Drama | USA 1992 | 118 Minuten

Regie: Michael Apted

Ein junger FBI-Agent, zu einem Viertel indianischer Abstammung, wird auf einen Mordfall im Reservat der Oglalas in South Dakota angesetzt. Die genreübliche Actionhandlung verbindet sich mit einem Bild der sozialen und politischen Probleme in heutigen Reservaten und versucht auch, Einblick in die fortlebenden metaphysischen Bindungen der Indianer zugeben. Der Film findet seine Grenzen an der kommerziellen Kombination von Kriminalgeschichte, individuellem und gesellschaftlichem Konflikt, ist aber dennoch ein bemerkenswerter Versuch, aktuelle Indianerproblematik in einem breitenwirksamen Spielfilm anzusprechen. (Michael Apted drehte zuvor die engagierte Dokumentation "Incident at Oglala", 1991, zur selben Problematik.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THUNDERHEART
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Tribeca/Waterhouse
Regie
Michael Apted
Buch
John Fusco
Kamera
Roger Deakins
Musik
James Horner
Schnitt
Ian Crafford
Darsteller
Val Kilmer (Ray Levoi) · Sam Shepard (Frank "Cooch" Coutelle) · Graham Greene (Walter Crow Horse) · Fred Ward (Jack Milton) · Sheila Tousey (Maggie Eagle Bear)
Länge
118 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Western | Polizeifilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Columbia TriStar Home (16:9, 1.85:1, DS engl./dt.)
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Krimi um einen jungen FBI-Agenten, zu einem Viertel indigener Abstammung, der auf einen Mordfall im Reservat der Oglalas in South Dakota angesetzt wird: Action & Suspense verbinden sich mit einem Bild der sozialen und politischen Situation der "American Natives" in den frühen 1990ern.

Diskussion
"Halbblut" beruft sich zu Beginn auf tatsächliche Ereignisse in Indianer-Reservaten während der 70er Jahre. Unausgesprochen wird damit angespielt auf den Fall Leonard Peltier, der nach wie vor in der amerikanischen Öffentlichkeit unvergessen ist und der in regelmäßigen Abständen in Presse und Fernsehen für Aufregung sorgt. Peltier, damals Leiter einer Bewegung, die für die Rechte der Indianer kämpft, wurde als angeblich Schuldiger in einem politisch motivierten Mordfall verhaftet, verurteilt und bis zum heutigen Tage nicht freigelassen, obwohl zahllose Gründe dafür sprechen, daß sich die amerikanische Justiz hier auf unkomplizierte Weise eines Widersachers des Systems entledigt hat. Michael Apted hatte gerade einen Dokumentarfilm über Peltier vollendet, als man ihm das Drehbuch zu "Halbblut" anbot. Die Dokumentation, von dem in Indianerfragen stets engagierten Robert Redford produziert, trägt den Titel "Incident at Oglala".

Was "Halbblut" interessant macht, ist Michael Apteds Versuch, eine routinehafte FBI-Story für die humane und soziale Problematik heutiger Indianerpolitik durchsichtig zu machen. Was in der Hand eines anderen Regisseurs leicht zu einem Acitonfilm mit folkloristischem Hintergrund hätte verkommen können, gewinnt durch Apteds insistierende Blickrichtung auf das zwischen Traditionsbewußtsein und Anpassung zerrissene Leben der letzten Ureinwohner Amerikas Anspruch und Bedeutung. Mehr als einmal erinnert die Sehweise an Peter Weirs "Der einzige Zeuge" (fd 25 072), in dem ebenfalls eine Polizeigeschichte durch die Orientierung auf das Überleben einer - dort religiös motivierten - Außenseitergruppe an humanitärem Gewicht gewann.

Im Reservat der Sioux-Oglala von South Dakota ist ein Mord passiert. Kein alltäglicher Mord, wie es scheint. Das FBI wird bemüht und entsendet einen jungen Agenten, den das Amt für besonders geeignet hält, weil er selbst zu einem Viertel Indianer ist. Doch FBI-Agent Levoi ist von dem Auftrag alles andere als begeistert, bemüht er sich doch gerade, seine indianische Abstammung so gut wie möglich zu vergessen. Er tritt deshalb auch mit besonderer Härte auf, als er und sein Vorgesetzter Coutelle im Reservat ankommen. Durch stoische Abwehr versucht er, von sich fernzuhalten, was ihn in besonderer Weise berühren müßte: die unwürdige soziale Situation, die politische Gespaltenheit der indianischen Bevölkerung, die Existenz militanter, bewaffneter Gruppen wie das ARM (Aboriginal Rights Movement). Ein Offizier der örtlichen Indianerpolizei, Walter Crow Horse, nimmt sich ein wenig der "Rothaut aus Washington" an und gewinnt dessen professionelle Achtung durch den wiederholten Beweis, daß die alten Fertigkeiten des indianischen Fährtensuchers auch heute noch von Nutzen sein können. Crow Horse bringt Levoi auch in Kontakt mit dem Stammesältesten, eines weisen, die Traditionen seines Volkes unverbrüchlich verkörpernden Mannes. Ob er will oder nicht, wird Levoi von einem Tag zum anderen mehr in das Leben der Indianer hineingezogen, mit ihren Riten und Mythen konfrontiert und findet sich unmerklich in einer Position, die ihm gestattet, auch seinen eigenen Wurzeln nachzugehen.

Wie schon diese (stark verknappte) Inhaltsangabe zeigen mag, verknüpft sich die genreübliche Suche nach dem Mörder in Apteds Inszenierung immer unentwirrbarer mit dem Eindringen in eine fremde, in ihren metaphysischen Dimensionen faszinierende Welt. Obwohl mit allen Techniken perfektionierter Action-Dramaturgie vertraut und durch deren Nutzung auch die Anteilnahme des Publikums gewinnend, verwenden Buch und Regie mehr und mehr Zeit auf die Besonderheiten indianischer Kultur, deren Präsenz selbst durch eine alles überwuchernde Zivilisation nicht total verschüttet werden konnte. Der Film hält dafür eine Reihe signifikanter Beispiele bereit, die trotz der Ernsthaftigkeit des Themas oftmals mit leiser, bizarrer Komik präsentiert werden. Vor allem aber ist es die Figur des von Graham Greene (der Medizinmann aus "Der mit dem Wolf tanzt") fabelhaft gespielten Indianerpolizisten, die die Verbindung der beiden kaum zu vereinbarenden Sphären überzeugungsstark und ohne falsches Pathos versinnbildlicht.

"Halbblut" besitzt viel von dem, was Kevin Costners "Der mit dem Wolf tanzt" (fd 28 748/29 614) vermissen läßt, die Beschreibung nämlich, wie indianisches Leben ohne den ihm eigenen metaphysischen Bezug sinnentleert wäre. "Halbblut" ist sicher auch in der Lage, dem nichtamerikanischen Zuschauer etwas von der verzweifelten politischen Situation zu vermitteln, in der sich die in Reservate gepferchten Indianer heute befinden. Die Funktion der militanten indianischen Bewegung jedoch, deren Ursprünge und Ziele, vermag er nicht einsichtig zu machen. Man muß anerkennen, daß Apted in seiner Beschreibung der Reservate und des Indianerlebens wohl bis an die Grenze dessen geht, was in einer Hollywood-Produktion möglich ist. Doch gerade der letzte Rest der hier fehlenden Information ist es, der erst zu einer Beurteilung der Situation befähigt. Nach allem, was man hört, ist er von der Dokumentation "Incident at Oglala" zu erwarten, der man wünschen möchte, daß sich auch ein deutscher Verleiher für sie finden wird.
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