Hush-A-Bye, Baby

Drama | Großbritannien 1990 | 72 Minuten

Regie: Margo Harkin

Eine 15jährige Schülerin in einem nordirischen Städtchen wird schwanger und gerät angesichts der strengen Sexualmoral ihrer Heimat in einen unlösbaren seelischen Konflikt. Ein unabhängig produzierter Erstlingsfilm, der von der authentischen Beschreibung des Milieus und der Jugendlichen lebt. Ebenso eindringlich wie einfühlsam plädiert er für ein offenes Gespräch über innere Nöte und Ängste und eine Neubewertung menschlicher und religiöser Wertmaßstäbe. (Preis der Ökumenischen Jury in Locarno 1990) - Sehenswert ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
HUSH-A-BYE, BABY
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1990
Produktionsfirma
Derry Films and Video Workshop
Regie
Margo Harkin
Buch
Margo Harkin · Stephanie English
Kamera
Breffin Byrne
Musik
Sinéad O'Connor
Schnitt
Martin Duffy
Darsteller
Emer McCourt (Goretti Friel) · Michael Liebmann (Ciaran) · Cathy Casey (Dinky) · Julie Maria Reynolds (Majella) · Sinéad O'Connor (Sinéad)
Länge
72 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
1984 in dem nordirischen Städtchen Derry: Für die 15jährige Goretti ist es zunächst ein Jahr wie viele andere zuvor. Sie besucht eine Klosterschule, tobt sich unbekümmert bei Aerobic und Disco-Dancing aus und albert ausgelassen mit ihren Freundinnen hinter den Jungs her. Ihr Zuhause in einer katholischen Arbeitersiedlung bietet auf den ersten Blick ein unspektakulär-normales, konservatives Familienleben, und auch die politische Situation des Bürgerkriegs in den Straßen wird als zwar lästiges, aber als längst alltäglich gewordenes Übel empfunden. Noch steht Goretti außerhalb aller Konflikte, von denen sie zwangsläufig zwar weiß, die sie selbst aber nicht betreffen. Doch aus dem unbeschwerten Dasein entwickelt sich dramatisch schnell eine seelisch qualvolle Situation: Goretti verliebt sich in den etwa gleichaltrigen Ciaran, wenig später entdeckt sie, daß sie schwanger ist. Bevor sie mit Ciaran reden kann, wird er als mutmaßlicher IRA-Sympathisant von den britischen Besatzungssoldaten ins Gefängnis gesteckt. Goretti gerät in einen schweren Gewissenskonflikt, geprägt von Ängsten, Vereinsamung und dem Mangel an Verständnis und seelischer Unterstützung.

Es ist eine ausweglose Situation für die 15jährige Nordirin, für die auch der Film keine Lösung bereithält. In einer einerseits von strenger Sexualmoral und rigorosem Abtreibungsverbot, andererseits von bürgerkriegsähnlichen, blutigen politischen Kämpfen geprägten Welt sind die inneren Konflikte geradezu vorprogrammiert, ist die Zerrissenheit des Landes gleichzeitig Spiegel der Befindlichkeit vieler junger Menschen, die in innere Notsituationen geraten und auf Gesetze und Dogmen, nicht aber Verständnis und Hilfe stoßen. So kennt Goretti die Haltung ihrer Eltern, die ihr in einer Mischung aus patriotischem Standesstolz, strenger Religiosität und Vorurteilen eher Angst macht und sie davon abhält, sich ihnen zu offenbaren. Gleichzeitig will sie nicht eine der zahlreichen um ihre Jugend beraubten nordirischen Kind-Mütter sein, doch die Lebens- und Rechtsbedingungen lassen keinen Spielraum: Abtreibung ist illegal, und der Blick zur heiligen Jungfrau wird für Goretti zur Angst-Vision, die sie Tag und Nacht verfolgt.

Der unabhängig produzierte Erstlingsfilm beobachtet mit einem Minimum an inszenatorischem Aufwand die Entwicklung, die Goretti in die Sackgasse führt. Dabei polemisiert und agitiert er nie, sondern beschreibt aufmerksam und mit sympathischer Offenheit die Auseinandersetzungen und Konflikte, wobei zutiefst berührt, wie sich das anfangs so lebhafte, aufgeschlossene Gesicht Gorettis immer mehr verwandelt und von Trauer, Verzweiflung und Angst gezeichnet wird. Wer den Film der vorschnellen und einseitigen Parteinahme bezichtigt, übersieht, daß er zunächst nur eines im Sinn hat: die Situation mit möglichst großer Authentizität und Sinnlichkeit vor Augen zu führen, um die Dringlichkeit eines offenen und ehrlichen Gesprächs zu verdeutlichen. Mit leiser (Alltags-)Poesie, die sich aus der genauen Beobachtung des Milieus und der darin aufwachsenden Jugendlichen ergibt, hinterfragt der Film die Tauglichkeit menschlicher und religiöser Werte. Dabei läßt die Inszenierung die konkrete Beschreibung einer Lebenssituation für sich sprechen; nur ein einziges Mal erlaubt sie sich eine offene Kommentierung, als Goretti und Ciaran an einer Plakat-Wand vorbeigehen, auf der zu lesen ist: "Many have eyes but cannot see" - Viele haben Augen und können doch nicht sehen.
Kommentar verfassen

Kommentieren