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The Bear: King of the Kitchen - Staffel 3

Nach der Eröffnung seines neuen Restaurants steigert sich Carmen "Carmy" Berzatto in einen Perfektionismus hinein und gefährdet damit den Zusammenhalt seines Teams

Veröffentlicht am
28. August 2024
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Das „Streben nach Exzellenz“ steht ziemlich weit oben auf einer Liste, in der Chefkoch Carmen „Carmy“ Berzatto (Jeremy Allen White) die „nicht verhandelbaren Spielregeln“ vermerkt, die für sein in Staffel 2 eröffnetes Restaurant „The Bear“ gelten sollen. Für Carmy ist es offensichtlich eher zweitrangig, das neue Lokal bei der Kundschaft zu etablieren und dafür zu sorgen, dass es sich wirtschaftlich trägt. Sein wichtigstes Ziel: Michelin-Sterne!

Dass es etwas Obsessives hat, wie Carmy dieses Ziel verfolgen wird, ahnt man schon in der ersten Episode der neuen Staffel, einem furiosen Auftakt, in dem Showrunner Christopher Storer einmal mehr dramaturgischen Wagemut beweist. Die Folge schließt nicht einfach ans Finale von Staffel 2 an (zur Erinnerung: Staffel 2 endete mit der erfolgreichen Eröffnung des „The Bear“, die Carmy indes versäumt, weil er sich versehentlich in der Kühlkammer einschließt, angesichts der erzwungenen Pause darin zum Nachdenken kommt, sich selbst in Frage zu stellen beginnt und als Folge davon die aufkeimende Beziehung zu seiner Liebsten Claire an die Wand fährt). Das Intro von Staffel 3 ist vielmehr eher eine Reflexion denn eine klassische Erzählung; eine von einem melancholisch-sphärischen Klangteppich getragene Abfolge von Vignetten, die in Carmys Erinnerungen eintauchen und seine ambivalente Beziehung zu seinem Beruf offenlegen. Die Welt der Spitzenküche: Das war für ihn einst ein Zufluchtsort, um dem (Gefühls-)Chaos im Berzatto-Haushalt zu entkommen. Doch der brutale Druck, der hier herrscht, birgt eigene Verletzungsgefahren. Sie wird für ihn zu einer Passion - innig geliebt, aber auch Narben hinterlassend, äußerlich wie die Brandwunde auf der Handfläche, die er in einer der Szenen nachdenklich betrachtet, aber auch innerlich.


Der Zusammenhalt des Teams ist bedroht

Bis es Carmy dämmert, dass er mit dieser Passion, die sich seit der Eröffnung des „The Bear“ ungebremst austobt, den mühsam kultivierten Zusammenhalt seines Teams, aber auch seine eigenen Glücksmöglichkeiten sabotiert, dauert es. Zuvor verfolgt die dritte Staffel in zehn Folgen, wie diverse Figuren mit den „nicht verhandelbaren“ Anforderungen umgehen. Nicht zuletzt erweist sich der Anspruch, jeden Tag das Speisenangebot komplett zu ändern, als kritischer Punkt. Am meisten aber stört, dass Carmy seinen Mitarbeiter:innen kaum Entfaltungsmöglichkeiten einräumt, woran sich vor allem Sydney (Ayo Edebiri) stößt, seine eventuell baldige Geschäftspartnerin, aber auch Richie (Ebon Moss-Bacharach), der eigentlich den Gastraum managen sollte, von Carmy aber ständig dazwischen gefunkt bekommt.

Showrunner Christopher Storer und die Autoren bewegen sich dabei auch jenseits der ersten Folge dramaturgisch recht freihändig, denn im Unterschied zu Staffel 2, wo der Countdown bis zur Neueröffnung des „Bear“ als Leitlinie und Spannungsmotor funktionierte, bleibt jetzt länger unklar, worauf die Handlung hinausläuft. Die Macher verlassen sich darauf, dass die Faszination für die kantigen, vielschichtigen Figuren das Publikum in Bann schlägt. Und damit haben sie vollkommen recht.


Was die Arbeit für Menschen bedeutet

So ist beispielsweise Folge 6 der neuen Staffel – übrigens das Regiedebüt der Schauspielerin Ayo Edebiri, während die anderen Folgen vor allem Christopher Storer und Joanna Calo inszeniert sind – für die Handlung zwar eher unwichtig, aber dennoch ein Highlight. Sie beleuchtet die Vorgeschichte einer der Köchinnen, Tina (Liza Colón-Zayas), bis zu ihrem beruflichen Einstieg in das damals noch von Carmys Bruder Michael geführte „Original Beef“, und konterkariert das Ringen um Exzellenz im „Bear“ mit einem anderen Blickwinkel auf das, was Arbeit für einen Menschen bedeuten kann.

Herzstück dieser Folge ist ein langes Gespräch von Tina mit Michael (Jon Bernthal), in dem noch einmal deutlich wird, was dessen Qualitäten jenseits seiner geschäftlichen Unfähigkeit als Leiter eines Restaurants ausmachte (und Carmy gerade auf fatale Weise abhanden zu kommen droht): die Liebe zur Interaktion mit anderen Menschen. Wie schon in Staffel 2 sind solche ruhigen Zwiegespräche neben allem Wirbel, Stress und den Turbulenzen in der quirligen Restaurantküche eine zentrale Stärke der dritten Staffel. Auf sehr praxisnahe, nicht philosophisch abgehobene Weise geht es dabei immer wieder um nichts Geringeres als den Sinn des Lebens. Um die Rolle des Arbeitens im Spannungsfeld zwischen Selbstverwirklichung und Existenzsicherung, und um die Bedeutung zwischenmenschlicher Beziehungen im Lavieren zwischen Abgrenzung und die Suche nach Nähe und Gemeinschaft.


Ein klärendes Gespräch

Dass die Serie bei der Emmy-Verleihung hartnäckig in der Kategorie „Comedy“ geführt wird, ist einigermaßen absurd. Zwar gibt es tatsächlich immer wieder komische Momente, nicht zuletzt dankt den Brüdern Neil und Theodore Flak (Matty Matheson & Ricky Staffieri), die sich im „Bear“ ums Handwerklich-Grobe kümmern und in Staffel 3 in einer Folge von John Cena ergänzt werden; doch im Grunde ist die Serie waschechtes Drama mit jeder Menge bewegender Szenen. Etwa wenn in Staffel 3 Richie (Ebon Moss-Bachrach) nicht nur mit seiner Position im „The Bear“ kämpft, sondern auch mit seiner Position als Vater seiner kleinen Tochter, als seine Ex-Frau wieder heiraten will. Oder wenn bei Carmys Schwester Natalie (Abby Elliott) endlich die Wehen einsetzen, im Krankenhaus zunächst nur ihre Mutter (Jamie Lee-Curtis) an ihrer Seite ist und die beiden endlich ihr problematisches Verhältnis klären können.

Kombiniert mit einer Bildsprache, die für Nuancen im Spiel der Protagonisten ebenso viel Sensus hat wie für die Sinnlichkeit des Koch-Sujets und die Metropole Chicago als pulsierenden, rauen Schauplatz, sowie einem Soundtrack, der kongenial immer den richtigen Song oder die richtig Musik zu finden scheint, um die emotionale Tonlage auf den Punkt zu bringen, hält die dritte Staffel dabei durchweg den Energie-Level, den die beiden Vorgängerstaffel vorgegeben haben – bis zu einer letzten Folge, die an Fulminanz dem Staffelauftakt in nichts nachsteht.

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