Die US-amerikanische Filmpionierin Dorothy Arzner kam schon als Kind mit der Filmwelt in Kontakt, da viele Stars der Stummfilmzeit im Café ihres Vaters verkehrten. Doch es brauchte den Zufall, damit sie als Stenotypistin bei Paramount landete, wo sie sich über Schnitt und Drehbuch bis zur Regie hocharbeitete. Arzner gilt als Pionierin des Feminismus, weil ihre Filme oft Manifeste gegen die Ehe sind, gegen die Heterosexualität und die sexuelle Dominanz des Mannes über die Frau. Das Filmhaus Nürnberg zeigt im September zehn ihrer Werke.
„The female Gaze – A Tribute to Dorothy Arzner“, heißt eine Reihe im Filmhaus Nürnberg (5.9.-2.10.2024), die eine bemerkenswerte und in der US-amerikanischen Filmgeschichte einmalige Persönlichkeit in den Mittelpunkt stellt. Nicht allein, weil sie die einzige offen lesbische Filmemacherin war, die im klassischen Hollywoodkino als Regisseurin gearbeitet hat: Dorothy Arzner
Arzner erzielte große kommerzielle Kino-Erfolge und war das erste weibliche Mitglied der Directors Guild of America. Sie wurde 1897 in San Francisco geboren, fuhr im Ersten Weltkrieg Krankenwagen und landete 1919 eher zufällig beim Film. Zunächst arbeitete sie bei der Paramount-Tochter Realart Films als Schreibkraft und Cutterin. Ab 1924 verfasste sie Drehbücher und begann ab 1927, selbst Regie zu führen. Schon ihr erster, heute verschollener Film brachte ihr bei Publikum wie Kritik Anerkennung ein. Obwohl sie sich als „solide Handwerkerin“ sah, liebte Arzner das Experiment und schaffte so als einzige Regisseurin in Hollywood den Sprung vom Stumm- zum Tonfilm. 1930 wurde Arzner zur „Regisseurin des Jahres“ gewählt.
Atypische und moderne Heldinnen
Dorothy Arzner war eine außergewöhnliche Erzählerin mit einem besonderen Gespür für die Perspektiven und Erfahrungen von Frauen. Als Pionierin des Feminismus, die dieses Etikett nie für sich in Anspruch nahm, schuf sie essenzielle weibliche Charaktere, atypische und moderne Heldinnen. Ihre subversiven Filme sind nicht selten Manifeste gegen die Ehe, gegen die Heterosexualität und die sexuelle Dominanz des Mannes über die Frau. Sie hinterfragten Geschlechtervorstellungen, stellten häufig Frauenbeziehungen in den Mittelpunkt und verdrängten die heterosexuelle Romanze aus dem Zentrum des Geschehens – und das mitten in einer Ära, in der das Kino unerbittlich das heterosexuelle Paar propagierte.
Mit ihren ungewöhnlichen, erwachsenen, widersprüchlichen und nicht auf „süß“ getrimmten Frauenfiguren schuf Arzner auch Traumrollen für Hollywood-Diven, fast immer im Team mit Drehbuchautorinnen: für Katharine Hepburn in „Christopher Strong“ (1933), Rosalind Russell in „Craigs Gattin“ (1936), Joan Crawford in „Die Braut trug Rot“ (1937) oder Maureen O’Hara und Lucille Ball in „Dance, Girl, Dance“ (1940).
Zwischen 1927 und 1943 inszenierte sie 16 Spielfilme, von denen einige als Meilensteine des feministischen Kinos gelten. Das Filmhaus Nürnberg präsentiert zehn ihrer Werke und startet am 5. September mit dem aufschlussreichen Dokumentarfilm „Dorothy Arzner, Pioneer, Queer, Feminist“ (2023) von Claudia und Julia Kuperberg. Am 6. September läuft die einmalige Vorstellung von Dorothy Arzners Lieblingsfilm „Working Girls“ (1931) über zwei Schwestern aus Indiana, die in New York Arbeit suchen. Der von Arzners typisch ironischer Sicht auf Ehe, Arbeit und Klasse durchzogene Film steckt voller subversiver Komik und arbeitet heraus, dass beide immer dann eine Chance haben, wenn sie zusammenhalten.
Hinweis
Weitere Informationen und Details zu den Filmen von Dorothy Arzner und ihren Vorführungen finden sich auf der Homepage des Filmhauses Nürnberg.