Nach drei Jahrzehnten gezügelter Bewunderung gesteht ein italienischer Endsechziger einer attraktiven jüdischen Witwe, die soeben ihren Mann begraben hat, seine Liebe. Charmante Generationskomödie, die trotz einiger dramaturgischer Schwächen auf ebenso amüsante wie sympathische Weise das Klischeebild älterer Menschen in eine optimistische Bekräftigung der zweiten Chance im Leben verwandelt.
- Ab 16.
Die Herbstzeitlosen (1991)
Komödie | USA 1991 | 116 Minuten
Regie: Beeban Kidron
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Filmdaten
- Originaltitel
- USED PEOPLE
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 1991
- Produktionsfirma
- Largo/Lawrence Gordon Prod./JVC
- Regie
- Beeban Kidron
- Buch
- Todd Graff
- Kamera
- David Watkin
- Musik
- Rachel Portman
- Schnitt
- John Tintori
- Darsteller
- Shirley MacLaine (Pearl) · Marcello Mastroianni (Joe Meledandri) · Kathy Bates (Bibby) · Bob Dishy (Jack) · Lee Wallace (Onkel Harry)
- Länge
- 116 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Komödie | Literaturverfilmung
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Während zu Beginn der 80er Jahre älteres Kinopublikum der amerikanischen Filmindustrie vemachlässigenswert erschien, sind seit dem Überraschungserfolg von "Cocoon" (fd 25 296) mehrere Filme erschienen, die sich von dem Trend, ausschließlich für junge Leute zu produzieren, deutlich absetzen. "Mondsüchtig" (fd 26 702) gehörte zu diesen Filmen, "Grüne Tomaten" (fd 29 781) bestätigte unlängst die sinnvolle Umkehr, und "Die Herbstzeitlosen" setzt den Trend mit einer etwas unausgewogenen, aber dennoch sympathischen Symbiose aus den zuvor entstandenen Produktionen fort. Ältere Filmfreunde begrüßen offensichtlich das "Wagnis", ihre Generation endlich einmal wieder in den Mittelpunkt einer Kinogeschichte zu rücken. Und wie die Statistiken erweisen, finden sich auch genügend junge Zuschauer ein, um die Wiederbelebung eines einst ganz selbstverständlichen Genres nicht zum kommerziellen Flop degenerieren zu lassen.Als hätten sie noch nicht genug Vertrauen in die eigene Courage, kombinieren die Produzenten in diesen Filmen möglichst viele Rückversicherungen - Milieus, ethnischen Hintergrund und Star-Potential -, die das Unternehmen weniger risikoreich erscheinen lassen. "Die Herbstzeitlosen" verbucht von vornherein das Interesse jüdischer und italienischstämmiger Zuschauer, zwei der filmfreudigsten Minoritäten in den Vereinigten Staaten. Shirley MacLaine und Marcello Mastroianni, Sex-Symbole vergangener Jahrzehnte, sorgen für genug Appeal bei jeder Art von betagterem Publikum, und die Alt-Stars Jessica Tandy und Sylvia Sydney wecken zusätzlich die Erinnerung an fast schon vergessene Kinostunden.Die Handlung spielt während der 60er Jahre in Queens (New York). Pearl Bergman hat gerade nach 37jähriger Ehe ihren Mann verloren. Der "Leichenschmaus" ist in vollem Gange, die exzentrischen Angehörigen vierer Generationen sind in Trauer und Selbstmitleid vereint, als ein Unbekannter in der Tür steht und Pearl zu einem Täßchen Kaffee einlädt. Joe Meledandri ist ein Endsechziger italienischer Abstammung, von Beruf Restaurantbesitzer, der das Essen genauso wichtig nimmt wie Pearls jüdische Familie. In eben jenen 37 Jahren hat er Pearl von ferne bewundert. Ohne daß sie je davon erfahren hätte, ist er es gewesen, der einst den Ausschlag für den Bestand ihrer Ehe gegeben hat. Nun, da seine eigene Frau verstorben und der alte Freund - Pearls Ehemann - begraben ist, vermag er sich nicht länger zu beherrschen. Mit 69 hat man nicht mehr so viel Zeit. Doch in einer jüdischen Familie gilt es nicht nur, die Zuneigung der attraktiven Witwe zu gewinnen, da muß man auch die auf ein sonnigeres Dasein in Florida spekulierende Mutter und die beiden auf sehr verschiedene Weise aus den Fugen geratenen Töchter auf seine Seite kriegen.Eine 30jährige hat "Die Herbstzeitlosen" inszeniert: Beeban Kidron, Engländerin jüdischer Abstammung, aufgewachsen in einem Haushalt, den sie selbst als "atheistisch" bezeichnet, in ihrem Heimatland nach zwei vielbeachteten Filmen für die BBC als "revolutionäre Sozialistin" kategorisiert. Was macht eine Frau wie Beeban Kidron mit einem im Grunde zutiefst romantischen Stoff wie "Die Herbstzeitlosen"? Sie konzentriert sich auf die Figuren. Mit dem Autor Todd Graf hat sie vier Monate lang den Personen des Stücks Profil zu verschaffen versucht. Das Ergebnis findet sich im Porträt einer Familie, die eigentlich gar keine mehr ist. Das längst vergangene Idealbild der wie Pech und Schwefel zusammenhaltenden Großfamilie winkt nur noch als fahle Erinnerung angesichts der zerbröckelnden Strukturen von Pearls familiärer Existenz. Mit charakteristischen, oft sehr komischen Dialogen umreißt Kidron die "typische" jüdische Familie im heutigen Amerika, wie sie sie aus eigener Anschauung kennengelernt hat. Schwächstes Glied in der Kette sind die beiden neurotischen Töchter, deren Probleme zu dick aufgetragen sind oder andererseits noch um ein paar Nuancen zu gering, um sie vollends als Karikaturen erscheinen zu lassen. Ihnen widmet Kidron auch ein bißchen zu viel Zeit, so daß gelegentlich Joes beharrliche Bemühungen um der Widerspenstigen Zähmung aus dem Blick verlorengehen.Was den Film trotz dieser und manch anderer Schwächen sympathisch macht, ist seine ebenso Anteil nehmende wie erheiternde Zentrierung um das Thema einer zweiten Chance, im Leben. Die Generationen der Mütter, Väter und Großeltern werden hier nicht mit knapper pauschaler Ehrerbietung zum alten Eisen geworfen, sondern sie werden trotz ihres Alters als Menschen gezeigt, die auch noch eine Zukunft haben, wenn sie bereit sind, sie sich zu verdienen. "Die Herbstzeitlosen" ist ein Film, der voll ist mit den Frustrationen eines schon fast bis zur Neige gelebten Lebens, der seinen gealterten Helden aber dennoch den "Luxus" gestattet, mit den verbleibenden, gemeinhin als nutzlos erachteten Jahren etwas Sinnvolles anzufangen. Den Charme der Geschichte und ihrer Inszenierung macht aus, daß die "Sozialistin" Beeban Kidron es weder für ideologisch falsch noch für unter ihrer Würde erachtet, älterem Kinopublikum eine Injektion Optimismus zu verabreichen, ohne gleichzeitig die Probleme dieser Welt total zu verniedlichen.
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