Crime and Punishment

Krimi | Finnland 1983 | 93 Minuten

Regie: Aki Kaurismäki

Ein junger Schlachthof-Arbeiter ermordet einen gutsituierten Mann. Er gibt sich keine Mühe, die Spuren zu beseitigen, und läßt sich auf ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei ein, das er letztlich nicht gewinnen kann. An Dostojewskis "Schuld und Sühne" angelehnter Erstlingsfilm von Aki Kaurismäki, der die typischen Stilmittel des Regisseurs bereits andeutet, aber nicht immer harmonisch integriert. Zwischen Krimi und Existentialismus-Studie schwankend. (O.m.d.U.)
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Filmdaten

Originaltitel
RIKOS JA RANGAISTUS
Produktionsland
Finnland
Produktionsjahr
1983
Produktionsfirma
Villealfa
Regie
Aki Kaurismäki
Buch
Aki Kaurismäki · Pauli Pentti
Kamera
Timo Salminen
Musik
Dmitri Schostakowitsch · Franz Schubert
Schnitt
Veikko Aaltonen
Darsteller
Markku Toikka · Aino Seppo · Esko Nikkari · Matti Pellonpää
Länge
93 Minuten
Kinostart
-
Genre
Krimi | Drama | Literaturverfilmung
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Diskussion
Ein Käfer krabbelt (in Großaufnahme) auf einer rissige Holzfläche. Ein Beil senkt sich von oben ins Bild und teilt seinen Körper in zwei Hälften. Die Kamera fährt zurück, und das Holz entpuppt sich als Hauklotz inmitten einer Schlachterei. Mehrere Männer sind dabei, Schweine zu zerlegen, die Hälften an Haken zu hängen und die Innereien an einem schmierigen Tisch zu zerkleinern, bis sie schließlich ihre Arbeit beenden. Ein Arbeiter beginnt mit einem Wasserschlauch die Halle zu säubern, und am Ende verschwindet ein Gemisch aus Blut und Wasser gurgelnd im Abfluß. Mit dieser reichlich bedeutungsschwangeren Sequenz beginnt der Debütfilm (1983) von Aki Kaurismäki, eine Adaption von F.M. Dostojewskis Roman-Klassiker "Schuld und Sühne", an dem sich im Laufe der Filmgeschichte eine ganze Reihe Regisseure (u. a. Josef von Stemberg, und Georges Lampin) versucht haben.

Kaurismäki verlegt die Geschichte um Verbrechen, Gewissen und Strafe aus dem St. Petersburg des vergangenen Jahrhunderts in das moderne Helsinki und geht auch sonst recht frei mit der Vorlage um. Dostojewskis Held Raskolnikow heißt hier Rahikanen, ein schweigsamer junger Mann, der nach dem Abbruch seines Studiums im Schlachthof arbeitet und ein Zimmer in einer schäbigen Pension bewohnt. Einen Abends sucht er nach Feierabend einen offensichtlich gutsituierten Mann auf und erschießt ihn in dessen Wohnung. Als er die Taschen des Opfers durchwühlt, steht plötzlich Eeva, eine junge Frau vor ihm, und starrt ihn fassungslos an. Es kommt zu einem kurzen Wortwechsel, in dem Rahikanen als Motiv für seinen Mord nur angibt: "Er hat es verdient." Eeva erklärt, sie werde die Polizei rufen, worauf Rahikanen nur schulterzuckend die Wohnung verläßt. Obwohl sie den Beamten anschließend nur eine sehr vage Täterbeschreibung gibt, kommen sie Rahikanen bald auf die Spur, zumal dieser während der folgenden Tage nichts unternimmt, um seine Tat zu vertuschen. Im Gegenteil. Er behält nicht nur die Pistole, sondern sogar ein Tuch mit dem Blut des Opfers, erscheint ohne Erklärung nicht mehr zur Arbeit, verbringt die Tage in seinem düsteren Zimmer und streunt abends durch die Stadt. Schließlich wird er verhaftet, aber weil Eeva bei einer Gegenüberstellung vorgibt, ihn nicht wiederzuerkennen, läßt man ihn wieder laufen. In der Folgezeit trifft er sich einige Male mit Eeva, die zwar in ihn verliebt zu sein scheint, aber doch mißtrauisch bleibt. Mit der Polizei, die ihn nun ständig überwacht, spielt Rahikanen ein verwegenes Spiel. Mal läßt er sie nah ,herankommen', dann entzieht er sich wieder seiner Verhaftung, indem er falsche Spuren legt. Ein Spiel, von dem er weiß, daß er es letztlich nicht gewinnen kann.

Verglichen mit Kaurismäkis späteren Filmen hinterläßt "Crime and Punishment" in mancher Hinsicht den Eindruck einer Fingerübung, in der zwar eine Reihe der typischen Stilmittel des Regisseurs bereits angedeutet sind, aber in ihrer Verbindung (noch) nicht recht harmonieren. Im Versuch, sich von dem .philosophischen Überbau' Dostojewskis zugunsten einer realistisch ,geradeaus' erzählten Geschichte zu lösen, kann sich Kaurismäki vielfach nicht zwischen Krimi und Existentialismus-Studie entscheiden. Für das eine gerät ihm der Film ohne stringente Dramaturgie zu langatmig, für das andere hat er zu viele Beiläufigkeiten eingestreut. So wie den Dialogen (oft in wüsten Wechselschnitten montiert) die geniale Knappheit fehlt, weisen auch die humoristischen Einsprengsel nur selten jenen tragikomischen Lakonismus seiner späteren Filme auf. Und dabei unterlaufen Kaurismäki manchmal selbst plumpe Gags wie dieser: "Meine Mutter ist im Altersheim." "Ist sie schon so alt?" "Fünfzig. Sie arbeitet da." Aber natürlich ist es unfair, dieses Debüt, das erst jetzt in die deutschen Kinos kommt, nur an Kaurismäkis späteren Meisterwerken zu messen. Unter dem Strich weist auch "Crime and Punishment" eine Reihe von Momenten auf, die ihn inmitten all der cineastischen Konfektionsware durchaus sehenswert machen. Dazu gehört zum einem das überzeugende Spiel von Markku Toikka, zum anderen die Arbeit von Kameramann Timo Salminen. In seinen Bildern wird nicht nur Rahikanens Zimmer, sondern die ganze Stadt (abends von kaltem Neonlicht mehr bestrahlt denn erleuchtet) zu einem klaustrophobischem Ort. Die Kamera bleibt vorwiegend dicht an den Figuren, und nur in wenigen Totalen öffnet sich der Blick in den wolkenverhangenen Himmel oder vermittelt in Ausblicken auf Hafen und Meer (ein in vielen Karismäki-Filmen wiederkehrendes Motiv) eine Vision von Ausbruch und Weite.

Und dann ist da in einer Nebenrolle natürlich noch jener Matti Pellonpää, dessen unnachahmlich trauriger Dackelblick schon allein das Eintrittsgeld wert ist.
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