© Motlys (Goldener Bär für "Dreams (Sex Love)")

Berlinale 2025: Goldener Bär für "Dreams (Sex Love)"

Der Hauptpreis der 75. Berlinale geht an das norwegische Liebes- und Künstlerinnendrama „Dreams (Sex Love)“ von Dag Johan Haugerud

Aktualisiert am
28.02.2025 - 17:13:08
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Mit „Dreams (Sex Love)“ als abschließendem Teil seiner Trilogie „Oslo-Stories“ hat der Norweger Dag Johan Haugerud den „Goldenen Bären“ der 75. Berlinale gewonnen. Mit dieser Ehrung für ein bemerkenswertes Filmprojekt hat sich die Internationale Jury unter Vorsitz des US-Regisseurs Todd Haynes bei einem wenig aufregenden Wettbewerb achtsam aus der Affäre gezogen. Weitere Auszeichnungen gingen an noch wenig bekannte Filmemacher aus Südamerika, aber auch an etablierte Darsteller.


Als eine 15-jährige Norwegerin Gefühle für ihre Lehrerin entwickelt, geht diese nach erster Irritation ihre Emotionen entschlossen an. Doch dann schwenkt der norwegische Regisseur Dag Johan Haugerud in seinem Drama „Dreams (Sex Love)“ auf eine Ebene der künstlerischen Reflexion um, bei der seine Hauptfigur ihre Gefühle literarisch verarbeitet. In den Reaktionen von Mutter und Großmutter werden die Grundgedanken des Films über Intimität und Liebe zudem weiterentwickelt. Mit „Dreams (Sex Love)“ hat Haugerud den Schlussteil seiner innerhalb eines Jahres präsentierten Filmtrilogie „Oslo-Stories“ (nach „Sex“ und „Love") realisiert.

Da der dritte Teil in Norwegen bereits im November 2024 in den Kinos lief, war seine Aufnahme in den Berlinale-Wettbewerb eine gelinde Überraschung gewesen. Die Jury unter Vorsitz von US-Regisseur Todd Haynes verlieh dem Film den „Goldenen Bären“, was sich durchaus als Würdigung aller drei Werke verstehen lässt. Zusammengehalten werden die Filme durch vielschichtige Überlegungen zum Wesen von Liebe, Leben und Kunst, eine quasi programmatische Anspielung darauf, wie die Berlinale selbst gerne wahrgenommen werden möchte.

Goldener Bär für "Dreams (Sex Love)" (Motlys)
Goldener Bär für "Dreams (Sex Love)" von Dag Johan Haugerud (© Motlys)


Bereitschaft zum Träumen

Mit der Entscheidung fand die Jury einen nachvollziehbaren Kompromiss in einem Wettbewerb, in dem sich die Kandidaten für die Bären nicht aufgedrängt hatten. Als einer der wenigen Favoriten galt lange die brasilianische Gesellschaftssatire „The Blue Trail“ von Gabriel Mascaro, die den „Großen Preis der Jury“ gewann und unter anderem auch von der Ökumenischen Jury ausgezeichnet wurde. Der Film über eine neokapitalistische Gesellschaft, in der sich eine alte Frau dagegen wehrt, wie alle anderen Senioren in ominöse „Kolonien“ verfrachtet zu werden, teilt mit mehreren anderen prämierten Werken die unumwundene Bereitschaft zum Träumen. Eine Botschaft, die in beunruhigenden Zeiten im Kino offensichtlich mehr denn je geschätzt wird.

Auch der mit dem „Preis der Jury“ gekürte argentinische Film „El mensaje“ über ein Mädchen, das auf Druck seiner Pflegeeltern vorgibt, Gedanken von Haustieren wiedergeben zu können, spielt mit dem Traummotiv. Allerdings erschöpft sich der Einfallsreichtum des Werks von Iván Fund allzu schnell in redundanten Road-Movie-Momenten und einer monotonen Trompeten-Melodie; die Auszeichnung für ein laut der Jury „mit Einfachheit glänzendes Werk“ muss als Fehlentscheidung notiert werden.

Angesichts dieser drei Preise für Filmschaffende, die eher dem Kino-Nischenbereich zugerechnet werden, setzte die internationale Jury bei den Darstellerpreisen wie zum Kontrast auf etablierte Kräfte. Geehrt wurden die Australierin Rose Byrne für ihre am Rande eines Nervenzusammenbruchs stehende Hauptfigur in „If IHad Legs I’d Kick You“ und der Ire Andrew Scott für seine Darstellung des Musical-Komponisten Richard Rodgers in „Blue Moon“. Zwei akzeptable Entscheidungen, die allerdings die Chance verstreichen ließen, weniger bekannte Akteure mit einem Preis hervorzuheben.

Eszter Tompa in "Kontinental '25" von Radu Jude (Raluca Munteanu)
Eszter Tompa in "Kontinental '25" von Radu Jude (© Raluca Munteanu)

Einleuchtende Preisträger fanden die Juroren dagegen in dem Chinesen Huo Meng für seine detailgenaue und sorgfältige Regie des Mehrgenerationen-Bauerndramas „Living the Land“ und im Rumänen Radu Jude für das Drehbuch zu „Kontinental ’25“, einer wortreich-streitbaren Erkundung über (nicht nur rumänische) Gegenwartsprobleme aller Art. 

Ein Novum setzte die Jury beim Preis für eine besondere künstlerische Leistung. Dieser ging an das gesamte Kreativteam bei „The Ice Tower“, eine versponnen-traumähnliche Reflexion der Französin Lucile Hadzihalilovic über den „Schneekönigin“-Stoff und das Kino, was dem Kunstwillen des Films tatsächlich eher gerecht wird, als es ein Preis für eine Einzelleistung unter den Gewerken gewesen wäre.

Neben den Wettbewerbspreisen wurde bei der Gala am 22. Februar auch die neue Sektion „Perspectives“ für Filmdebüts berücksichtigt. Hier ging der erste Preis an den Mexikaner Ernesto Martínez Bucio mit „The Devil Smokes (and Saves the Burnt Matches in the Same Box)“. Auch dies ein Film mit zwischen Realität und Fantasie verschwimmenden Ebenen, in dem fünf Geschwister mit ihrer schizophrenen Großmutter zurechtkommen müssen. 

Der Dokumentarfilmpreis ging an „Holding Liat“ um den Kampf für die Freilassung einer von der Hamas gefangen gehaltenen Geisel und den Willen, sich den Glauben an Frieden und Menschlichkeit nicht rauben zu lassen. Wenn man so will, auch das ein Film über Träume und die Hoffnung, sie Wirklichkeit werden zu sehen.

Bester Dokumentarfilm: "Holding LIat" (Meridian Hill Pictures)
Bester Dokumentarfilm: "Holding LIat" (© Meridian Hill Pictures)


Die wichtigsten Preise der 75. Berlinale 2025


Goldener Bär

Dreams (Sex Love)“ von Dag Johan Haugerud


Großer Preis der Jury

The Blue Trail“ von Gabriel Mascaro


Jury-Preis

El mensaje“ von Iván Fund


Beste Regie

Huo Meng für „Living in Land“


Beste Leistung in einer Hauptrolle

Rose Byrne in „If I Had Legs I’d Kick You“


Beste Leistung in einer Nebenrolle

Andrew Scott in „Blue Moon“


Bestes Drehbuch

Radu Jude für „Kontinental ’25“


Preis für eine herausragende künstlerische Leistung

Das kreative Ensemble von „The Ice Tower


Bester Dokumentarfilm

Holding Liat“ von Brandon Kramer


Bester Film Perspektives

The Devil Smokes (and Saves the Burnt Matches in the Same Box)" von Ernesto Martínez Bucio


Bester Kurzfilm

Lloyd Wong, Unfinished“ von Lesley Loksi Chan


Goldener Bär für das Lebenswerk

Tilda Swinton


Die Internationale Jury mit Tricia Tuttle mit Bürgermeister Kai Wegener im Rathaus (imago/Peter Lüdermann)
Die Internationale Jury mit Tricia Tuttle und Kai Wegener im Rathaus (© imago/Peter Lüdermann)

Mitglieder der Internationalen Jury waren Todd Haynes, Nabil Ayouch, Fan Bingbing, Bina Daigeler, Rodrigo Moreno, Amy Nicholson, Maria Schrader.


Bester Film Generation 14pluds

Christy“ von Brendan Canty


Bester Film Kplus

The Botaniker“ von Jing Yi


Preise der Ökumenischen Jury

Wettbewerb: „The Blue Trail“ von Gabriel Mascaro

Panorama: „The Heart Is a Muscle“ von Imran Hamdulay

Forum: „Holding Liat“ von Brandon Kramer


FIPRESCI-Preise

Wettbewerb: „Dreams (Sex Love)“ von Dan Johan Haugerud

Perspektives: „Little Trouble Girls“ von Urška Djukić

Panorama: „Under the Flags, the Sun“ von Juanjo Pereira

Forum: „The Memory of Butterflies“ von Tatiana Fuentes Sadowski


Heiner-Carow-Preis

Palliativstation“ von Philipp Döring


Caligari-Preis

Fwends“ von Sophie Somerville


Gilde-Filmpreis

Paternal Leave“ von Alissa Jung


Amnesty International Filmpreis

Die Möllner Briefe“ von Martina Priessner


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