Mubi rollt dem südafrikanischen Künstler William
Kentridge einen roten Teppich aus und zeigt dessen kunstformenüberschreitende
Serie „Self-Portrait as a Coffee Pot“. Der britische Regisseur Steve McQueen
konfrontiert in „Occupied City“ das heutige Amsterdam mit dem der
Nazi-Besetzung in den 1940er-Jahren und auch Alice Rohrwachers „La Chimera“
erzählt in sinnlichen Bildern vom Umgang mit der Vergangenheit.
Der 1955 geborene Südafrikaner William Kentridge ist ein äußerst vielseitiger Künstler, dessen Werk Zeichnungen, Druckgrafiken, Skulpturen, Theaterstücke, Opern und Filme umfasst. Bereits vielfach wurde er ausgezeichnet, gerade erst wurde am 19. September bekannt gegeben, dass Kentridge diesjähriger Gewinner des Internationalen Folkwang-Preises ist. Damit würdigt das Essener Folkwang Museum, dass der Künstler die Grenzen zwischen bildender und darstellender Kunst überwinde und künstlerische Positionen des afrikanischen Kontinents international bekannt mache.
Da fügt es sich gut, dass der Streamingdienst Mubi ab 18. Oktober seinen Nutzern eine neunteilige Serie von Kentridge zugänglich macht. „Self-Portrait as a Coffee Pot“ entstand während der Covid-Pandemie in Kentridges Studio in Johannesburg und ist als Hymne an künstlerische Freiheit und die Kraft der Fantasie konzipiert. Neben handgezeichnete Animationen kommen dabei Collagen, Performances und Musik sowie spielerische Dialoge mit Kentridge-Alter-Egos und Doppelgängern zum Einsatz, wobei der kreative Entstehungsprozess stets offengelegt wird.
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Vom Nazi-besetzten Amsterdam in die Gegenwart
Wie Kentridge die südafrikanische Geschichte in seine Arbeit einfließen lässt, beschäftigt sich „Occupied City“ (ab 11. Oktober) mit der Historie von Südafrikas früherer Kolonialmacht, der Niederlande. Der britische Regisseur Steve McQueen, der mit seinen Historien-Spielfilmen „Hunger“ und „12 Years a Slave“ große Erfolge feierte und dessen nächster Film „Blitz“ vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs spielt, griff für seinen ersten Dokumentarfilm auf die Buch-Vorlage „Atlas of an Occupied City, Amsterdam 1940-1945“ seiner Frau Bianca Stigter zurück. Buch wie Film dokumentieren Straße für Straße, was während der deutschen Besetzung der Niederlande in deren Hauptstadt geschah. Ausgangspunkt ist dabei das heutige Amsterdam, von dessen Straßen, Kanälen, Plätzen und Gebäuden der Film mit Archivmaterial in den Alltag der 1940er-Jahre zurückblendet, wodurch frappierende Kontraste entstehen: Wo heute ein Café ist, war 80 Jahre zuvor ein Gefängnishof, in dem Juden gequält wurden, am einstigen Sitz der Geheimpolizei steht heute eine Schule und so weiter.
In der Stimmung ähnelt „Occupied City“ dabei „Stadtsinfonie“-Filmen – allerdings mit gesprochenem (sachlichem) Kommentar –, erinnert aber auch an Claude Lanzmanns „Shoah“. Zumal McQueen sich ebenfalls die ihm erforderlich scheinende Zeit genommen hat, um in viereinhalb Stunden Vergangenheit und Gegenwart zu erforschen und die Verstrickungen der Geschichte aufzuzeigen.
Träumerische Fabel & Halloween-Grusel
Attraktiven Nachschub im Spielfilm-Bereich hat Mubi im Oktober ebenfalls zu bieten: Mit „La Chimera“ (ab 4. Oktober) ergänzt der Streamingdienst die Reihe „Im Land der Wunder“ mit den Arbeiten der italienischen Filmemacherin Alice Rohrwacher, die neben ihren Regiearbeiten „Corpo Celeste“ und „Glücklich wie Lazzaro“ auch ihre Kollaborationen mit dem Fotokünstler JR („Omelia Contadina“) und den Regie-Kollegen Pietro Marcello und Francesco Munzi („Futura“) umfasst. „La Chimera“ erzählt von dem Engländer Arthur (Josh O’Connor), der nach einem Knastaufenthalt in seine kleine Stadt am Tyrrhenischen Meer zurückkehrt, wo er sich wieder mit seiner ehemaligen Bande von Grabräubern vereint. Durch seine außergewöhnliche Begabung kann er mit der Wünschelrute etruskische Gräber aufspüren, deren bescheidene Funde sich zu Geld machen lassen. Es ist aber auch eine verlorene Liebe, die ihn an den Untergrund bindet. Rohrwachers träumerische Fabel kreist einmal mehr um den Umgang mit der Vergangenheit und entwirft eine Kritik an rücksichtslosem Fortschrittglauben in sinnlichen Bildern, die in ihrer archaischen Anmutung gleichermaßen erdnah wie magisch sind.
Auch andere Filme im Oktober-Angebot von Mubi verlassen die Sphäre des strengen Realismus, was mit Halloween am Ende des Monats zu tun hat, an dem auch der Arthouse-Streamingdienst nicht ganz vorbeigehen will. Seine Zusammenstellung von Gruselstoffen beruht allerdings ebenso auf dem Kurationsgedanken wie der Rest des Mubi-Programms: Die Filmreihe „Geschwister des Bösen“ huldigt einem der klassischen Motive des Unheimlichen, dem Doppelgänger-Motiv, festgemacht an Zwillingspaaren. Neben David Cronenbergs „Die Unzertrennlichen“ sind ab 1. Oktober François Ozons Psycho-Thriller „Der andere Liebhaber“, Brian de Palmas Frühwerk „Die Schwestern des Bösen“ und „Ich seh, ich seh“ von Veronika Franz und Severin Fiala zu sehen. Am 4. Oktober folgt zudem der Kurzfilm „A Place without Fear“ von Susanne Deeken, der sich der Angst selbst als Resultat unheimlicher Orte widmet. In einer Kombination von Animationstechniken schickt die Avantgarde-Regisseurin ein Mädchen in ein verlassenes Haus und konfrontiert es mit seinen Ängsten.
MUBI zeigt im Oktober
1. Oktober
Reihe „Geschwister des Bösen“
4. Oktober
A Place without Fear (Kurzfilm)
Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien
5. Oktober
11. Oktober
12. Oktober
15. Oktober
18. Oktober
22. Oktober
2 oder 3 Dinge, die ich von ihr weiß
25. Oktober