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Neuer Kinotipp: „Ivo“ von Eva Trobisch

Ein stiller, intensiver Film über eine ambulante Pflegerin, die unheilbar Kranke und ihre Angehörigen betreut und Tag für Tag mit Extremsituationen umgehen muss

Veröffentlicht am
21. Juni 2024
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Die Jury der Katholischen Filmkritik kürt das einfühlsame Drama „Ivo“ von Eva Trobisch zum Kinotipp für den Monat Juni. Der Film erzählt von der ambulanten Pflegerin Ivo, die im Ruhrgebiet Menschen mit unheilbaren Krankheiten betreut und tagtäglich mit unterschiedlichsten Situationen konfrontiert wird.


Mit ihrem alten Skoda ist Ivo (Minna Wündrich) jeden Tag auf den Straßen im Ruhrgebiet unterwegs. Von früh bis spät kurvt sie durchs Revier, um Menschen zu betreuen, die schwer erkrankt sind und nicht mehr lange zu leben haben. Sie kümmert sich um ihre Medikamente, setzt Spritzen oder legt einen neuen Verband an. Sie leiht den Patienten ihr Ohr für Alltägliches wie Außergewöhnliches und weiß auch mit den oft schwierigen Situationen zwischen den Sterbenden und ihren Angehörigen umzugehen. Bei aller Bodenständigkeit strahlt die patente Palliativpflegerin aber auch etwas ausgesprochen Leichtes aus. Einen Rückzugsort findet sie in ihrem Auto, in dem sie isst, singt und telefoniert. Zuhause, wo sie mit ihrer pubertierenden Tochter zusammenlebt, wirkt sie hingegen eher wie auf Besuch.

Das Sterben und die damit verbundenen extremen Situationen gehören zu ihrem Alltag. Für die Beteiligten mag das Sterben ein extremer, existenziell herausfordernder Prozess sein, in dem die Erlösung vom Warten auf den Tod manchmal unausgesprochen im Raum steht. Doch „Ivo“ ist bei aller Genauigkeit, mit der der Film die ständig neuen Situationen einfängt, weder lähmend noch niederdrückend. So aufmerksam wie unaufdringlich blickt der Film auf die sozialen und zwischenmenschlichen Beziehungen, obwohl es meist um ganz konkrete Dinge geht: um Beschwerden, Appetit, Schlaf.


Nah und doch auf Distanz

Die Stärke des Films von Eva Trobisch, so die Jury der Katholischen Filmkritik, liegt in der alltagsnahen Schilderung von Pflege, Konfrontation mit Krankheit und Tod sowie der emotionalen Belastung, die damit einhergeht. Es wird physisch spürbar, was diese existenziell herausfordernde Situation mit Menschen macht. Zugleich bleibt der Film in seiner halbdokumentarischen Inszenierung immer auf Distanz.

Die nahe am Halbdokumentarischen inszenierte Geschichte, in der professionelle Schauspieler:innen mit echtem Fachpersonal interagieren, spinnt eher lockere Fäden und deutet vieles nur an; nichts drängt auf dramaturgische Zuspitzung. Es bleibt dem Publikum überlassen, ob es in die menschlichen Schicksale, auch die der Hauptfigur, eintaucht oder es bei recht unspektakulären Alltagsbeobachtungen belässt. Das Thema Sterbehilfe seht im Raum und verdichtet sich in der Betreuung von Ivos todkranker Freundin (Pia Hierzegger), bestimmt aber nicht den Verlauf des Films.

„Ivo“ gibt keine letzten Antworten, sondern stellt viele Fragen. Mit seiner Hauptfigur, die auf alles, was ihr Beruf wie Privatleben abverlangen, konstruktiv reagiert, bleibt der Filme offen und durchaus ambivalent. Unterschiedliche Beobachtungen und Empfindungen, die mit dem Sterben zu tun haben, werden nebeneinandergestellt: Pragmatismus und Aufruhr, Banales und Erschütterndes, Bewegung und Stillstand. Der Realismus der Bilder beschränkt sich nicht auf das Abbilden bloßer Äußerlichkeiten, sondern ist impressionistisch aufgebrochen: Das Wissen um die Endlichkeit des Lebens wirkt wie ein Wahrnehmungsverstärker.

"Ivo" von Eva Trobisch läuft ab Donnerstag, 20. Juni, in den deutschen Kinos (Piffl Medien)

"Ivo" von Eva Trobisch läuft ab Donnerstag, 20. Juni, in den deutschen Kinos (Piffl Medien)


Der „Kinotipp der Katholischen Filmkritik“ hebt Filme hervor, die in besonderer Weise religiöse Themen aufgreifen, von menschlichen Nöten, Sorgen und Hoffnungen erzählen und Antworten auf existenzielle Fragen formulieren.

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