Ein Papst stirbt, ein neuer Pontifex muss gewählt werden. Nicht nur die katholische Welt hält den Atem an, bis endlich weißer Rauch über dem Vatikan aufsteigt. Doch wer soll künftig die Geschicke der Kirche lenken? In der Romanverfilmung „Konklave“ lotet Regisseur Edward Berger das Ringen um die Macht mit großer stilistischer Brillanz und den dramaturgischen Kniffen eines packenden Thrillers aus. Das wurde beim Filmfestival in San Sebastián wohlwollend aufgenommen.
Der Papst ist tot: ein Herzinfarkt. Für seine engsten Mitarbeiter kommt das nicht unerwartet. Vor der Öffentlichkeit wurden die gesundheitlichen Probleme des Kirchenoberhauptes aber geheim gehalten. Jetzt zieht man dem Toten den päpstlichen Siegelring von der Hand und zerbricht Siegel: „Sede vacante“: Der Heilige Stuhl ist unbesetzt, ein neuer Pontifex muss gewählt werden.
Die Organisation
und Durchführung der Wahl soll Kardinal Thomas Lawrence (Ralph Fiennes)
übernehmen. Er war einer der engsten Mitarbeiter des Verstorbenen. Drei Wochen
später reisen mächtige Kardinäle aus aller Welt für das Konklave nach Rom. Ein
Ritual, das sich in den letzten Jahrhunderten immer stärker verfeinert hat. Das Verfahren fußt auf der Abgeschiedenheit der etwa 120
wahlberechtigten Kardinäle und erhielt 1996 seinen letzten Schliff durch Papst
Johannes Paul II.
Im kleinen Vatikanstaat, zwischen dem Gästehaus Santa Marta und der Sixtinischen Kapelle, beginnt ein erbitterter Kampf um die Macht. Dabei spiegeln die konkurrierenden Favoriten die unterschiedlichen Positionen innerhalb der gegenwärtigen Kirchenpolitik, aber auch globale Machtinteressen innerhalb der katholischen Weltkirche wider. Kardinal Tedesco (Sergio Castellitto) aus Venedig fordert die Rückkehr zur alten Kirche und will hinter die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils zurück. Sein Gegenspieler Kardinal Bellini (Stanley Tucci) ist hingegen die große Hoffnung der Reformer und steht für mehr Vielfalt und größere Toleranz gegenüber Andersdenkenden, Homosexuellen und Geschiedenen und, wenngleich weniger laut, für eine stärkere Beteiligung der Frauen in der Kirche. Der nigerianische Kardinal Adeyemi (Lucian Msamati) hätte die Chance, der erste Papst aus Afrika zu werden. Er hält Homosexualität für eine Todsünde. Kardinal Tremblay (John Lithgow) bietet sich als moderater Vertreter zwischen den Extremen an. Zudem taucht ein neuer Kandidat auf, der Mexikaner Vincent Benitez (Carlos Diehz), den der Papst im Geheimen zum Erzbischof von Kabul ernannt hat. Er verkörpert die Kirche der Armen, der Benachteiligten und Unterdrückten.
In der Abgeschiedenheit der alten Gemäuer spürt Lawrence dunklen Geheimnissen nach, die einzelne Favoriten um den sicher geglaubten Sieg bringen könnten. Draußen aber warten Millionen Menschen darauf, dass weißer Rauch aufsteigt. Eine lange Dauer des Konklaves, das ist allen Beteiligten bewusst, würde als Zeichen der Schwäche und der Zerrissenheit der Kirche gedeutet werden.
Machtspiele hinter Mauern
„Konklave", der Thriller über die Wahl des Papstes und die Kämpfe innerhalb der Spitze der Katholischen Kirche, wurde am 10. September beim Filmfestival in Toronto uraufgeführt und steht jetzt im Wettbewerb des 72. Internationalen Filmfests in San Sebastián. Bei der Premiere gab es begeisterten Applaus.
Der Film von Edward Berger beruht auf dem gleichnamigen Roman des 67-jährigen britischen Erfolgsautors Robert Harris aus dem Jahre 2016. Die Verfilmung hält sich eng an die literarische Vorlage; lediglich aus dem italienischen Kardinal Lomeli hat Drehbuchautor Peter Straughan den US-amerikanischen Kardinal Lawrence gemacht. Interessant ist auch, dass der Kardinal aus Bagdad im Film aus Kabul kommt. Eine wichtige Änderung ist überdies die Vitalität, die dem erzreaktionären Kardinal Tedesco durch den Schauspieler Sergio Castellitto verliehen wird, was die Figur vielschichtiger und bedeutsamer macht.
Die Hauptfigur Kardinal Lawrence ist ein zweifelnder Realist, der Dogmen und Wahrheiten hinterfragt, um seinen Glauben zu bewahren. Sie wird von Ralph Fiennes glaubwürdig und facettenreich verkörpert. Gewissheit sei der schlimmste Feind des Glaubens, denn Gewissheit lasse keinen Zweifel zu und kein Geheimnis. Und ohne Geheimnis gäbe es keinen Glauben, predigt Lawrence zu Beginn des Konklaves. Er ist noch nicht darüber hinweggekommen, dass es nach einem Streit mit dem verstorbenen Papst keine Versöhnung mehr gab.
Er spürt zudem sein Alter und zweifelt an seiner Mission; zudem gerät er in Gewissenskonflikte, als sich die Möglichkeit eröffnet, dass er selbst zum Papst gewählt werden könnte. Ralph Fiennes verkörpert diesen erschöpften Kirchenmann eindringlich über seine Mimik, sein angedeutetes Lächeln und seine Körperhaltung. Allein durch sein Schweigen vermittelt er Zweifel und Misstrauen, aber auch Zuneigung; hinter seiner Freundlichkeit spürt man zugleich Anspannung und unterdrückten Zorn.
„Konklave“ ist allerdings auch ein Ensemblefilm, der mit feinem schwarzem Humor grundsätzliche kirchliche Streitpunkte aufgreift: Zölibat, Homosexualität und den Umgang mit Geschiedenen, aber auch den interreligiösen Dialog, die Vertuschung sexuellen Missbrauchs und die untergeordnete Stellung der Frau.
Als Schwester Agnes
verkörpert Isabella Rossellini die Demut, aber auch die
Bitterkeit der in der katholischen Kirche auf niedere Dienste beschränkten
Frauen. Als sie im Speisesaal ungefragt und mit fester Stimme die Vorwürfe
gegen einen Kardinal bestätigt, ist es mit dieser Demut vorbei. „Obwohl wir
Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul unsichtbar sein sollen,
hat Gott uns doch Augen und Ohren geschenkt.“ Dann macht sie einen demütigen
Knicks, der angesichts der verblüfften Gesichter der Kardinäle fast ironisch
wirkt. Bei der Premiere in San Sebastián gab es dafür spontanen, lang
andauernden Applaus während der Vorstellung.
Für Regisseur Edward Berger handelt „Konklave“ nicht von Religion oder Politik, sondern von
der Verführung durch die Macht. „Machtspiele hinter verschlossenen Türen
betreffen nicht nur die katholische Kirche. Das kommt ebenso in Wirtschaft und
Politik vor“, sagte Berger. Wie schon der zugrundeliegende Roman ist auch die
Verfilmung ein Thriller der ruhigeren Art. Das unterscheidet ihn von den
apokalyptischen Verschwörungsfantasien der Dan-Brown-Verfilmungen wie „The Da Vinci Code“ (2006), „Angels & Demons“ (2009) oder „Inferno“
(2016), bei denen düstere Geheimnisse
aus den kirchlichen Archiven zur Katastrophe führen. „Konklave“ hat auch nur
wenig mit dem fast dokumentarischen Realismus von „Die zwei Päpste“
(2019) zu tun, und noch weniger mit der weltpolitischen Bedeutsamkeit, die
Anthony Quinn als Papst im Vatikan-Klassiker „In den Schuhen des Fischers“
(1968) präsentierte.
Das Fresko vom Jüngsten Gericht
Visuell spielt „Konklave“ auf altbekannte Vatikan-Stereotypen an, zeigt sie aber doch ganz anders. Das Rot der Kardinäle bringt Farbe in die grauen Mauern. Leuchtendes Weiß und Rot, was den dienenden Schwestern verwehrt ist. Weiß wie die Hoffnung, die Unschuld und das Licht, Rot für das Blut, das Martyrium und das Leiden Christi. Der Alltag hingegen ist grau. Das Weiß des Films leuchtet immer stärker, je näher das Konklave durch die dramatischen Ereignisse in Rom und anderen Städten seinem Ende kommt. Vor den mächtigen Säulen und bedrückenden Steinwänden wirken die rot bekleideten Würdenträger allerdings klein und hilflos, und Michelangelos Fresko vom Jüngsten Gericht wirkt wie eine zusätzliche Illustrierung der angespannten Stimmung unter den Kardinälen.
Die Bildgestaltung ist dabei aber nicht folkloristisch
oder klischeehaft; selbst die Schweizer Garde ist nur am Rande zu sehen. Dafür
schafft der Film mächtige Bilder, die in Erinnerung bleiben, etwa von einer
Gruppe Kardinäle, die im Innenhof des Gästehauses Zigaretten
rauchen. Oder die Szene, wenn viele Kardinäle bei Regen mit weißen
Regenschirmen über einen großen Platz auf den Eingang zulaufen.
Das spannende Kammerspiel zwischen dem Gästehaus Santa Marta und der Sixtinischen Kapelle wurde nicht an Originalschauplätzen gedreht, sondern überwiegend in den Cinecittà-Studios und an verschiedenen Schauplätzen in Rom. Für Edward Berger war die Suche nach den Drehorten dabei so wichtig wie das Casting, erläuterte er in San Sebastián, weil nur so die Glaubwürdigkeit des Ortes gewährleistet werden könne.
Sein „Konklave“ ist ein klaustrophobischer Mikrokosmos der Macht, in dem alte Männer um Erneuerung oder Restauration kämpfen, während außerhalb des Vatikans die Konflikte eskalieren. Am Anfang liegt ein Papst auf dem Totenbett, am Ende steht ein neuer Papst kurz davor, sich der Welt zu präsentieren. „Kirche besteht nicht nur aus ihren Traditionen, sondern daraus, was wir damit in Zukunft machen“, lautet seine Botschaft. Vieles werde anders werden. Allerdings wurde der finale Twist des Plots, eine überraschende Wendung um die Identität des neugewählten Papstes, schon von Rezensenten des Romans zwiespältig aufgenommen.
Das Ende des Films ist dann sehr still. Thomas Lawrence, jetzt im schlichten schwarzen Priestergewand, sitzt müde auf der Bettkante. Er öffnet das Fenster. Frische Luft dringt ein. Von außen hört man fröhliches Lachen: Junge, in weiß gekleidete Nonnen verlassen das graue Gebäude.