Runen, Glatzen oder Springerstiefel waren lange nicht nur optische Signale rechtsextremer Menschen. In ihrer groben Gestalt vermittelten sie auch eine Anmutung der dahinterstehenden Gedankenwelten. Seitdem aber eine Politikerin wie Alice Weidel als Gesicht der AfD firmiert, fragt man sich umso mehr, was rechtes Denken ausmacht und auf welchen Prämissen es ruht. Im Portal der Bundeszentrale für politische Bildung wird man bei solchen Fragen schnell fündig.
Früher war es einfach, wenn in politischen Zusammenhängen von „rechts“ und „links“ gesprochen wurde. In den Parlamenten saßen die Abgeordneten der konservativen Parteien – vom Präsidenten des Hauses aus gesehen – auf der rechten Seite, die der fortschrittlich-sozialistischen Vereinigungen auf der linken Seite. Und mit einem Sinnspruch des Publizisten Walter Dirks bekommt man auch die inhaltlichen Konturen der beiden Hauptrichtungen in den Blick: „Nichts ohne Not zu ändern, ist das stille Bekenntnis der echten Rechten. Das Notwendige zu tun, ist der lautere Wille der Linken.“ Oder salopper formuliert, rechts votiert eher für das Bestehende und Bewährte, links für Änderungen und Fortschritt. Das gilt in groben Zügen bis heute, auch wenn der Sprachgebrauch fließend ist und das politische Ringen zwischen Freiheit und Gleichheit ständig neue Gewichtungen und Zusammenschlüsse hervorbringt.
Von der allgemeinen Bedeutung des politischen Begriffspaars „rechts“ und „links“ muss man die Tendenzen an den extremen Rändern abgrenzen, die meist als rechtsextrem oder linksextrem bezeichnet werden und mit Zielen verbunden sind, die mit demokratischen Verhältnissen oder einer verfassungsmäßigen Ordnung nichts mehr zu tun haben. Der Linksextremismus, wie er in den 1970er-Jahren mit der Roten Armee Fraktion oder anderen revolutionären Gruppierungen verbunden war, spielt in Europa heute kaum noch eine Rolle. Umso mehr Raum nehmen rechtsradikale Tendenzen ein, die von rechtspopulistischen Erscheinungen bis zu rechtsextremen Gruppen reichen, für die landläufig oft auch die Begriffe Nazis oder Neo-Nazis in Umlauf sind.
Was denken und wollen Rechte?
Diese gängigen Etikettierungen verdecken jedoch oft, wofür diese Kreise stehen und was sie beabsichtigen, wenn sie ans Ruder kämen. Das gilt nicht nur für die sozialen Medien, sondern mit einer besonderen Zuspitzung auch fürs audiovisuelle Feld, in dem „rechte“ Bilder und Symbole allzu leicht die damit verbundenen Inhalte überdecken. Erst die „Correctiv“-Recherchen über ein geheimes Treffen rechter Verschwörer im November 2023 haben eine breite Öffentlichkeit aufgeschreckt und mit den radikalen Vorstellungen dieser Szene bekannt gemacht, die in dem Kampfbegriff der „Remigration“ kulminieren, der zwangsweisen Vertreibung von Menschen ausländischer Herkunft aus Deutschland. Das führte im Frühjahr 2024 zu Massenprotesten, aber zu keinem spürbaren Rückgang der AfD in der Wählergunst.
Seither waren die Entwicklungen in Deutschland mitsamt dem Ende der Ampel-Regierung einer intensiveren öffentlichen Auseinandersetzung mit den Gedanken und Ziel der Kräfte am rechten politischen Rand nicht gerade förderlich. Wer sich dafür mehr interessiert, ist auf eigene Recherchen angewiesen. Allerdings kann man sich auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung ohne großen Aufwand ein recht fundiertes Bild machen. Dort finden sich knappe, pointierte Erläuterungen zu allen wesentlichen Begriffsfeldern wie etwa zum Rechtsextremismus, Rechtspopulismus, Rechtsrock oder Rechtsterrorismus. Wer es genauer wissen oder in historischer Herleitung wissen will, wird auf fundierte, aber gut lesbare Aufsätze von Politikwissenschaftlern weitergeleitet, etwa eine Abhandlung über die „Neue Rechte“ von Richard Stöss, der nach einer Skizze über die historischen Entwicklungen seit der NS-Zeit in der Gegenwart und den publizistischen Organen der Rechten wie der „Jungen Freiheit“, der Zeitschrift „Sezession“ oder dem Antaios-Verlag in Sachsen-Anhalt landet.
Elite und keine Opposition
Wichtig zu verstehen ist dabei, dass das rechte Denken nicht mehr völkisch oder biologisch-rassistisch argumentiert, sondern vielmehr die Verschiedenartigkeit von Völkern und Kulturen betont und daraus das Recht jeden Volkes auf die Bewahrung seiner Identität ableitet. Das schmückt sich mit dem Begriff „Ethnopluralismus“ als Alternative zum Universalismus der Aufklärung. Daher wird auch ein Grundrecht auf Verschiedenheit eingeklagt, die sich gegen die „Mühlen der Gleichmacherei“ zur Wehr setzen müsse.
In einem anderen Aufsatz über die intellektuellen Inhalte der neuen Rechten notiert der Soziologe Armin Pahl-Traugruber, dass individuelle Menschenrechte durch ein kollektivistisches Verständnis ersetzt werden, in dem nicht mehr der Einzelne, sondern Völker die Subjekte von Menschenrechten sind. Gemeinsam ist allen rechten Kräften, dass sie den Verfassungsstaat abschaffen wollen. Opposition ist in ihren Visionen ebenso ausgeschlossen wie ein gesellschaftlicher oder kultureller Pluralismus; im Gegensatz zum Gleichheitsideal wird viel von einer Elite gesprochen, die alle wesentlichen Entscheidungen trifft.
Interessant ist dabei, dass andere Kulturen und Völker verbal nicht abgewertet werden; ihnen komme vielmehr allen eine gleiche Wertigkeit zu. Allerdings solle jeder zur Entfaltung seiner Identität am besten im jeweiligen Heimatland leben. Das ist die wohlfeile Ummantelung der Slogans von „Deutschland den Deutschen“, wobei die Definition des Deutschseins seltsam vage mit dem nebulösen Volksbegriff argumentiert.
Was haben Rechte mit Naturschutz zu tun?
Neben solchen eher theoretisch-grundsätzlichen Differenzierungen findet man auf den Seiten der Bundeszentrale aber auch viele Beiträge zu alltäglichen Agitationen von Rechtsextremen, etwa im Fußballstadion oder in der Schule. Rechtsextreme Akteure bewegen sich mitten in der Gesellschaft und nutzen aktuelle politische Debatten, um ihre Ideologien zu verbreiten und neue Anhänger:innen zu gewinnen. Einige Schnittpunkte erschließen sich dabei nicht auf den ersten Blick. Denn was haben Rechte etwa mit Naturschutz zu tun? Verständlicher ist vielleicht eher die Klage über den vermeintlichen Niedergang oder die Krise klassischer Männlichkeitsvorstellungen; der werden dann Angebote einer „soldatischen Männlichkeit“ entgegengesetzt. Spannend sind auch ein Kapitel über rechtsextreme Esoterik, die im Umfeld der Corona-Proteste auf fruchtbaren Boden fiel, oder eine Zusammenstellung über die Codes der rechtextremen Szene.
Mancher ist dankbar über Anregungen zum Umgang mit Rechtextremismus oder eine Auflistung von Podcasts, Videos und Expertenchats zum Thema Rechtsextremismus.