Heimliche Freunde

Komödie | USA 1997 | 101 Minuten

Regie: John Duigan

Ein zehnjähriges Mädchen aus einer wohlsituierten Familie freundet sich gegen den Widerstand seiner Eltern mit einem jungen Mann an, der die Grünanlagen der elterlichen Wohnanlage pflegt. Eine romantische Außenseiter-Komödie, die in einer traumwandlerisch sicher entwickelten Balance aus Märchen, Thriller und Komödie das weitgehend originelle Porträt einer (spieß-)bürgerlichen Gesellschaft entwickelt, die hinter der vordergründigen Wohlanständigkeit die eigene Gefühlskälte zu kaschieren versucht. Beeindruckend auch die Darsteller sowie die einfallsreiche Kameraarbeit. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LAWN DOGS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Rank Film/Duncan Kenworthy Produktion
Regie
John Duigan
Buch
Naomi Wallace
Kamera
Elliot Davis
Musik
Trevor Jones
Schnitt
Humphrey Dixon
Darsteller
Mischa Barton (Devon) · Sam Rockwell (Trent) · Kathleen Quinlan (Clare) · Christopher McDonald (Morton) · Bruce McGill (Nash)
Länge
101 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
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Diskussion
Wer hier wohnt, hat es irgendwie geschafft: Camelot Gardens ist das, was man nicht nur in den USA eine feine Adresse nennt. Eine schmucke Neubausiedlung mit piekfeinen Häusern, abgezirkelten Wegen und Grünflächen jenseits der Größe, die Eigenheimbesitzer noch gern selbst beackern. Für die Sicherheit der Bürger von Camelot Gardens gibt es einen eigenen Wachmann, und für die Gartenpflege ist der junge Trent Burns zuständig. Fast täglich sieht man ihn mit seinem Rasenmäher in irgendeinem Vorgarten herumkurven. Auch in dem der neu zugezogenen Familie Stockard. Doch während sich das Ehepaar in seinem neuen Zuhause eifrig um gutnachbarschaftliche Beziehungen bemüht, ist die zehnjährige Tochter Devon mit dem Umzug gar nicht glücklich. Da sie unter Gleichaltrigen kaum Kontakt findet, durchstreift sie heimlich die Umgebung von Camelot Gardens. Eines Tages stößt sie dabei auf eine seltsame Hütte im Wald. Genau so hat Devon sich immer die Höhle der Hexe Baba Yaga vorgestellt, von der ihr Großvater ihr erzählt hat. Dabei handelt es sich hier schlicht um den Wohnwagen, in dem Trent lebt, wenn er nicht gerade die Grünflächen der Siedlung pflegt. Denn der wortkarge junge Mann in seinem karierten Baumwollhemd gehört nicht zu jener besseren Gesellschaft von Camelot Gardens. Was ihn seine Auftraggeber auch immer wieder – mehr oder minder deutlich – spüren lassen. So ist Trent zunächst auch alles andere als begeistert, als plötzlich die überaus neugierige Devon vor seinem Wohnwagen steht und fortan jeden Tag im Wald auftaucht. Zum einen weiß er mit der vorwitzigen Göre wenig anzufangen, zum anderem ist ihm klar, daß da reichlich Ärger ins Haus stehen könnte. So sind denn die Stockards auch geradezu entsetzt, als sie vom unbotmäßigen Umgang ihrer Tochter Wind bekommen und verbieten ihr kategorisch, die Siedlung allein zu verlassen. Aber wenn es darum geht, ihren Eltern irgendwelche Lügen aufzutischen, ist Devon überaus erfinderisch.

Aus diesem Plot könnte sich eine herzige Geschichte um die ungewöhnliche Beziehung zwischen zwei Menschen entwickeln, die sich abseits der Konventionen und Zwänge ihrer Umgebung einen Freiraum zu erhalten suchen. Doch so wenig Trent der kauzige Waldschrat ist, so wenig geht Devon in der Rolle des verträumten kleinen Mädchens auf. Und schon die Eingangssequenz, die Devon und ihre Mutter beim Backen von Teigmännchen zeigt, läßt ahnen, daß Regisseur John Duigan hier etwas anderes als eine romantische Außenseiter-Komödie im Sinn hat. Als sich eine Fliege auf dem Teig niederläßt, drückt Devon, statt sie zu verscheuchen, diese kurz entschlossen fest und freut sich diebisch, als ihre Mutter, im Glauben, es handle sich um eine Rosine, das Backwerk in den Ofen schiebt. Eine Szene, die auch von David Lynch stammen könnte. Fraglos hat „Heimliche Freunde“ auch darüber hinaus einiges von dessen Vorliebe für das latente Grauen in idyllischen Vorortsiedlungen. Doch wo Lynch diese trügerischen Oasen kleinbürgerlichen Glücks vorzugsweise durch Schocks und beißenden Spott decouvriert, gelingt Duigan das Kunststück, trotz aller Ironie eine eigentümlich anrührende (nie rührselige) Geschichte zu erzählen. Dies glückt, weil er die Siedlung und ihre Bewohner zwar stilisiert in Szene setzt, sie aber nie durch Überzeichnung zur harmlosen Karikatur werden läßt. Nur so wird auch jenes Aggressionspotential spürbar, das hinter all den schmucken Fassaden schlummert und sich mehr und mehr gegen den harmlosen Underdog Trent richtet. Fernab jeder Vergröberung schafft Duigan eine eigentümliche Atmosphäre der latenten Bedrohung und hält bis zum überraschenden Schluß mit traumwandlerischer Sicherheit die Balance zwischen romantischem Märchen, Thriller und Komödie. Für den Humor sorgt schon der tragikomische Running Gag mit jenem kleinen Jungen, der eine dicke Hornbrille trägt und sich in immer neuen Verkleidungen verzweifelt bemüht, die Bürger von Camelot Gardens zu erschrecken. Bis auf wenige Szenen, in denen die Anklage etwas plump wirkt (Kinderspielzeug, das von Autoreifen zermalmt wird), gelingen hier dank einer originellen Kamera, guter Figurenzeichnung, pointierter Dialoge und nicht zuletzt souverän agierender Darsteller reihenweise beeindruckende Sequenzen. Ein wunderbarer „kleiner“ Film. Eigentlich viel zu schade fürs Kino-Sommerloch.
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