A Family Thing - Brüder wider Willen

Melodram | USA 1996 | 105 Minuten

Regie: Richard Pearce

Ein 60jähriger weißer Traktorhändler aus Arkansas erfährt nach dem Tod seiner vermeintlichen Mutter, daß er einen schwarzen Halbbruder besitzt. Auf dem schmalen Grat zwischen realistischer Beschreibung tiefverwurzelter Rassenprobleme und heiter-versöhnlichem Melodram rettet den Film die lebenspralle Figur einer resoluten alten Frau, die auch unverkennbare Vereinfachungen des Konflikts vital überbrückt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
A FAMILY THING
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1996
Produktionsfirma
United Artists
Regie
Richard Pearce
Buch
Billy Bob Thornton · Tom Epperson
Kamera
Fred Murphy
Musik
Charles Gross
Schnitt
Mark Warner
Darsteller
Robert Duvall (Earl) · James Earl Jones (Ray) · Michael Beach (Virgil) · Irma P. Hall (Aunt T.) · Grace Zabriskie (Ruby)
Länge
105 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Melodram
Externe Links
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Diskussion

Die wiederauferstandene United Artists scheint sich der Traditionen ihrer ruhmreichen Vergangenheit nicht nur bewußt zu sein, sie scheint sie auch neu beleben und beweisen zu wollen. Nach dem (an Amerikas Kinokassen und mit Dutzenden von Kritikerpreisen belohnten) Wagnis des deprimierenden Alkoholdramas "Leaving Las Vegas" (fd 31 893) gab sie einem kleinen Außenseiterfilm über die Utopie harmonischer Verständigung zwischen den Rassen eine Chance. "A Family Thing - Brüder wider Willen" stammt von den beiden Autoren, die mit "One False Move" (fd 30 266) ein verwandtes Thema in völlig anderem Gewand präsentierten und damit dem begabten Regisseur Carl Franklin das Rüstzeug für den ungewöhnlichsten "Film Noir" der letzten Jahre lieferten. Ihre Stärke sind glaubwürdige Charaktere im Grenzbereich rassischer Konventionen und Vorurteile. Diesmal versuchen sie sich an einem Stoff, dessen finstere Perspektiven nur von fern anklingen und den sie konsequent auf der Ebene eines komödiantischen Melodrams belassen.Der Traktorhändler Earl Pilcher ist schon in den 60ern, als er aus einem nachgelassenen Brief seiner jüngst verstorbenen Mutter erfährt, daß sie gar nicht seine leibliche Mutter war. In Wirklichkeit, liest er in einer emotionalen Mischung aus ungläubigem Staunen und aufwallendem Zorn, ist er das Kind einer Farbigen, mit der sein Vater ein kurzes Verhältnis hatte. Earl erfährt, daß er einen Halbbruder in Chicago besitzt, und - weitaus gravierender in einer vom Rassismus heimgesuchten Umgebung - daß er auf Grund der Umstände trotz seiner eindeutig weißen Hautfarbe nach südstaatlicher Vorstellung ein Schwarzer ist. Würde ihn der Brief nicht ausdrücklich dazu auffordern, so hätte er wohl kaum Interesse daran, seinen Halbbruder aufzusuchen, der sein Leben nur weiter in Aufregung versetzen wird und der 60 Jahre lang für ihn nicht existent war. Einmal in Chicago, muß Earl feststellen, daß der Bruder Raymond sehr wohl von seiner Existenz weiß und immer gewußt hat. Zorn und Trauer über den Tod der im Kindbett gestorbenen Mutter hat Raymond ein Leben lang in Haß auf Earls Vater umgesetzt. Dennoch versucht er, dem weißen Bruder mit reservierter Höflichkeit zu begegnen und nimmt ihn sogar für eine Nacht in sein Haus auf. Die Umstände ergeben es, daß aus der einen Nacht viele Nächte werden und daß die Raymonds Haushalt führende 80jährige Tante das Heft in die Hand nehmen kann.So facettenreich die Autoren auch die Charaktere ihrer beiden Hauptgestalten auszustatten verstehen, gelingt ihnen doch der eigentliche Coup dieses Films mit der Einführung dieser resoluten, herzenswarmen blinden alten Frau. Von der ersten Szene an, mit der sie in Erscheinung tritt, bestimmt sie den Tonfall der Story, deren komische Seiten mindestens ebensoviel zur Essenz der Geschichte beitragen wie die dramatischen. Es ist die Gestalt dieser unaufdringlich lebensweisen Frau, die den Film davor bewahrt, ganz ins simplistische Melodrama umzukippen. Das ist nämlich eine Gefahr, der weder die Autoren noch der handwerklich umsichtige Regisseur Richard Pearce ("Der Schein-Heilige", fd 30 143) ganz entgehen. Nicht nur gibt es immer wieder allzu moralinsaure Dialoge, sondern viele Situationen und Konfrontationen machen auch allzu ängstlich vor der weitaus rigoroseren Kluft zwischen den Rassen halt."A Family Thing" lebt dadurch in der steten Bedrohung, der Realität im heutigen Amerika zugunsten einer konstruierten Versöhnlichkeit auszuweichen. Ohne die pralle Figur der alle Schranken und Vorurteile vital überspielenden Frau hätte sich der Film wahrscheinlich viel unmittelbarer in den Fallstricken seiner gutgemeinten, aber ziemlich reaktionären Geschichte verfangen. Auch mit ihr wird er sich vermutlich vor dem Zorn militanter Schwarzer in den USA nicht retten können, die diese Art Aussöhnungsspiele als selbstberuhigende Augenwischerei der weißen Majorität ablehnen.

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