, um die Lesart zu verstehen: Pünktlich zum Jubiläum der israelischen Staatsgründung legt dieser Film das Augenmerk auf den politischen Aspekt – auf jene Zeile im Spiritual „Go down Moses“, die da lautete: „Let my people go“. Wie schon bei DeMille ist Moses damit in erster Linie als Freiheitsheld charakterisiert. Hauptschauplatz ist auch nicht die Wüste, sondern Ägypten, wo er, als Baby im Binsenkorb aufgefunden, von einem Pharao adoptiert wird, in Wohlstand und Bildung aufwächst, seine Frau Zippora kennenlernt, um sich dann auf die Seite des eigenen versklavten Volkes zu schlagen und seinem Aufbegehren mit den von Gott entsendeten Plagen Nachdruck zu verleihen. Nur am Rande lernt man dabei Bruder Aaron kennen, dessen Beziehung zu Moses Arnold Schönberg immerhin eine ganze Oper wert war. Dafür etabliert der Film eine zweite Hauptfigur, die nicht in der Bibel steht, in Gestalt von Moses’ Stiefbruder Ramses, dem leiblichen Sohn des Pharao. Ein klassischer Bruderkonflikt wird damit zum Aufhänger der Geschichte, wie schon bei „Der König der Löwen“ (fd 31 054). Und noch ein anderes Vorbild scheint in dieser ungleichen Freundschaft naheliegend, dem nicht zuletzt DeMilles Moses-Darsteller Charlton Heston seine nachhaltigste Verkörperung bescherte: „Ben Hur“ (fd 9 589). So ist „Der Prinz von Ägypten“ vor allem eine klassische Rekapitulation erfolgsbewährter Handlungsmuster. Diese Strategie ist so durchschaubar wie nachvollziehbar, aber eine nicht unwichtige Zutat für einen erfolgreichen Trickfilm ist in der Kühle der Überlegungen unter den Tisch gefallen: Diesem Film fehlt es schlicht und einfach an Charme. Vielleicht hätte es der Seriösität des Anspruchs widersprochen, in einem Film über Moses einige niedliche Tiere auftreten zu lassen, doch dann hätte man sich immer noch lieber für Noah und seine Arche entscheiden können. Es macht zweifellos Vergnügen, in dieses in warmen, erdigen Farben auferstandene alte Ägypten abzutauchen, und doch gibt es die Pyramiden inzwischen ja auch als CD-Rom-Simulationen für den Schulgebrauch. Wer möchte wirklich 140.000 computeranimierte Figuren am Fuß des Berges Sinai jubeln sehen, die doch weder gezeichnet noch realistisch wirken, sondern schlichtweg synthetisch? Wie eine alttestamentarische Massenszene aussehen kann, lernt man am besten immer noch von Breughel, der in seinem „Turmbau zu Babel“ wie ein guter Statistenregisseur jeder einzelnen winzigen Figur etwas anderes zu tun gegeben hat. Das vermag das ruhmreiche Animationsprogramm mit dem sinnigen Namen „crowd generator“ noch nicht zu leisten. Besser schon gelingt diesem schon das Heuschreckenheer, das sich in einer gelungenen Montagesequenz imposant in die Riege der vernichtenden Plagen einreiht.

Was die Figurenentwürfe betrifft, wurde die Parole ausgegeben, daß die Nasenpartie statt eines Drittels ganze 40 Prozent der Gesichtsfläche einzunehmen habe. Auch unabhängig von der damit einhergehenden ethnischen Simplifizierung wirken die ovalen Gesichter in der Folge unnötig trist, vergleichbar dem feierlichen Ausdruck volkstümlicher Bibelholzschnitte. Dieser verordnete Ernst entspricht einem gewollt pathetischen Grundton, dem Hans Zimmers Musik den akkustischen Unterbau liefert. Gemeinsam mit Songschreiber Stephen Schwartz („Godspell“) versucht er, hebräische und ägyptische Stile einzubeziehen, die er freilich zu wenig von einander unterscheidet, um dramaturgischen Nutzen daraus zu ziehen. Der grundsätzlichen Ehrbarkeit dieses auf visueller Ebene ungemein ambitionierten Animationsfilms, der sich eindeutig als Erwachsenenfilm versteht und schon daher einen schwierigen Weg geht, tut dies keinen Abbruch. Dennoch schmerzt es angesichts der Fülle von Talenten, daß nur eine einzige Szene die Möglichkeiten des Trickfilms ästhetisch nutzt und weiterentwickelt: In einer Traumsequenz erscheinen die Figuren plötzlich flach und abstrahiert wie ägyptische Grabmalereien und Hieroglyphen, um sich darauf in einer furiosen Choreografie über die plastisch hervorgehobenen Wandflächen in Bewegung zu setzen. Was für ein wunderbarer Film hätte dies werden können, wenn man die Experimentierlust nicht auf wenige Traumsekunden beschränkt hätte!
Kommentar verfassen

Kommentieren